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"tip" Heidenroder Nachrichten
Ausgabe 47/2025
Sozial- und Pflegedienste
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„Es geht nur gemeinsam“

Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen

06. November 2025| Brentano-Scheune, Oestrich-Winkel

Begegnungen, die verändern. Wie ein roter Faden zog sich der Leitsatz der Alzheimer Gesellschaft Rheingau-Taunus durch die Jubiläumsfeier zum zehnjährigen Bestehen des Vereins. Zahlreiche Gäste hatten sich in der Brentanoscheune in Oestrich-Winkel eingefunden, um gemeinsam mit der 1. Vorsitzenden Beate Heiler-Thomas sowie der 2. Vorsitzenden Petra Nägler-Daniel anzustoßen, Vergangenes Revue passieren zu lassen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Die beiden haben sich 2015 mit sehr viel Pioniergeist, Engagement und Motivation aufgemacht, um aus einer Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Heute hat der Verein einen festen Platz in der Versorgungslandschaft im Rheingau-Taunus-Kreis.

Das wusste auch der Kreisbeigeordnete Thomas Zarda zu würdigen, der in Vertretung von Landrat Sandro Zehner ein Grußwort sprach. Der Aufbau der Gesellschaft habe sich verändert, Pflege sei heute nicht mehr auf so viele Schultern verteilt wie früher. Umso wichtiger sei Hilfe zur Selbsthilfe. „Der Kreis versucht hier Schützenhilfe zu leisten, wo es ihm möglich ist.“

Eine Form der Schützenhilfe findet über die Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Pflege statt, für das Koordinatorin Ellen Philipp das Wort ergriff. 83 Prozent aller Pflegebedürftigen werden von Angehörigen zu Hause versorgt. Nicht zuletzt über eine lokale Demenz-Strategie im Kreis sollen auch diese Menschen besser unterstützt und gefördert werden. Das gemeinsam mit der Alzheimer Gesellschaft jüngst neu entwickelte Format „Demenz-Dialog“ zielt darauf ab, die Versorgungsqualität im Landkreis weiterzuentwickeln.

„Ihr vermittelt Wertschätzung und Haltung“, brachte Ellen Philipp das Miteinander auf den Punkt.

„Es geht nur gemeinsam“, unterstrich auch der 1. Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Swen Staack, in seinem Grußwort. Der Bedarf an Pflege und Betreuung durch An- und Zugehörige werde weiter zunehmen und damit die Bedeutung der Alzheimer Gesellschaft als Unterstützer der Familien und kompetenter Partner im lokalen Versorgungssystem. „Um dieser Aufgabe und Herausforderung gerecht zu werden, braucht es verlässliche Strukturen und eine sichere Finanzierung - auch der Selbsthilfe.“ Selbsthilfe sei kein Selbstläufer, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit will geleistet, verlässliche und qualifizierte Angebote organisiert, koordiniert und begleitet werden.

Und davon gibt es eine ganze Menge, wie im kurzweiligen Rückblick von Beate Heiler-Thomas und Petra Nägler-Daniel deutlich wurde. 290 Gesprächskreise wurden von insgesamt 1440 Angehörigen besucht. Zu 23 Netzwerktreffen wurden die unterschiedlichsten Akteure eingeladen. Zig Vorstandssitzungen fanden statt, alle Demenz-Kongresse und Delegierten-Versammlungen des Dachverbandes wurden besucht. Manches wurde erst durch Spenden möglich. Beim Demenz-Parcours entsteht beispielsweise durch Ausprobieren, wie schwer der Alltag mit eingeschränkter Hirnleistung funktioniert, ein tieferes Verständnis für Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Und das Projekt „Tapetenwechsel“ hat Angehörigen und ihren erkrankten Familienmitgliedern eine Auszeit ermöglicht. Es soll 2026 fortgesetzt und ausgebaut werden.

Ausbaufähig ist nicht zuletzt die Größe des Vereins, der aktuell 72 Mitglieder hat, 13 davon sind Kommunen - eine Besonderheit. „Mehr Unterstützer, mehr Mitglieder im Sinne einer demenzsensiblen Gesellschaft“, wünschen sich die beiden Vorsitzenden. Zu der gehöre auch, nicht über, sondern mit den Menschen zu sprechen, die eine Demenz haben.

Wie solche Dialoge aussehen und sich anfühlen können, zeigte Achim Conrad in dem preisgekrönten Theaterstück von Joop Admiraal „Du bist meine Mutter“, das zugleich eine wahre Geschichte ist. Der holländische Schauspieler Admiraal hat jeden Sonntag seine 80-jährige an Demenz erkrankte Mutter im Pflegeheim besucht und aus diesen Begegnungen ein Theaterstück mit authentischen Dialogen entwickelt, bei dem er sowohl sich selbst als auch zeitgleich seine Mutter spielte. Conrad, der im Anschluss für ein Gespräch zur Verfügung stand, bewältigte diese anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour. „Eine grandiose schauspielerische Leistung“, sprach eine Zuschauerin allen aus dem Herzen. Aber es war mehr als das. Mit sehr viel Mut wird hier thematisiert, dass nicht jede Eltern-Kind-Beziehung von Liebe und Verständnis geprägt ist. Wie gehen erwachsene Kinder mit ihren an Demenz erkrankten Eltern um? Wo sind die Abgründe, wo die Chancen? Wo Verstrickungen, wo Bewältigung möglich? Es geht um viel mehr als um Pflege. Immer ist es auch eine Begegnung mit dem anderen und seiner Geschichte - und mit sich selbst.

Ingrid Nicolai, Mitglied seit 2019