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"tip" Heidenroder Nachrichten
Ausgabe 48/2022
Mitteilungen aus dem Rathaus
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100 Jahre zentrale Wasserversorgung in Kemel

Erste zentrale kommunale Wasserversorgung für Kemel gebaut 1922-23

Der Stauweiher ist ein wesentlicher Bestandteil der in den Jahren 1922-1923 gebauten zentralen Wasserversorgung für Kemel. Das hier gestaute Wasser war nicht als Trinkwasserspeicher angelegt, sondern es diente als Triebwasser (Arbeitswasser) für die weiter unten im Aulbachtal installierte Pumpe.

In der Nähe des Pumpenhauses ist auch die Quellfassung für das Trinkwasser.

Im Pumpenhaus war eine Lambachpumpe eingebaut. Dies war eine technisch geniale Pumpe die mit Wasserkraft betrieben wurde, die einen sehr guten Wirkungsgrad hatte. Also alles ohne Strom oder einer anderen Fremdenergie.

Hier vom Grund des Stauweihers führte eine Druckleitung mit einem Durchmesser von 80mm zur Pumpe. Der Höhenunterschied betrug je nach Wasserstand fast 50m und ergab einen Wasserdruck von bis zu 5 bar. Die Pumpe musste bis zum Hochbehälter in Kemel einen Höhenunterschied von rund 130m überwinden, sie war für einen Arbeitsdruck von 15 bar ausgelegt. Es wurde mit wenig Wasserdruck in einem großen Arbeitszylinder in einem entsprechend kleineren Zylinder, der das Trinkwasser zum Hochbehälter pumpte, der notwendige Druck aufgebaut.

Jede Lambachpumpe wurde für die örtlichen Bedingungen angefertigt. Berücksichtigt man noch Druckverluste der Leitung und der Pumpe, kommt man auf ein Übersetzungsverhältnis von etwa 3,5:1. Die Wasserleitung die zum Hochbehälter führt, hatte ebenfalls einen Durchmesser von 80mm. Sie führte direkt durch den Ort und alle Häuser wurden daran angeschlossen.

Da konnte es auch schon vorkommen, besonders im Sommer, wenn im Stauweiher nicht genügend Wasser vorhanden war und dadurch weniger Wasser gefördert werden konnte, nichtmehr überall Wasser ankam. Insgesamt war die Errichtung der Wasserleitung in dieser Zeit und in dieser Form eine weitreichende Maßnahme. Bisher gab es nicht nur einige gemeindliche Brunnen, auch die meisten Höfe hatten einen Brunnen auf dem Grundstück oder im Keller, doch der Weg zum nächsten Misthaufen war auch nicht weit. Sie verbesserte nicht nur die Lebensumstände der Bewohner mit gutem Trinkwasser, sondern war auch alleine schon durch den Bau eine große Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der schwierigen Zeit nach dem ersten Weltkrieg mit Arbeitslosigkeit und Inflation. Denn der Leitungsbau wurde in Handarbeit erstellt (Stauweiher-Pumpenhaus-Hochbehälter rund 3,5km). Kemeler Männer bekamen je nach Bodenbeschaffenheit pro Tag etwa 3-5 m Länge für den Graben der Wasserleitung zugewiesen der auszuheben war und dafür gab es eine geringe Vergütung. So gab es Arbeit für viele Bürger im Ort. Und dadurch blieb auch ein Teil der Wertschöpfung im Ort. Der Hochbehälter war mit einer Brandreserve von 80cm³ ausgelegt und im Ort wurden Hydranten im Leitungsnetz integriert.

Für den Bedarf im Ort wurde pro Einwohner und Tag 50 Ltr. und für jedes Stück Großvieh 25 Ltr. zu Grunde gelegt. 1938 hatte Kemel 280 Einwohner und ca. 150 Kühe und Pferde plus diverses Kleinvieh wie Schweine, Ziegen, Schafe und Hühner. Dafür wurden täglich ca. 20m³ Wasser gebraucht.

Nachdem die Anlage in Betrieb war, wurde der Stauweiher im Sommer ein beliebter Badesee. Im Ort gab es noch keine Kanalisation (wurde erst 1951-1952 gebaut). Ebenso gab es kaum Bäder (bis auf das 1931 in der neuen Schule eingerichtete Gemeindebad und Lehrküche, die in den 50ern zur Gemeindewäscherei umgebaut wurde) Waschmaschinen oder ähnliches. Daher gab es nur wenig Abwässer die den Aulbach belasteten der den Stauweiher speiste.

Der erste Betreuer der Pumpe war Herr Phillip Thomä, ein Kemeler Kriegsinvalide (amputiertes Bein). Da er durch seine Behinderung nicht gut laufen konnte, ist er mit dem Kuhfuhrwerk in das Aulbachtal zur Wartung der Pumpe gefahren. Mit dem Wirtschaftswunder (Waschmaschinen, Bäder und Toiletten mit Wasserspülung) war das Badevergnügen am Ende. Im Winter, wenn es kaltgenug und der Stauweiher zugefroren war, wurde er auch gerne zum Schlittschuhlaufen oder Eishockeyspiel genutzt.

Von Anfang an lud der Stauweiher das ganze Jahr zu einem Spaziergang ein. Also alles in allem eine schöne Verbesserung der Infrastruktur.

Da es einerseits im Sommer nicht immer genug Wasser aus dem Aulbachtal gab und auch der Wasserverbrauch insgesamt allmählich anstieg, wurde der an der Springer Straße gelegene Brunnen mit einer elektrischen Tauchpumpe ausgestattet und das Wasser ins Netz eingespeist. Ende des zweiten Weltkrieges war die Tauchpumpe defekt und wurde zur Reparatur nach Berlin geschickt. In den Kriegswirren ging sie dabei verloren. So wurde dann bei Bedarf dort wieder von Hand gepumpt.

Zu Kriegsende wurde auch die Lambachpumpe im Aulbachtal von den Amerikanern beschädigt (sie haben das Pumpenhaus beschossen, da sie dort ein Waffenlager vermuteten). Herr Willi Haas und der Schmied Adolf Maus haben die Pumpe wieder repariert und so konnte sie noch bis in die 60er Jahre weiterarbeiten. Doch das hier geförderte Wasser reichte inzwischen bei weiten nicht mehr aus um den Ort mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen. Auch die Qualitätsansprüche an das Trinkwasser wurden höher, besonders die amerikanische Besatzung (hatte hier eine Dienststelle) hatte hohe Ansprüche an die Wasserqualität.

Es kamen viele Heimatvertriebene nach Kemel, Metzger, Bäcker und Lebensmittelgeschäfte alle brauchten Wasser. 1946 hatte Kemel 466 Einwohner. Der tägliche Bedarf stieg dann auf über 30m³. So wurde 1953 die Schürfung im Happengrund angelegt und die Wasserleitung zum Hochbehälter wieder in bewährter Weise in Handarbeit hergestellt.

1955 wurde ein Tiefbrunnen an der Springer Straße gebohrt, damit war wieder die Wasserversorgung gesichert.

1962 war Beginn des Baus der Taunuskaserne und des Militärstützpunktes und damit wieder eine deutliche Bevölkerungszunahme. Danach reichte das vorhandene Wasser wieder nicht und es wurde ein weiterer Brunnen in der Winterbach gebohrt, sowie einige Versuchsbohrungen, die aber nicht erfolgreich waren. Es waren einige Jahre mit großer Wasserknappheit im Sommer. Es wurde mit Hilfe der Feuerwehr und einem Tanklastwagen des Roten Kreuzes in den Abendstunden durch Freiwillige im Pendelverkehr Wasser aus Laufenselden nach Kemel in den Hochbehälter gefahren. Erst mit dem Anschluss an den Wasserbeschaffungsverband gab es eine sichere Wasserversorgung für Kemel.

Text: Hilmar Haas und Manfred Bender