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Wittinger Stadtbote
Ausgabe 12/2025
Aus der Stadtbücherei Wittingen
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Aus der Stadtbücherei Wittingen

Das neue Buch von der Autorin des Bestsellers „Elbleuchten“:

Miriam Georg: „Die Verlorene“

Laura verlässt gerade die Praxis ihrer Frauenärztin, sie hat erfahren, dass sie endlich schwanger ist, da klingelt ihr Handy, ihre Mutter ist dran: Lauras Oma Änne ist von der Leiter gefallen und liegt nicht ansprechbar im Krankenhaus. Als Laura aus der Wohnung ihrer Oma Kleidung etc. holt und die Leiter wegstellen will, stößt sie auf eine offene Kiste, die ihre Großmutter offensichtlich gerade aus dem Schrank holen wollte. Natürlich wirft Laura einen Blick hinein, stößt dabei auf ein Bild- und diese Entdeckung wird Folgen haben, denn Lauras Großmutter Änne ist nicht nur 1x drauf, sondern gleich 2x. Wie kann das sein? Es bleibt nur ein Schluss: Änne war Teil eines Zwillingpaars, auch wenn sie darüber nie etwas erzählt hat. Insgesamt war Änne sehr verschlossen, wenn es um ihre Kindheit und Jugend in Schlesien ging, nicht ungewöhnlich für diese Generation.

Änne wacht nicht mehr auf, viele Fragen bleiben unbeantwortet. Gerade angesichts ihrer Schwangerschaft möchte Laura mehr über ihre Herkunft und die ihrer Familie wissen und macht sich kurzentschlossen auf die Reise nach Polen, hierher stammt die Familie.

Ganz einfach ist es nicht, den früheren Hof, ein kleines, etwas abgelegenes Gestüt, zu finden, aber Laura gelingt es, und damit tauchen wir ein in die Zeit 1943-1945.

Wir lernen die Zwillingsschwestern Luise und Änne kennen, die mit ihren Eltern und vielen Angestellten, auch Kriegsgefangenen aus Polen, auf dem Pappelhof leben. Zu essen gibt es jederzeit und ausreichend, trotzdem greift der Krieg auch hier in den Alltag ein, insbesondere in den von Änne und Luise. Brisant wird die Situation, als Karl auf den Hof kommt, eigentlich ein russischer Kriegsgefangener. Aber warum spricht er deutsch und will das unbedingt verheimlichen? Jetzt wechselt die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit, spätestens zu diesem Zeitpunkt konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

512 Seiten, die ich an einem Wochenende verschlungen habe, spannend und überraschend bis zum Schluss. 512 Seiten, die mir nochmal ganz deutlich vor Augen geführt haben, mit welchen existentiellen Fragen und Konflikten die Menschen damals konfrontiert waren: Gehen oder bleiben? Lieben oder hassen? Wahrheit oder Lüge? Eines ist sicher: Moralisch eindeutige Antworten hat es auf diese Fragen nicht immer gegeben.