Angedacht
Liebe Leserin, lieber Leser,
nun ist es da, das Jahr 2025. Ich hoffe, es hat für Sie gut angefangen.
Für viele Christen steht das Jahr unter einer Jahreslosung, einem Bibelvers, der durch das Jahr begleitet, der Orientierung gibt und erdet. Die diesjährige Jahreslosung: Prüfet alles und das Gute behaltet! 1. Thessalonicher 5,21 aus der Korrespondenz des Paulus mit der Gemeinde in Thessaloniki.
Wir leben in einer Zeit der schier endlosen Informationsflut. Nicht nur zahllose Fernsehsender und sonstige Kanäle, auch Soziale Medien versorgen uns rund um die Uhr mit Nachrichten unterschiedlichsten Inhaltes – mitunter widersprechen sich die Inhalte sogar und verwirren. „Man weiß ja nicht mehr, was man glauben soll“. Da passt die Empfehlung der Jahreslosung: „Prüfet!“ Manchmal möchte man den virtuellen Müllsack aufmachen und alles ungesehen reinstopfen. Doch damit würde man wahrscheinlich viel Gutes mit entsorgen – „Und das Gute behaltet“ geht die Losung weiter.
Ja, was ist denn „das Gute“? Je älter ich werde, umso komplexer erscheinen mir die Sachverhalte. Was für den einen gut ist, ist für den anderen schädlich. Was bei der einen Freude und Dankbarkeit bewirkt, kann die andere traumatisieren. Es stellt sich die nächste Frage: Wie soll ich prüfen? Nach welchen Kriterien? Christen ist das Doppelgebot der Liebe an die Hand gegeben, aber das ist noch nicht wirklich konkret. Manchmal brauchen wir etwas „Handfestes“. Zum Beispiel drei Siebe des Sokrates ein. Der antike Philosoph, der pragmatisch und lebensnah, manchmal etwas skeptisch, daherkommt: Ein Bekannter des Philosophen kommt angerannt und will Sokrates ein Gerücht über dessen Freund weitergeben. Da fragt ihn Sokrates: „Halt, hast du das Gehörte auch durch die drei Siebe gesiebt?“ „Drei Siebe?“, fragte der Mann verwundert. „Ja“, sagte Sokrates, „Lass uns sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste Sieb ist die Wahrheit: Bist du dir wirklich sicher, dass das, was du mir erzählen willst, wahr ist?“ „Nein“, sagte der Mann, „ich habe es auch nur gehört und wollte es dir einfach weitergeben.“ „Du weißt also nicht, ob es wirklich wahr ist. Lass uns sehen, ob es immerhin durch das zweite Sieb hindurchgeht, das der Güte. Ist das, was du mir über meinen Freund sagen willst, etwas Gutes?“ „Nein, im Gegenteil“, sagte zögernd der Mann, „es ist etwas ganz Schlechtes.“ „Also gut“, fuhr Sokrates fort, „du willst mir also etwas Schlechtes erzählen und du bist dir nicht mal sicher, ob es überhaupt wahr ist. Du kannst den Test trotzdem noch bestehen, denn es gibt noch ein drittes Sieb, das des Nutzens: Ist das, was du mir über meinen Freund erzählen willst, für mich nützlich?“ „Nein, nicht wirklich“, gab der Mann kleinlaut zu. „Also“, sagte lächelnd der Weise, „wenn es weder wahr, noch gut, noch nützlich ist, so lass es ruhig begraben sein und belaste dich und mich nicht damit.“
Ich denke, mit diesen drei Sieben gelingt das Prüfen ganz gut. Wenn etwas „Unerhörtes“ an unser Ohr oder vor unsere Augen dringt, ist es heutzutage ein Leichtes, zu überprüfen, ob das stimmt. Das Sieb der Wahrheit wird sich am leichtesten durchsetzen. Beim Sieb des Guten werde ich vermutlich die meisten Kompromisse machen müssen– nicht alles, was wahr ist, ist auch gut. Deswegen finde ich das dritte Sieb sinnvoll: das Sieb des Nutzens. Hilft das Erfahrene, die Lebenssituation zu verbessern? Etwas abzuwenden?
Das menschliche Leben ist sehr komplex, das haben die Menschen zu allen Zeiten erfahren müssen. Diese Vielfalt der Aspekte ermüdet… mir hilft es, mal eine kleine Pause zu nehmen, um dann mit neuen Kräften wieder leichter zu handeln: Prüfet alles, und das Gute behaltet. Das viele Gute, das wir dabei entdecken, tut uns gut, erfreut und stärkt uns, mit dem Anderen umzugehen.
Ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes 2025, viel Gutes und Nützliches!
Agnes Schmidt-Köber, Pfarrerin im Nachbarschaftsraum Mittlerer Untertaunus (MUT), Kirchengemeinden Kettenbach und Rückershausen