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Mitteilungsblatt für Mayen und Mendig
Ausgabe 11/2023
Aktuelles
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Evangelischer Ruhestandsgeistlicher will die Menschen an seinem Leben teilhaben lassen

Unsere Zeitung hat sich mit dem evangelischen Ruhestandspfarrer, Autor und Seelsorger Sven Dreiser vor dem Theodore-Dreiser-Haus in Mayen, in dem sich die Stadt Bücherei und die Tourist-Information befinden, getroffen. Die Stadt Mayen würdigt das Schaffen des Großcousins seines Urgroßvaters mit dem Hausnamen und einer Gedenktafel. Theodore Dreiser gilt als Pionier des amerikanischen Naturalismus, einer ganz besonderen Epoche.

RIEDEN. (EB) Die poetische Sprache von Texten findet Sven Dreiser per se schön. „Ästhetische Sprache ist einfach und berührt das Herz“, erklärt der evangelische Ruhestandspfarrer. Viele Menschen in unserer Region kennen ihn.

Mit seinen Texten, und Gedanken, die der Theologe seit wenigen Tagen in seinem Literaturblog www.svendreiser.meveröffentlicht, möchte er die Herzen der Leser berühren und sie auch an seinem Leben und Gefühlen teilhaben lassen. „Ich beobachte gerne Menschen und ihre Geschichten. Das gelingende Leben wird ein wichtiges Thema für meine Texte sein. Ich bin neugierig, welchen Menschen und Geschichten ich begegnen werde.“

Inspirationen durch Thomas Mann

Inspirieren lässt sich der in Rieden lebende Seelsorger, Lyrik-Freund und Autor gerne von Thomas Mann, vor allem von seinem Werk „Der Zauberberg“ aber auch von der poetischen, einfachen Sprachwelt des Seelsorgers und Predigers Josef Ratzinger. Aber auch der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil von dem er kurz vor dem Abitur dessen Erstlingsroman gelesen hatte, motiviert ihn, seine eigene Lebensgeschichte in Bildern und Geschichten auszudrücken und mit der Sprache zu spielen.

Gesundheitliche Krise

Angefangen Gedichte zu schreiben, hat Dreiser während einer gesundheitlichen Krise. So hat er manches verarbeiten können. Seit Beginn seines Ruhestandes im Januar 2017 suchte er nach einer neuen sinnvollen Aufgabe. Am meisten hat ihn dabei das Fernstudium „Literarisches Schreiben lernen“ einer privaten Autorenschule angesprochen.

Im Fernstudium, das er Anfang dieses Jahres begonnen hat, möchte er gerne mit Texten und Sprache experimentieren. „Und der Frage nachgehen, wie sich das Leben transparent machen lässt für das Unsichtbare. Die Geschichte hinter den Geschichten. Denn ich bin davon überzeugt, dass das Leben nicht nur an der Oberfläche stattfindet.“

Gewalt erlebt

Wenn Sven Dreiser zurückblickt, bekennt der gebürtige Bitburger: „In meiner Kindheit habe ich Gewalt erlebt und mit meinem Teddy im Arm überlebt.“ Nur an die liebevollen, warmherzigen Besuche bei der Ur-Oma väterlicherseits erinnert er sich gerne.

Beruf als Flucht

Die unendliche Güte seiner Ur-Oma spürte war noch Jahre nach ihrem Tod in deren Haus und in der Familie seiner Großtante. Schon früh hatte Sven Dreiser den Berufswunsch evangelischer Pfarrer zu werden. „Heute weiß ich, dass das so etwas wie eine Flucht war. Als Pfarrer - so glaubte ich es beinahe bis zu meinem Ruhestand - konnte mir so schnell keiner mehr etwas anhaben. Ich verschwand einfach hinter meinem Talar. Unberührbar.“

Studiert habe er nie gerne. Das theologische Denken sei ihm fremd und lästig gewesen. Bis heute. „Ich wollte Menschen trösten, ihnen helfen.“ Im Studium habe er von all dem wenig gefunden. „Immerhin kam ich aber endlich, endlich von zu Hause fort.“

Studium und Beruf führten ihn nach Bielefeld, Bonn, Cochem, Hannover, Koblenz und Erkelenz-Lövenich. Und schließlich zu Beginn seines vorgezogenen Ruhestand in das Steinmetzdorf Rieden. „Aus einer der vielen Steinmetzfamilien stammt auch mein Ehemann, Johannes Markus.“ Nach langen Jahren der Suche ist Sven Dreiser in Rieden zuhause angekommen. Hier hat er endlich seine Heimat gefunden.

Im Leben des heute 58-Jährigen gab es einen großen inneren Konflikt, der ihn förmlich zerrissen hat. Die Suche nach seiner sexuellen Identität. „Ich habe zunächst geglaubt, als Pfarrer müsste ich Familie haben, mindestens drei Kinder.“ Das Lebensmodell hatte sich so in seinem Kopf festgesetzt, „das ich vieles in mir verdrängte. Meine wahren Gefühle. Meine Lust auf das Leben. Meine Fähigkeit zu lieben.“

Coming-Out im Jahr 1999

Mit dem Coming-Out im Jahr 1999 war seine Suche nach einem erfüllten Lebenzunächst einmal zu Ende. Die Suche nach Liebe aber noch lange nicht. Es folgten konfuse Jahre der irrenden Beziehungen und verdrehte Erfahrungen. Bis er dann seine Liebe, Markus Johannes, einen ausgesprochenen Heimatmenschen, fand. „In seiner Nähe blühe ich auf.“ Doch zurück zum Literarischen Schreiben. Mit literarischen Texten ist Sven Dreiser schon sehr früh in Berührung gekommen. „Gerda Dreiser, eine unverheiratete Großtante, die als Heimatschriftstellerin in Bitburg und in der Eifel in ihrer Zeit (1906 bis 1991) berühmt wurde, hat verschiedene Zeitungsartikel über einen in Amerika berühmten Verwandten von uns: über Theodore Dreiser (1871 - 1945), geschrieben. Er hat sich vor allem mit gesellschaftskritischen Romanen, die sogar in Hollywood verfilmt wurden, einen Namen gemacht.“

Fasziniert habe ihn die Tatsache, dass der Großcousin seines Urgroßvaters am Ende seines Lebens in Hollywood gelebt hat und dort auch begraben liegt. Die Beerdigungsrede habe der berühmte Charly Chaplin, ein Freund von ihm, gehalten. „Was für eine Petitesse, von der nicht jeder erzählen kann.“

Den Literaturblog von Sven Dreiser können Interessierte auf www.svendreiser.me verfolgen. Hier vertraut er die Texte - unter anderem eine persönliche Erinnerung an Papst Benedikt XVI. - die entstehen und seine Gedanken dazu, interessierten Lesern an. „Ideal wäre ein guter Gedankenaustausch miteinander, zu dem ich ausdrücklich ermutige.“