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Mitteilungsblatt für die Gemeinde Hünfelden
Ausgabe 25/2025
Schul- und Kindergartennachrichten
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Erinnerung, die bewegt

Schülerinnen und Schüler des Bilingualen Kurses von Frau Birkenfeld, die die Veranstaltung vorbereitet und gestaltet haben

Markus Streb, der dem Arbeitskreis Jüdisches Leben in Hünfelden angehört und in engem Kontakt und Austausch mit der Schule steht.

Angehörige aus England namens Annette Barrett (Jennifer Löwensteins Enkelin) zwischen Mia Groß (rechts von ihr) und Liliy Kunze (links von ihr).

Stolpersteinverlegung für Familie Löwenstein in Hünfelden-Kirberg

Das Schicksal der jüdischen Familie Löwenstein aus Hünfelden-Kirberg hat den bilingualen Kurs der Freiherr-vom-Stein-Schule tief bewegt. Am 27. Mai 2025 gestalteten die Schülerinnen und Schüler einen Teil der ersten Stolpersteinverlegung in Kirberg aktiv mit. Neben dem ehemaligen Wohnhaus der Familie in der Langgasse 7 (heute Mainzer Landstraße 14) erzählten sie die Lebensgeschichten von acht Familienmitgliedern, für die dort Stolpersteine verlegt wurden.

Unterstützt wurden die Jugendlichen von ihrer Lehrerin Patricia Birkenfeld, die zugleich im Arbeitskreis „Spuren jüdischen Lebens in Hünfelden“ mitwirkt, sowie vom Lokalhistoriker Markus Streb. Letzterer stellte historische Dokumente und Fotos zur Verfügung und ermöglichte so einen tiefen Einblick in die Geschichte der Familie.

Die feierliche Zeremonie wurde von zahlreichen Gästen besucht, darunter Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinde, Lehrkräfte und Mitglieder der Schulleitung der Freiherr-vom-Stein-Schule sowie viele interessierte Bürgerinnen und Bürger. Besonders bewegend war die Anwesenheit mehrerer Nachfahren der Familie Löwenstein, die zum Teil eigens aus den USA und England angereist waren. Für die englischsprachigen Gäste übersetzten die Schülerinnen und Schüler ihre Beiträge ins Englische und trugen sie eindrucksvoll vor.

Die Familie Robert und Karoline Löwenstein hatte sechs Kinder. Drei von ihnen konnten vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen. Eine Tochter, Sidonie, überlebte im Versteck in Deutschland. Rosa, eine weitere Tochter, starb 1937 an einer Krankheit. Tochter Jennifer wurde 1942 im Ghetto Piaski ermordet. Besonders berührend war die virtuelle Teilnahme der 95-jährigen Doris Kalish, Tochter von Rosa Löwenstein. Ihr Sohn Scott schaltete sie per Video zu, sodass sie die Zeremonie aus den USA miterleben konnte. Doris erinnerte sich lebhaft an ihre Kindheit in Kirberg und die Besuche bei ihrer Großmutter Karoline.

Bürgermeisterin Silvia Scheu-Menzer eröffnete die Veranstaltung mit einer bewegenden Rede. Sie betonte die Bedeutung des Erinnerns und des Gedenkens und begrüßte die angereisten Familienangehörigen herzlich. Im Anschluss stellten die Schülerinnen und Schüler die Lebensläufe der acht Familienmitglieder vor. Ihre Beiträge wurden durch eigene Gedanken und Gefühle ergänzt, was die Geschichten der Opfer besonders lebendig und nachvollziehbar machte. Historiker Markus Streb zeigte dazu Fotos und berichtete von den Herausforderungen der historischen Recherche.

Zum Zeichen des Gedenkens legten die Jugendlichen zu jedem der Stolpersteine eine weiße Rose nieder. Ihnen war es ein besonderes Anliegen zu zeigen, dass der Holocaust auch vor der eigenen Haustür stattfand. Die Opfer waren Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Plänen, deren Leben gewaltsam beendet wurde. Gleichzeitig machten die Schülerinnen und Schüler deutlich, dass das Judentum seit mehr als tausend Jahren Teil der deutschen Geschichte ist und unser Land auf vielfältige Weise bereichert hat.

So brachte es Schüler Leon auf den Punkt: „Bei der heutigen Verlegung der Stolpersteine möchten wir nicht nur an das Unrecht der Shoah erinnern, das Millionen von Jüdinnen und Juden Verfolgung, Erniedrigung und Tod brachte, sondern auch das lebendige Erbe jüdischer Gemeinschaften in Deutschland würdigen.“

Die Stolpersteine machen jene Menschen wieder sichtbar, die einst Teil der Gemeinde waren - nicht nur als Opfer, sondern als Nachbarn, Mitgestalterinnen und Mitgestalter. Die Erinnerung an sie ist Mahnung und Verantwortung zugleich: für eine offene Gesellschaft, in der Ausgrenzung und Hass keinen Platz haben.

Besonders bewegend war Mias persönlicher Beitrag zum Schicksal von Jennifer: „Liebe Jennifer, immer wenn ich an deine Geschichte denke, wird mein Herz schwer. [...] Ich hoffe, dass die Erinnerung an dich und an alle Menschen, die den Nazis zum Opfer gefallen sind, lebendig bleibt und als Mahnung dient, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Deine Mia.“ Jennifer Löwensteins Enkelin Annette, die mit ihrer Familie aus England angereist war, zeigte sich tief beeindruckt von den Worten der Schülerinnen und Schüler.

Mit großer Empathie und Ernsthaftigkeit bewiesen die Jugendlichen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Geschichte für die Gegenwart ist - und wie eindrucksvoll junge Stimmen zur Erinnerungskultur beitragen können.