„Das sind NICHT meine Nächsten!“ So stand es provokant vor einigen Tagen auf Facebook als Kommentar. Doch was war passiert? Die EKHN hatte zum Beginn des Fastenmonats Ramadan den muslimischen Mitbürger:innen eine gesegnete Zeit gewünscht. Wie zu erwarten waren die negativen Kommentare schnell da. Und die Social Media Abteilung der Landeskirche verwies auf das Jesus Zitat: „Du sollst deinen Nächsten Lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,39) worauf prompt dieser Kommentar gesetzt wurde.
Mir wurde mal wieder vor Augen geführt, wie schwer das mit dem Verständnis der Nächstenliebe für uns Menschen doch ist. Denn ja, die die mir am Nächsten stehen, die sind leicht zu lieben. Die, die die gleiche Weltanschauung; die gleichen Vorlieben oder den gleichen Glauben haben, die sind leicht zu lieben. Aber das ergreift in meiner Auffassung nicht, was Christus meint. Christus meint Nächstenliebe in Verbindung mit Gottesliebe. Er hebt damit die Grenze zwischen dem Nächsten im Sinne von Nahestehenden auf und sieht auch den Fremden als meinen Nächsten, weil auch dieser von Gott geliebt wird. Er versteht die Nächstenliebe unabhängig von Nationalität, Religion oder Herkunft. Das macht die Nächstenliebe zu einer faszinierenden und spannenden Herausforderung. Der Fremde ist mein Nächster, den ich nur noch nicht kennengelernt habe. Nächstenliebe fordert mich dann auf den Fremden zuzugehen und ihn mit ernsthaftem Interesse kennenlernen zu wollen. Zu erkennen, dass dieser genauso geliebt werden will, wie ich auch geliebt werden will. Erkennen, dass er auch so friedlich leben will, wie ich. Denn wenn ich ihn kennenlerne, dann kann ich ihn auch verstehen.
Das muss selbstverständlich nicht heißen, dass ich mit ihm einer Meinung sein muss oder die gleichen Gedanken haben muss am Ende. Aber man kann ja auch im Dialog bleiben mit dem gegenseitigen Verständnis: „lets agree to disagree!“ Denn auch wenn man sich nicht vielleicht in allen Punkten einig ist, ist Kommunikation ein Weg zum miteinander, anstatt pauschal abzulehnen.
Ich denke, dass wir gut auf dem Weg Jesu schon wären, wenn wir versuchen, würden jeden Tag die Nächstenliebe in der jesuanischen Radikalität zu leben. Jeden Tag meinen Nächsten - egal wie fremd er mir auch ist - zu Lieben wie mich selbst. Das würde dann vielleicht zu einem Lebenslangen Fasten, das sehr gottgefällig ist. Denn dann würden wir die Vorurteile beginnen zu fasten und beginnen Verständnis zu konsumieren. Alles was es dazu braucht ist etwas Mut aus der eigenen Gewohnheit auszubrechen.