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Hünstetter Nachrichten - Mitteilungsblatt für die Gemeinde Hünstetten
Ausgabe 36/2025
Kirchliche Nachrichten
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Wochenandacht

AN(GE)DACHT

Es gibt Zeiten im Leben, da scheint so gar nichts zu klappen: Die überfällige Rückzahlung geht nicht auf dem Konto ein, aber eine unerwartete Rechnung muss beglichen werden. Partner/in hat Stress, und Missverständnisse sorgen für schlechte Stimmung. Die betagte Mutter fühlt sich vernachlässigt. Egal was man anpackt – es gelingt nicht, im Gegenteil. Statt dass der Junior endlich sein Leben in die Hand nimmt, schrottet er das Familienauto und ist sich noch nicht mal einer Verantwortung bewusst. Und der Chef überträgt einem noch „großzügig“ die Projekte, die die Kollegin in den Sand gesetzt hat… jede/r von uns kennt solche Situationen. Man fühlt, wie einem die Kraft ausgeht, wie man unter den Lasten zusammenzubrechen droht. Es fällt schwer, irgendetwas Erbauliches wahrzunehmen, man wappnet sich innerlich, dass noch ein Schippchen obenauf kommt. Man fühlt sich geknickt.

Am Sonntag beginnt eine neue Woche, die unter einem Spruch aus dem Jesajabuch steht: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. (Jes 42, 3)

Diese zwei starken Bilder haben viel Kraft: Wenn etwas zu Ende ist, wird der Stab gebrochen. Eine Kerze, deren Docht nur noch glimmt und raucht, wird eigentlich gelöscht.

Der Prophet Jesaja berichtet, wie der kommende Gottesknecht - für Christen ist es Jesus Christus - wie er die Sache behandelt: Was geknickt ist, wird nicht zerbrochen. Und was nur noch glimmt, wird nicht gelöscht. Er handelt anders, als es unter Menschen üblich ist.

Eine ermutigende Zusage! Wenn es auch noch so schlimm kommen mag, es ist nicht das Ende. Im Gegenteil. Zwei Szenarien: 1. Oft ist so ein geknickter Zustand der Wendepunkt und die Dinge kehren sich zum Guten: Hat man sich bisher gescheut, unangenehme Gespräche zu führen, aus Sorge, dass das Gegenüber ungehalten reagieren könnte, so wird man feststellen, dass klärende Gespräche entlastend wirken und sich das Verhältnis deutlich verbessert. Oder es beendet unhaltbare Zustände, und sorgt dadurch für Entlastung.

2. - Geduld und Zeit sind zwei heilsame Faktoren: lässt man einem angeknickten Pflänzchen Zeit, gießt es behutsam und versorgt es mit Nährstoffen, richtet es sich wieder auf, blüht und trägt Früchte. Aber in unserer hektischen Welt ist Geduld keine anstrebenswerte Tugend mehr. Da muss es schnell und wirtschaftlich zugehen. Zeit ist Geld. Gleichzeitig ist allenthalben zu lesen: psychische Krankheiten nehmen immer mehr zu. Schon ganz junge Menschen, die in der Blüte ihres Lebens stehen, drohen zu zerbrechen und werden aussortiert. Eine Entwicklung, die mir große Sorge bereitet.

Immer wieder ergeben sich Gespräche, in denen wir über das Leben nachdenken, wie es für Menschen mit Belastungen erleichtert werden kann. Denn das Leben ist ein Geschenk. Es ist mehr als eine wirtschaftliche Angelegenheit. Das Leben ist ein Prozess, eine Entwicklung mit einer eigenen Dynamik. Das Leben gelingt, wenn man sich selbst und die anderen annimmt. Wenn man Stärken und Schwächen kennt, ehrlich damit umgeht. Doch zwischen dem Wunsch und der Realität liegt eine tiefe Kluft, in der die besten Vorsätze und Pläne ins Rutschen und zum Erliegen kommen. Wo es eben Gott ist, der uns durch die Täler hindurch hilft, der uns als geknickte Rohre nicht zerbricht und unsere glimmenden Dochte nicht auslöscht, im Gegenteil, der neue Lichter angehen lässt und wir die Finsternis überstehen.

Ich wünsche Ihnen eine gute neue Woche, reich an Zuversicht und Segen!

Pfarrerin Agnes Schmidt-Köber,
Nachbarschaftsraum Mittlerer Untertaunus - MUT