Titel Logo
Mitteilungsblatt für Mayen und Mendig
Ausgabe 44/2022
Aktuelles
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Kultur und lecker Kölsch von und mit Kabarettist Jürgen Becker

Für rund zwei Stunden hielt Jürgen Becker das Publikum in Atem.

Mendig/EB. Schauplatz: Laacher-See-Halle. Zum wiederholten Mal war Jürgen Becker in der Vulkanstadt zu Gast. Am Freitagabend unterhielt der Kabarettist, Fernsehmoderator und Autor das Publikum mit seinem aktuellen Programm: „Die Ursache liegt in der Zukunft“. „So da woll’n mer uns mal’ nen richtig schönen Abend machen“, erklärte Becker eingangs und fügte hinzu.

„Endlich wieder Mendig!“ Es freue ihn richtig, „dass wir wieder so zusammen kommen.“

Er habe eine Statistik gelesen, wo die Menschen am glücklichsten sind. Nummer eins - sei Finnland, gefolgt von Norwegen und Dänemark. Glück habe nichts mit der Temperatur zu tun. „Das macht Mut für den Winter“, stellte er fest.

Mit seinem rheinischen Humor legte der Kölner Kabarettist seine Finger in die Wunden, und zwar bei all den Dingen, die den Menschen aktuell unter den Nägeln brennen.

Auffällig war, dass der Wortakrobat in seinem Programm, welches dem Titel nach eigentlich die Zukunft im Blick haben sollte, erstaunlich oft zurückblickte. Zunächst also eine Rolle rückwärts.

„Wer hätte gedacht, das dieser Despot im Kreml uns dazu bringt, dass wir uns Abends vor den Fernseher setzen und uns Lothar Wieler und Karl Lauterbach zurückwünschen? Über was haben wir uns vor einem Jahr alles aufgeregt? Und wer hätte gedacht, dass „uns unsere Ehefrau beim abendlichen Aufbruch in die Stammkneipe hinterherruft: Hast Du deinen Impfausweis auch nicht vergessen?“ Man wisse nicht, was einen alles noch erwarte. Auch auf die ehemals überschaubare Parteienlandschaft in unserem Land und den Begriff „Urnengang“ war der Künstler sowie ebenso wie auf das liebste Hobby der Deutschen in den 1950er Jahren „aus dem Fenster schauen“, eingegangen. Dann schwenkte er in die Zukunft und prangerte zahlreiche Missstände in unserer Gesellschaft, unter anderem die schleppende Digitalisierung, an. Auf dem Kicker hatte Becker zudem privat betriebene Krankenhäuser, Einsparungen im Gesundheitswesen, das Zwei-Klassen-Gesundheitssystem, 20.000 Todesfälle, die möglicherweise von Krankenhauskeimen durch mangelnde Hygiene ausgelöst werden sowie teils unsinnige Operationen am laufenden Band und die Entlassung von frisch operierten Pateinten auf die feine „englische Art“ - also noch blutig. Auch die Ärzte, die an Kassenpatienten ab einer bestimmten Anzahl von Besuchen im Quartal nichts mehr verdienen und sogenannte IGEL-Leistungen, also ein von den Patienten selbst zuzahlendes Zusatzangebot anbieten, bekamen ihr Fett weg. Ebenfalls kein gutes Haar hatte Becker an Partnerschaftsvermittlungen gelassen. „Früher hat man sich den Anderen beim ersten Treffen schöngesoffen. Heute investiert man viel Geld bei Parship, um einen passenden Partner zu finden.“ Der Energiekrise trotzt Becker im Übrigen seit Wochen mit kalt duschen.

Während seines zweistündigen verbal schlagkräftigen Rundumschlags appellierte der spitzzüngige Künstler an die Gäste rücksichtsvoll mit der Natur umzugehen und auf Billigflüge und Kreuzfahrten zu verzichten. Manche aus kabarettistischer Sicht angeschnittene Thematik regte so manchen Zuhörer sicher zum Nachdenken an. Abgerundet wurde der Abend durch eine vom Publikum gewünschte Zugabe. Dabei ging der eingefleischte Karnevalist und Mitbegründer der revolutionären Kölner Stunksitzung auf das Kulturgut „Karneval“ ein. Und am Ende gab es neben einem langanhaltenden Applaus Sion-Kölsch - ein Geschenk Beckers - an das Publikum.