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Hünstetter Nachrichten - Mitteilungsblatt für die Gemeinde Hünstetten
Ausgabe 30/2025
Kirchliche Nachrichten
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Evangelisch entlang der Hühnerstraße - An(ge)dacht

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden. (Martin Luther King, 28.08.1963 in Washington D. C.)

So träumte Reverend Martin Luther King und erhob seine Stimme gegen Rassismus und Gewalt. Er drückte seinen Traum davon aus, dass eines Tages Frieden herrscht, weil Menschen sich nicht in Rassen und Nationen unterscheiden, sondern erkennen, dass sie von Gott geschaffene Menschen sind. Er träumte davon, dass die Welt in einen Frieden gerät, der eine goldene Zukunft für die Menschen bereithält. Ein schöner Traum. Ein Traum, der gefühlt so alt ist wie die Menschheit. Ein Traum, der aktueller ist, als es uns lieb sein sollte. In einer Zeit, in der die Pflugscharen wieder zu Schwertern geschmiedet werden, ist es aus meiner Sicht wichtig, sich an die Vision des Propheten Micha zu erinnern. Er schildert seine Vision so:

1 - Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht felsenfest. Er ist der höchste Berg und überragt alle Hügel. Dann werden die Völker zu ihm strömen. 2 Viele Völker machen sich auf den Weg und sagen: „Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus, in dem der Gott Jakobs wohnt! Er soll uns seine Wege weisen. Dann können wir seinen Pfaden folgen.“ Denn vom Berg Zion kommt Weisung. Das Wort des Herrn geht von Jerusalem aus. 3 Er schlichtet Streit zwischen vielen Völkern. Er sorgt für das Recht unter mächtigen Staaten, bis hin in die fernsten Länder. Dann werden sie Pflugscharen schmieden aus den Klingen ihrer Schwerter. Und sie werden Winzermesser herstellen aus den Eisenspitzen ihrer Lanzen. Dann wird es kein einziges Volk mehr geben, das sein Schwert gegen ein anderes richtet. Niemand wird mehr für den Krieg ausgebildet. 4 Jeder wird unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum. Niemand wird ihren Frieden stören. Denn der Herr Zebaot hat es so bestimmt. 5 Noch rufen viele Völker, jedes zu seinem eigenen Gott. Wir aber leben schon heute im Namen des Herrn, unseres Gottes, für immer und alle Zeit. (Mi 4,1-5)

Wenn ich dem Klang der Vision Michas folge, dann spüre ich in mir eine tiefe Resonanz. Ich höre in mir den Takt von tänzelnden Füßen, die über das Parkett klacken. Ich höre den Klang von Lachen in allen 6000 Sprachen der Welt. Ich höre das freudige Bumpern von Herzen, die ohne Angst schlagen. Ja, es ist ein sehnender Klang in mir drinnen, wenn ich den Worten Michas und Martin Luther Kings folge. Es ist der sehnende Klang fröhlich hüpfender Akkorde, welche die Unbeschwertheit von Kindertagen hat.

Wie mollig ist dagegen der Klang des Hier und Jetzt. Es ist der rasselnde Klang von Säbeln und schweren Stiefeln. Es ist der Klang von dröhnenden Stiefeln und zackigen Befehlen. Es ist der schmerzerfüllte Klang von Männern und Frauen, die in Schützengräben liegen und Angst um ihr Leben haben. Es ist der Klang der nüchternen Erkenntnis, dass es im Krieg keine Sieger, sondern nur den Klang von Verlierern gibt.

Wie schön wäre es dann doch, wenn der einzige Klang des Gleichschritts wäre, wenn die Nationen und Völker nicht auf die Schlachtfelder der ganzen Welt ziehen, sondern gemeinsam zum Zion, so wie Micha es prophezeit. Wenn die Nationen den gemeinsamen Traum hätten, dass Kinder egal welchen Glaubens und welcher Nation miteinander spielen. Wenn die Mächtigen nicht mehr nach eigenem Ruhm versteckt unter nationalistischem Gedankengut suchen würden, sondern der Menschheit Bestes. Wie schön wäre es, wenn man bei Krauss-Maffei, Heckler & Koch, Rheinmetall und wie die ganzen Rüstungshersteller noch heißen, nicht Kanonenrohre, Panzerketten und Gewehrläufe gießen würde, sondern Zubehör für Fendt, Claas und John Deer Landwirtschaftsfahrzeuge. Wie schön wäre es, wenn lautes Kinderlachen auf der ganzen Welt durch die Straßen zu hören ist und nicht das Heulen der Sirenen.

Wie schön wäre es, wenn beim Klang der Nachrichten man nicht mehr gebannt lauscht, um zu hören, welche neuen Konflikte sich aufgetan haben, sondern welche neuen Entdeckungen die Menschheit gemeinsam zum Wohle aller geschafft hat und dass wir gemeinsam unser Wissen und unsere Entdeckungen erweitern.

Ihr merkt, auch ich habe einen Traum. Ich habe den Traum Martin Luther Kings im Herzen. Ich habe die Vision Michas vor meinem inneren Auge. Ich hoffe und bete und lade auch euch ein, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen und beten, dass wir gemeinsam unter dem Weinstock und Feigenbaum sitzen können, ohne dass wir irgendjemanden ausgrenzen, weil wir uns immer wieder bewusst machen, dass Gott alle Menschen zu seinem Ebenbilde geschaffen hat. Ich habe den Traum, dass wir gemeinsam auf die Kriege, die Opfer und die Gewalttaten der Vergangenheit zurückschauen und sagen: Das darf nie wieder passieren. Nie wieder Krieg. Nie wieder Rassismus. Nie wieder Nationalismus. Ich habe einen Traum, wo der Klang verschiedener Sprachen bei uns kein Unbehagen auslöst, sondern die Freude darüber, wie wunderbar vielfältig Gott seine Welt geschaffen hat.

Ich habe einen Traum, wo die Musik der Freude, Liebe und Gemeinschaft in allen Sprachen der Welt zu hören ist. Wo das freudige Bumpern von Herzen zu hören ist, welches keine Angst kennt.

Amen!

Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen

für die nächste Woche

Tim Fink, Pfarrer
im Nachbarschaftsraum Mittlerer Untertaunus