Frieda Pfeiffer, geb. Willführ und Hermann Willführ
Haus Wollspinnerei Willführ
(Teil 2)
Dieser Teil des Berichtes über die Wollspinnerei Willführ erzählt von den Widrigkeiten, mit denen die Familie nach 1945 zu kämpfen hatte.
Hermann Willführs Schwester Frieda Pfeiffer, geb. Willführ verlor im 2. Weltkrieg sowohl einen Sohn als auch ihren Mann. Sie zog deshalb zurück in ihr Elternhaus nach Tangermünde und führte gemeinsam mit ihrem Bruder Hermann die Wollspinnerei. Im Jahre 1946 konnte die Produktion von Wolle und Steppdecken wieder aufgenommen werden. Zunächst lief das Geschäft sehr gut. Damals gab es einen großen Nachholbedarf an Wolle, denn die Leute brauchten warme Kleidung, aber auch etwas zum Tauschen.
Im Jahre 1948 begann die Verstaatlichung der Betriebe in der sowjetischen Besatzungszone und Schafwolle durfte von Privatleuten nicht mehr verarbeitet werden. Doch die Willführs verfügten noch über Vorräte an Wolle und hielten damit ihre Produktion am Laufen. Das führte dazu, dass Hermann Willführ und seine Schwester Frieda verhaftet wurden und Gefängnisstrafen erhielten. Erst nach drei Jahren wurde Hermann Willführ aus dem Zuchthaus Coswig entlassen unter der Zwangsverpflichtung, für einige Jahre im Kunstfaserwerk Premnitz zu arbeiten. Dort wurden Kunstfasern wie Wollcryton und Wollpryla hergestellt, mit denen die DDR-Wirtschaft den Mangel an natürlicher Wolle auszugleichen versuchte.
Auch in der Tangermünder Wollspinnerei wurde bald Wollpryla (ein Fasergemisch aus Baumwolle und Acryl) als Ersatzrohstoff anstelle von Schafwolle eingesetzt. Die Geschäftsidee der Willführs, neben Wollgarn auch Steppdecken und Schlafsäcke herzustellen, sicherten den Willführs das Überleben als Privatbetrieb in der DDR, denn Steppdecken waren Mangelware. Hermann war für die Füllungen zuständig, Frieda nähte die Bezüge.
Auch in dieser Zeit brachten Privatleute Schafwolle in die Tangermünder Wollspinnerei und ließen sie zu Strickgarn verarbeiten. Die Menge hielt sich jedoch in Grenzen, denn in der DDR durften private Personen nicht mehr als fünf Schafe halten. So mussten die Willführs ihr Einkommen durch die Reparatur von Wolldecken und Wollsocken aufbessern. Frieda Pfeiffer betrieb nebenbei noch einen Laufmaschen-Eildienst. (In der DDR warf man Feinstrumpfhosen mit Laufmaschen nicht gleich weg, sondern ließ sie reparieren.)
Die Rente, die Hermann Willführ erhielt, war zu gering, um davon leben zu können. Deshalb gründete er im Ruhestand eine Fahrrad- und Motorradaufbewahrungsstelle für Besucher der Stadt.
Als Frieda Pfeiffer im Jahre 1988 starb, gab Hermann Willführ den Betrieb auf. Er starb vier Jahre später im Alter von 91 Jahren. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, 100 Jahre alt zu werden. Jedoch war sein größter Wunsch, aus seiner Wollspinnerei ein Museum zu machen. In Tangermünde konnte sein Traum nicht verwirklicht werden.
Wer jedoch Interesse an der ehemaligen Tangermünder Wollspinnerei hat und eine dreieinhalbstündige Autofahrt nicht scheut, kann sich die historischen Maschinen, die über einhundert Jahre in Tangermünde im Einsatz waren, im Tuchmacher-Museum in Bramsche ansehen.