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Mitteilungsblatt für Mayen und Mendig
Ausgabe 7/2023
Aktuelles
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Sind Büttenredner in Zukunft Mangelware?

Bastian Müller weiß, wie er das Publikum mit seinen selbstgeschriebenen, fantasievoll gestalteten Reden, fesseln kann.

Die KG Obermendig kann sich glücklich schätzen: in der zur Narrhalla umfunktionierten Schützenhalle sorgt die "Hex" für Furore.

RKK Präsident Hans Mayer liegen Büttenredner ganz besonders am Herzen

Nach drei Jahrzehnten hat sich Hans Rolf Müller als Büttenredner, jedoch nicht als Erster Vorsitzender der KG Ettringen, von den närrischen Bühnenbrettern verabschiedet. 

REGION. (EB) An jungen tänzerischen Talenten mangelt es den Karnevalsvereinen in der Region nicht. Hingegen scheint der Nachwuchs in der Bütt mancherorts komplett zu fehlen. Sind die lokalen Wortvortragenden mit ihren gereimten und ungereimten Reden eine aussterbende Spezies?

Eine wirkliche Kunst, mit einem nicht zu unterschätzenden Schaffensprozess – es sei denn der Redner kupfert seinen Vortrag von jemand anderem ab - ist das Schreiben einer Büttenrede, die locker, originell und spritzig sein soll.

Außerdem muss derjenige den Mumm haben, sich auf der Bühne dem Publikum zu stellen. Glücklicherweise gibt es Karnevalsjecken, die mit jede Menge Kokolores ihre eigene Rede schreiben und sich damit viel Mühe machen.

Einer von den aufstrebenden Wortakrobaten ist Bastian Müller aus Kottenheim. Mit 31 Jahren ist er aktuell der jüngste, der mit Büttenrednern gut bestückten Kottenheimer Karnevalsgesellschaft. Im Jahre 2020 hatte Müller sein Debüt bei den Damensitzungen in der Bütt gegeben. Innerhalb von dreizehn Minuten brachte der Newcomer – er hatte die hellauf begeisterten Zuschauer mit auf eine Hochzeitsreise der besonderen Art genommen - 97 Orte und Städte aus unserer Region auf exzellente und bislang unbekannte Weise lebendig und betont ausdrucksstark näher. Dieses Mal erzählt er von einem Junggesellenabschied auf die Spirituosen. Dabei serviert er dem Publikum einen bunten Mezzomix an Flachwitzen, in denen er innerhalb von 18 Minuten 147 Getränke kredenzt. Ohne dabei auch nur einmal auf seine Vorlage zu schauen. „Eine solche Rede ist ein Reifungsprozess.“ Er habe diese innerhalb der vergangenen drei Jahre gefühlte 100 Mal umgestellt – und das Publikum dankt ihm sein Engagement mit Beifall und schallendem Gelächter.

Kein Nachwuchssorgen in der Bütt plagen die Andernacher Stadtsoldaten. „Wir haben neben „alten Hasen“ mit Johannes Fischer, dem mittlerweile 18-jährigen Preisträger des Zinnhannes Kulturpreises in der Kategorie Nachwuchs, seit acht Jahren einen hervorragend jungen Büttenredner“, erklärt Heribert (Molly) Zins.

Dem nach 23 Jahren vor wenigen Tagen ausgeschiedenen Sitzungspräsidenten der Stadtsoldaten liegt es am Herzen, „Dass Wortvortragende kein Auslaufmodell werden.“

Seit Jahren fördert der 67-Jährige junge Talente und nimmt sie mit großem Engagement unter seine Fittiche. „Ich bin guter Dinge. Ich habe einige junge Leute, die ich im kommenden Jahr, an die kleineren karnevalistischen Veranstaltungen der Andernacher Nachbarschaften oder kirchlichen Gruppierungen heranführen möchte. Im Vorfeld werde ich mit ihnen die Vorträge vorbereiten, die richtige Aussprache und die Art, wie die Rede vorgetragen wird üben und Tipps an die Hand geben, damit die eingestreuten Pointen sitzen.“ Eine Herausforderung dürfte es allerdings dann sein die Newcomer letztendlich bei der Stange zu halten.

Das ist der Prinzengarde Andernach gelungen: auf deren Sitzungen begeistert bereits seit 2017 Liam Stromberg das närrische Auditorium. „Wir sind insgesamt mit der Anzahl der Büttenredner aktuell zufrieden, halten jedoch Ausschau nach neuen Talenten“, berichtet Kommandeur Sven Steil. In diesem Jahr nimmt der 19-Jährige Beziehungen zu gleichaltrigen jungen Frauen auf’s Korn.

Glücklich schätzen, mit Luis Velten ein tolles Nachwuchstalent aus den eigenen Reihen zu haben, kann sich der Alzheimer Karnevals Verein, wie Vereinsvorsitzender und Sitzungspräsident Achim Geisen unserer Zeitung berichtet. Bereits seit seinem neunten Lebensjahr nimmt Luis in der Bütt kein Blatt vor den Mund.

Für Begeisterungsstürme sorgt der aus einer karnevalistisch geprägten Familie stammende mittlerweile 16-Jährige mit bemerkenswerten Wortbeiträgen aus der Feder seiner Tante Andrea Nett. In Ettringen hat Hans Rolf Müller in diesen Tagen nach 30 Jahren sich als Büttenredner verabschiedet.

Mit einem Appell hatte sich der Erste Vorsitzende der KG Etringen, der tausende Sitzungsbesucher mit seinen Vorträgen begeistert hatte, an die jungen Frauen und Männer aus dem Ort gewandt: „Nehmt euch der Sache an. Es wäre schade, wenn die Einzelvorträge hier aus der Sitzung verschwinden würden.“

RKK: Akademie für Nachwuchs

Um junge Talente und Quereinsteiger in der Bütt zu fördern hat der RKK (Rheinische Karnevals-Korporationen) für seine rund 1400 Mitgliedervereine im vergangenen Dezember mit der Einrichtung einer Akademie eine Initiative gestartet, um jungen Rednern das notwendige Know-How zu vermitteln.

Die ersten Seminare sollen im Frühjahr starten. „Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt. Leider haben zwischenzeitlich nicht wenige Vereine Probleme, neue Wortvortragende zu finden, die sich trauen auf einer Bühne aufzutreten“, berichtet RKK-Präsident Hans Mayer gegenüber unserer Zeitung in einem persönlichen Gespräch. „Büttenredner - sie sind Urwüchse des Karnevals - gehören zu einer Sitzung, wie auch die Tanzdarbietungen und Gesangsbeiträge. Wenn wir heute von Karneval reden, dann ist das eine gesunde Mixtur mit Büttenreden, mit Gesang und Gardetänzen, bei dem auch das neuzeitliche „Gerockte“ mit einbezogen werden muss. Hier in der Region wird der Karneval noch hausgemacht!“