Liebe Leserinnen und Leser,
in einer Zeit, in der Individualität oft großgeschrieben wird, lohnt sich ein Blick auf einen Mann, der vor fast 1.500 Jahren eine ganz andere Vision vom Zusammenleben hatte: Benedikt von Nursia. Am 11. Juli gedenken die katholische und die evangelische Kirche seiner.
Als Begründer des abendländischen Mönchtums formulierte er eine Lebensregel, die bis heute nicht nur in Klöstern, sondern auch darüber hinaus Orientierung geben kann und gibt - die Regula Benedicti, die Benediktsregel. Buchtitel wie „Kraftquelle Tradition. Benediktinische Lebenskunst für heute“ oder „Menschen führen - Leben wecken“ erzählen davon.
„Alle sollen wie Brüder miteinander leben.“ In diesem einfachen, aber kraftvollen Satz lassen sich viele Regelungen Benedikts zusammenfassen. Ihm ging es um eine Gemeinschaft, um ein Miteinander, das von Respekt, Geduld und gegenseitiger Verantwortung geprägt ist. Die Gemeinschaft ist für ihn kein Zufallsprodukt, sondern ein geistlicher Weg - ein Übungsfeld der Liebe, zuletzt auch ein Weg zu Gott.
In unseren Dörfern erleben wir oft noch, was Gemeinschaft bedeuten kann: Man kennt einander, hilft sich gegenseitig, feiert zusammen - und manchmal reibt man sich auch aneinander.
Benedikt wusste um diese Herausforderungen. Er setzte deshalb auf eine klare Struktur, auf gemeinsame Rituale, vor allem aber auf das Prinzip des Hörens. „Höre, mein Sohn, auf die Lehren des Meisters, neige das Ohr deines Herzens“, heißt es am Anfang der Regula. Nur wer bereit ist zuzuhören - Gott, den anderen und sich selbst -, kann echte Gemeinschaft erleben.
Ein weiterer Schlüsselbegriff bei Benedikt ist die „di cretio“, das „rechte Maß“. Sie lehrt uns, weder zu unterfordern, noch zu überfordern, Rücksicht zu nehmen auf die Schwächeren, Geduld zu haben mit den Eigenheiten der anderen - und uns selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Auch das ist eine Form von Nächstenliebe.
Vielleicht können wir uns in unseren Dörfern wieder neu von dieser Haltung inspirieren lassen: Achtsam sein aufeinander, gemeinsam beten und schweigen, gemeinsam arbeiten und feiern - und darin Gott Raum geben. So kann ein Stück „Kloster“ auch im Alltag wachsen - nicht hinter Mauern, sondern mitten unter uns. Ich glaube, davon würden wir alle profitieren.
Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen für die nächste Woche