Mit Spendengeldern in Höhe von insgesamt 114.531,66€ wurden Hilfsgüter im Wert von ca. 250.000€ übergeben
ANDERNACH. Als man unmittelbar nach Kriegsausbruch Anfang März 2022 die Idee entwickelte, der Zivilbevölkerung in der Ukraine in ihrer Not irgendwie helfen zu wollen, konnte niemand des heute aus 14 Personen bestehenden Hilfskonvois Andernach vorhersehen, was man 214 Tage später bilanzieren würde.
„Wir hatten anfänglich gehofft, mit etwas Glück 2.000€ an Spendengeldern sammeln und so die vorfinanzierten Hilfsgüter der ersten spontanen Tour (04.-06.03.2022) bezahlen zu können“, so Marcel Gasteier. Dank der unfassbaren Spendenbereitschaft lokaler Unternehmen und vieler Privatpersonen war man sich schnell bewusst, dass es keine einmalige Hilfsaktion bleiben konnte.
Die im Rahmen der ersten Fahrt geknüpften Kontakte innerhalb eines weltweiten Polizeinetzwerkes sowie zu anderen privaten Hilfsorganisationen ermöglichte ab Mitte März, die Geldspenden so gezielt wie möglich einsetzen zu können.
„Anhand konkreter Bedarfslisten und zwischenzeitlich bekannter Anlaufstellen konnten wir die Hilfsgüter bereits beim zweiten Konvoi (18.-20.03.2022) auf ukrainischer Seite unmittelbar übergeben“, erinnert sich Daniel Schneider.
Beeindruckende Erlebnisse
Nachhaltig beeindruckt hat das Team die Einreise in ein Kriegsland sowie die Erlebnisse außerhalb der Staatsgrenze der EU. Die administrativen Prozesse (die bereits Wochen vor der Tour erfolgen müssen), die Anzahl und Genauigkeit der Grenzkontrollen, das Gefühl beim Grenzübertritt, die Bilder der überfüllten Bahnhöfe, Sporthallen etc. im Grenzgebiet, die unzähligen Gespräche mit Geflüchteten, all das lässt sich kaum in Worte fassen.
Man wurde im Frühling 2022 oft mit der Frage konfrontiert, ob man sich des Risikos bewusst sei und warum man dies auf sich nehme. „Uns ist klar, dass es riskant ist. Aber was ist das Risiko gegen so viele Menschenleben, die der Krieg kostet“, sagte Nina Keul bereits im März in einem Interview.
Großer logistischer Aufwand
Der mit den Konvois verbundene Aufwand - neben der eigentlichen Fahrt insbesondere Buchhaltung, Einkauf, Logistik, Rückabwicklung - waren zweifelsfrei zeitliche Belastungen, die es neben Job und sozialem Umfeld auszuhalten galt. So war sich das Team einig, mit der dritten Tour (22.-24.04.2022) die Aktion zu beenden.
Schließlich hatte man innerhalb weniger Wochen nahezu 100.000€ gesammelt und dank der Großzügigkeit einiger Unternehmen beim Einkauf den Warenwert mehr als verdoppeln können. Zudem konnte man neun Personen aus dem Kriegsgebiet evakuieren und in der Heimatregion sicher unterbringen.
Bis zum Spätsommer 2022 zeichnete sich allerdings ab, dass das eigens eingerichtete Treuhandkonto wieder so gefüllt war, dass eine lokale Spende nicht dem Zweck der privaten Initiative entsprochen hätte. „Die hohe Spendenbereitschaft ist sicher auch darauf zurück zu führen, dass wir vom Einkauf bis zur Übergabe im kleinen Team alles selbst organisiert haben. Genau das ist auch unser Anspruch gewesen“, so Sven Welter.
Tatsächlich wurden sogar die Mietkosten für die Transporter, die Treibstoffkosten, sowie die Verpflegung des Teams größtenteils von Sponsoren getragen. Der pauschal klingende Slogan auf einem der Flyer des Andernacher Hilfskonvois „Jeder Cent kommt an“ wurde bei dieser Aktion stets gelebt.
Begleitende Beiträge zur Aktion
Für eine größtmögliche Transparenz wurden frühzeitig eigene Instagram- und Facebook-Seiten eingerichtet („hilfskonvoi_ukraine_andernach“). Die ständigen Beiträge und Videobotschaften sollten alle mit auf die Touren nehmen, Eindrücke des Erlebten vermitteln und zeigen, wofür die Spendengelder ausgegeben wurden.
Zusammenfassend waren das insbesondere Medikamente, medizinische Geräte, Hygieneartikel für Erwachsene und Kinder, haltbare Nahrungsmittel, Schlafsäcke und Isomatten, Thermounterwäsche, Lampen, Batterien, Powerbanks und Tabletten zur Wasseraufbereitung.
Mit solchen Hilfsgütern im Wert von ca. 30.000€ im Gepäck ging man im Zeitraum 29.09.2022 - 02.10.2022 nun ein viertes Mal auf Tour.
Nach einer durchaus intensiven 15 stündigen Fahrt nach Krakau ging es am frühen Samstagvormittag auf der zweiten Etappe wie geplant an die polnisch-ukrainische Grenze. Hier wurden im Rahmen der Zollkontrolle - eine von vielen Kontrollen im wenige hundert Meter umfassenden Transitbereich - erstmals intensivere Diskussionen über Art und Gewicht der Hilfsgüter geführt.
In solchen Stunden des Wartens und Diskutierens kommt durchaus mal die Sinnfrage auf, insbesondere, weil man dem Land und der Bevölkerung doch eigentlich nur helfen möchte. Auch hier zeigt die Erfahrung: Ruhe bewahren und freundlich bleiben sind die Allheilmittel, um die Einreise nicht zu gefährden.
Am Nachmittag war die Einreise erfolgreich bewältigt, die Reisepässe hatten ihren dritten ukrainischen Stempel. Umgarnt von dem Gefühl der Sicherheit wurde bei dieser Tour der Übergabepunkt nicht in unmittelbarer Grenzregion, sondern am Logistikzentrum der ukrainischen Hilfsorganisation gewählt. Dies ersparte schließlich ein mehrfaches Umladen.
Mehr als 114.000 Euro Spenden gesammelt
Als Fazit nach dieser letzten 66-stündigen Tour bleiben: 114.531,66€ an gesammelten Spendengeldern, überbrachte Hilfsgüter im Wert von ca. 250.000€, neun evakuierte Menschen, ca. 10.000 gefahrene Kilometer, neue Freundschaften, ein gutes, aber auch bedrückendes Gefühl und eine Einladung zu einem 3-tägigen Besuch nach Lemberg nach Kriegsende. Dass Letzteres nicht allzu lange auf sich warten lassen muss, hoffen Nina Keul, Marcel Gasteier, Daniel Schneider, Sven Welter und Thomas Welsch.