Horst Cohn wurde im Jahre 1931 in Berlin geboren. Als Überlebender des Holocaust emigrierte er nach Kriegsende gemeinsam mit seinen Eltern in das damalige Palästina, wo er zu Zvi Cohen wurde. Heute lebt er im Kreise seiner großen Familie im Kibbuz Ma’abarot (zwischen Haifa und Tel Aviv gelegen) in Israel.
Zeitzeugen werden dem Alter geschuldet, nach und nach zu einer Rarität. Was der Begriff „Authentizität“ bedeutet, wurde den Schülerinnen und Schülern der Dauborner Freiherr-vom-Stein-Schule vor Augen geführt und zu Gehör gebracht. Die Jahrgangs-stufe 10 und die Klasse 9 der Hauptschule hatte die Chance ein Online-Gespräch mit Zvi Cohen zu führen. Moderiert wurde diese Live-Schaltung durch Herrn Jörg Huber, einem Mitautoren der Biografie von Zvi Cohen, die den Titel „Der Junge mit der Mundharmonika“ trägt.
Zvi Cohen ist sich sicher: Die Mundharmonika rettete ihm das Leben!
Wie kam es dazu? Lange befürchtet, war es im Jahre 1943 soweit: die SS stand nachts vor der Wohnungstür der Familie Cohn und forderte Horst auf, sofort mit-zukommen. Seine Eltern leisteten in Berliner Betrieben Zwangsarbeit und waren nicht zu Hause. Ohne seine Eltern wollte er jedoch nicht gehen, also zögerte er die Zeit hinaus, indem er der SS-Mannschaft auf seiner Mundharmonika einige Lieder vorspielte, was den Soldaten durchaus gefiel.
Das Schicksal der Deportation blieb der Familie jedoch nicht erspart. Über die grausamen Lebensumstände (wenn man es denn überhaupt als „Lebens“- umstände bezeichnen darf) im Ghetto Theresienstadt berichtet der 92-jährige in klaren und tief beeindruckenden Worten. So erzählte er beispielsweise, wie es ihm durch Zufall gelang, in Besitz der sterblichen Überreste seiner Großeltern zu gelangen und die beiden Kartons mit der Asche im nahe gelegenen Fluss Eger beizusetzen. Jeder Tag war ein Kampf ums bloße Dasein, den zahlreiche jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht überlebten und durch die unmenschliche Arbeit, seelische und körperliche Qualen in Verbindung mit der all gegenwärtigen Mangelernährung verhungerten.
Zvi und seine Eltern hatten Glück. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs schickten die Nationalsozialisten völlig unerwartet einen Personenzug von Theresienstadt nach Engelberg am Vierwaldstättersee in die Schweiz; mit an Bord auch die Familie Cohn. Die wenige Monate in der Schweiz führten zu einer körperlichen Regeneration. Die fürsorglichen Schweizer betrachteten die Juden als Gäste, allerdings wurden die Schilderungen der Bedingungen im Ghetto als Übertreibung betrachtet. Es überstieg die Vorstellungskraft der Menschen bei Weitem.
Wenig später ging es für die Familie weiter nach Palästina, wo sie am 1. September 1945 ankamen und dort einbürgerten. Zvi und sein im Jahre 1946 geborener Bruder Abi leben auch heute noch, gemeinsam mit ihren Familien im Kibbuz Ma’abarot.
„Wenn ich in meiner Geschichte von Deutschland rede, dann meine ich das Deutschland in der damaligen Zeit und nicht Deutschland heute. Ihr könnt nichts dafür. Wenn es mir gelungen ist, eure Herzen und Köpfe zu erreichen und euch mit meiner Geschichte zu berühren, dann habe ich mein Ziel erreicht.
Sorgt dafür, dass so etwas niemals wieder passieren darf!“
Besser konnte Zvi Cohen seine abschließenden Sätze nicht wählen und ja, sein Ziel, die jungen Menschen zu berühren, hat er zweifelsfrei erreicht!
Text: Dietmar Langusch