Schulentwicklung und ehemalige Schulhäuser von Ketternschwalbach
Das Haus der ehemaligen, neben der Kirche gelegenen Schule von Ketternschwalbach, das heute in Privatbesitz ist, wurde im Jahre 1824 erbaut, ist also jetzt 200 Jahre alt. Mit ihm begann aber nicht schulisches Lernen für die Ketternschwalbacher Kinder. Das startete schon mehr als 200 Jahre früher und zwar in Bechtheim!
In Folge der Reformation Luthers, die auch in den Nassauer Landen Fuß gefasst hatte, wollten die Herrscher ihren Landeskindern das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen. Die einzigen, die das in den Dörfern konnten, waren die Pfarrer. Also entstand bei uns im Jahre 1612 in Bechtheim eine Kirchspielschule für Bechtheim, Beuerbach und Ketternschwalbach. Die Pfarrer suchten sich meist Helfer für diesen neuen Auftrag (Schuldiener). Die Schule stand damit unter der Aufsicht der Kirche, was erst 1918, nach dem 1. Weltkrieg, abgeschafft wurde.
Unterbrochen wurde die Schule in Bechtheim nur von 1635 bis 1656 als Folge des 30-jährigen Krieges. In dieser Zeit gingen alle Kinder (kriegsbedingt wenige!) aus den drei Orten nach Wallrabenstein in die Schule, wenn überhaupt Schule stattfand.
Seit 1673, so geht aus den Ketternschwalbacher Kirchenrechnungen hervor, zahlte die Gemeinde jährlich für den gemeinsamen Schuldiener in Bechtheim ein Anteil zu dessen Besoldung. Das führte wohl im Jahre 1688 (lt. Schulchronik Bechtheim) zu der Entscheidung, einen eigenen Schuldiener nur für Ketternschwalbach anzustellen. Namentlich bekannt als erster Schul- und Kirchendiener an diesem Ort ist Martin Börner aus Nordhausen im Hessenland, gebürtig von Altenburg im Kurfürstentum Sachsen. Seit dieser Zeit hatte der Ort sicherlich auch ein eigenes, oben genanntes Schulhaus. Die Gemeinde konnte sich das leisten, weil sie reicher war als Bechtheim und Beuerbach, das erst 1715 eine eigene Schule eröffnete.
Über Schulgebäude gibt es aus dieser Zeit keine Informationen. Vielleicht wurden die Kinder zunächst in Privaträumen unterrichtet, wie in Görsroth nachgewiesen. Wann das Vorgängerhaus des eingangs genannten Schulhauses in Betreib ging, ist nicht bekannt. Es war nicht sehr groß, 30 mal 20 Schuh sagen die Akten, das sind etwa 10 mal 7m. Das zweistöckige Fachwerkhaus mit Lehrerwohnung stand in der Nachbarschaft des 1824 gebauten Hauses, hatte noch ein Strohdach und wurde 1825 an den Müller Philipp Friedrich Ganß verkauft, dessen Mahlmühle (unterhalb von Ketternschwalbach gelegen) zuvor abgebrannt war. 1843 wurde das Gebäude von dem Sohn des Müllers Ganß durch die Gemeinde zurückgekauft und anschließend, wohl wegen Baufälligkeit abgerissen. Fakt ist, dass in diesem Haus in der heutigen Austraße noch drei angekohlte Balken mit Zeichen des Zimmermannes des alten Hauses zu sehen und schriftlich nachweisbar sind.)
Die Bausubtanz dieses alten Schulhauses dürfte nicht besonders gut gewesen sein, da man unter dem damaligen Schultheiß Rittgen und seitens der Einwohnerschaft von Ketternschwalbach einen Neubau für dringend erforderlich hielt.
Das neue Schulhaus (damals Langgasse Nr. 23) mit Lehrerwohnung, wieder ein Fachwerkbau, hatte, wie die alte Schule, auch Stall und Scheune, weil die Lehrer zugleich Landwirte waren, um sich wenigstens zum Teil selbst versorgen zu können. Die Bauhandwerker kamen alle aus dem Umland, z. B. der Zimmerman Schmidt aus Limbach. Die Qualität dieses Baus war wohl besser, denn er dient heute noch als Wohnhaus. Sein Ende als Schule kam im Jahre 1965.
Die ehemalige Dorfschule in Ketternschwalbach, Winter 2010, Bild Edwin Diels
Nach Auflösung der örtlichen Volksschule und dem Wirken von über 20 namentlich bekannten Schuldienern und Lehrkräften in Ketternschwalbach besuchen die Kinder des Ortes seit dem 2. November 1965 die Mittelpunktschule (später Gesamtschule) in Wallrabenstein.
Die Ketternschwalbacher Schule, heute bezeichnet in der Austraße Nr. 2, wurde im Jahre 1966 an die Familie Heinrich Rothfuchs verkauft und von dieser im Jahre 2012 an die Familie Sebastian Sauer weiterverkauft.
Soweit die Informationen, die ich aus Materialien von Rudolf Wuschek und aus den Chroniken von Bechtheim und Beuerbach übernommen habe.
Interessant erscheinen mir zwei Dinge, die ich noch anmerken möchte:
Im Jahre 1688 hatte die Gemeinde Ketternschwalbach einen Schul- und Kirchendiener mit dem Namen Martin Börner. In dem damaligen Schulhaus, heute in der Austraße leben heute der Enkel Reiner Baßler mit seiner Frau von Otto Börner. Dieser war nach dem Kriege der sogenannte Gemeinderechner von Ketternschwalbach. Ob der Stammbaum Börner auf das Jahr 1688 zurück geht, ist nicht belegbar.
Interessant ist auch, dass die Bewohner dieses Hauses in der Austraße bis heute als „Ganßers“ bezeichnet werden. Das geht zurück auf den Müller Philipp Friedrich Ganß zurück, der im Jahre 1825 das Haus gekauft hat, weil seine Mühle im Tal nach Panrod abgebrannt war.
Als ehemaliger Schüler dieser Schule in der Kriegs- und Nachkriegszeit erscheint mir noch bemerkenswert:
Anfang der 1960er Jahre hat die Gemeinde Ketternschwalbach ein Lehrerwohnhaus in der Waldstraße gebaut. Dort wohnten anfangs noch die Lehrer Engler und Derscheid. Das Haus war bis 2020 vermietet und wurde dann von der Gemeinde Hünstetten an privat verkauft.
Von 1944 bis 1953 besuchte ich die einklassige Volksschule in Ketternschwalbach. Eingeschult wurde ich von dem Lehrer Viehmann sen. Später kam auch der Lehrer Viehmann jun. Im Jahre 1946 kam dann Lehrer Erich Heil, nachdem er „entnazifiziert“ worden war. Herr Heil war auch schon in den Kriegsjahren hier Lehrer, Er musste damals, weil er ein öffentliches Amt betreute, in die NSDAP eintreten. Lehrer Heil war bis 1951 mein Lehrer, der dann leider verstarb. In der einklassigen Schule wurden damals mehr als 50 Schüler von einem Lehrer betreut. In der heutigen Zeit unvorstellbar. Diese waren in eine Ober-, eine Mittel- und Unterstufe eingeteilt. Neben dem großen Schulraum gab es noch einen kleinen Nebenraum mit zwei Flügeltüren getrennt. Als Schüler der Oberstufe durfte ich damals im Nebenraum die Schüler der Unterklasse unterrichten. Ich habe ihnen das Rechnen und die Rechtschreibung beigebracht. Zum Schluss des Unterrichts mussten alle aufstehen und wir mussten Kopfrechnen. Wer als erster die Lösung wusste, durfte dann nach Hause gehen. Andere mussten noch länger üben.
Bis zum Jahre 1965 waren in Ketternschwalbach noch folgende Lehrkräfte tätig: Lehrerin Irmgard Weber, die Lehrer Otto Engler, Derscheid und Wilfried Schäfer.
Edwin Diels
P. S.: Die meisten Informationen aus dem Beitrag stammen aus der Materialsammlung von Rudolf Wuschek