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Hünstetter Nachrichten - Mitteilungsblatt für die Gemeinde Hünstetten
Ausgabe 46/2025
Kirchliche Nachrichten
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An(ge)dacht

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Reliunterricht sind wir bei „Gottesbildern“. Jede/r Schüler/in konnte sich einbringen, selbst die süßen „Plappermäulchen“ und „Lausbuben“ hatten kluge Beiträge. Ich habe nicht schlecht gestaunt und mich noch mehr gefreut und ich bin sehr gespannt, was da noch alles kommt. Allenthalben höre ich, dass „die Leute“ immer weniger Interesse an religiösen Themen haben und immer weniger über Kenntnisse verfügen.

Das Thema Gottesbilder spielt bei allen religiösen Fragen und Anliegen eine erhebliche Rolle: wie stelle ich mir Gott vor. Denn, obwohl wir das Gebot haben, uns kein Bildnis von Gott zu machen, können wir nicht anders. Unsere Erfahrungen, unsere Prägung führen dazu, dass wir eine Vorstellung von Gott haben.

„Gott ist die Liebe, Gott ist der Schöpfer, Gott schafft den Menschen zu seinem Ebenbild …. Bis hin zu „Gott gibt es nicht“ ist alles vorhanden, in den verschiedensten Abstufungen. Beim Thema Gottesbilder kommen die interessantesten Gespräche zustande, und es gibt auch das Gegenteil, dass Menschen sich bis aufs Blut streiten, wessen Gottesbild das richtige ist. Erinnern wir uns: Im Mittelalter war ein Gottesbild verbreitet, dass Angst und Schrecken auslöste. Martin Luthers Erkenntnisse führten dazu, dass sich ein freundlicheres Gottesbild Platz verschaffte und eine neue Zeit einläutete. Heute schlägt das Pendel in die Gegenrichtung aus: der „lieben Gott“, es klingt so, als ob er wie ein harmloser Hund wäre, der nichts tut.

Im Spätherbst rückt das Ende des Lebens in den Blick. Was geschieht danach? Der Wochenspruch für die vorletzte Woche des Kirchenjahres hat eine Antwort: Denn wir alle müssen offenbar werden, einmal vor dem Richterstuhl von Christus erscheinen 2. Korintherbrief 5,10a. Das Bild des richtenden Gottes. Da rückten in früheren Zeiten gruselige Bilder von Höllenfeuer und gequälten Seelen in den Blick. Darüber lächelt man heute milde. Wir haben ja den lieben Gott, uns macht das Bild des Richters nichts. An und für sich ist dieses Denken nicht ganz verkehrt. Doch es greift viel zu kurz und verleitet zu gefährlichen Schlussfolgerungen.

Ich glaube zwar auch, dass Gott zugewandt ist: er erschafft, rettet und erneuert. Doch neben dieser zugewandten Seite gibt es eine abgewandte Seite Gottes, die heilig und deshalb fremd ist. Auch diese zeigt sich regelmäßig. Wenn etwas Schlimmes passiert, sitzt der liebe Gott schnell auf der Anklagebank. Oder wenn im Leben etwas nicht nach Plan läuft. Wenn Ereignisse im Weltgeschehen nicht zu den Erwartungen an den lieben Gott passen. Es kommt öfter vor, dass betroffene Menschen die Existenz Gottes nicht nur in Frage stellen, sondern komplett leugnen.

Eine Beobachtung: mit zunehmendem Alter sind Menschen eher bereit und in der Lage, die Widersprüche auszuhalten, die ein komplexes Gottesbild mit sich bringt. Gott schenkt uns das Leben, erhält es, aber er beendet es auch. Und dann?

Das Bild von Christus als Richter hatte mich als junger Mensch bedrückt. Als erwachsene Theologin und krisenerfahrene Pfarrerin sehe ich im Bild des Richters Jesus Christus eine große Entlastung: Gott sieht den Menschen an. Er nimmt wahr, wo die Grenzen des Geschöpfes sind, was misslungen ist und warum. Er nimmt ihm die Lasten des Lebens ab und befreit es, so zu werden, wie der Schöpfer es geplant hatte, bevor das Geschenk der Freiheit dazu kam. Gott macht den Menschen zurecht. Das ist ein Aspekt seiner Gerechtigkeit und für mich auch ein Zeichen göttlicher Zuneigung und Barmherzigkeit. Gott wirkt mächtig, abseits des Rampenlichts. Im Leben und im Tod.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit!

Ihre Pfarrerin Agnes Schmidt-Köber, Nachbarschaftsraum Mittlerer UnterTaunus MUT