Aus dem Pionierleben einer Tangermünder Schulklasse (Teil 1)

(Ein Bericht von Susanne Wasem)

Frau Wasem bewahrte aus ihrer Schulzeit das Gruppenbuch ihrer Klasse auf, das einen tiefen Einblick in das Leben einer 6. und 7. Klasse als Pioniergruppe bis zum Eintritt in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) in der 8. Klasse gibt. Dieser Bericht soll einen Eindruck über die Pioniernachmittage und Veranstaltungen einer 6. Klasse im Schuljahr 1980/81 geben. Auf einige wird durch wörtliche Zitate aus dem Gruppenbuch näher eingegangen.

Die Eintragungen im Gruppenbuch beginnen am 1. September 1980 mit der Eröffnung der Polytechnischen Oberschule POS III im Tangermünder Neubaugebiet, der heutigen Brunsberg-Sekundarschule. Wir erfahren nicht nur etwas darüber, wie die Schule zu ihrem Namen „Lenin-Schule“ kam. Interessanter ist für uns heute allerdings, wie damals bereits Kinder in das politische Leben der DDR einbezogen wurden und wie eng die Schule mit dem politischen System verknüpft war. Bereits Kinder verstanden es, die alltagsfremden, abgedroschenen Phrasen, die von der SED-Partei vorgegeben und ihnen eingetrichtert wurden, in ihren Niederschriften zu benutzen. Das Gruppenbuch lässt aber auch darauf schließen, dass die Pioniernachmittage, je nach Geschick des Klassenleiters oder der Klassenleiterin, nicht nur ausschließlich politische Veranstaltungen waren, sondern die Kinder viele schöne Dinge miteinander erlebten, die das Klassenleben bereicherten und die Freundschaft unter den Schülern stärkten.

1. September 1980: Erster Schultag – Übergabe der Schule – Würdigung des Weltfriedenstages

„Am 1. September 1980 war es soweit. Die großen Sommerferien waren zu Ende. Für die Schüler sollte alles wieder seinen normalen Lauf nehmen. Aber für uns und 700 andere Schüler war noch etwas Besonderes gekommen. Viele Monate lang redete man schon davon. Bauarbeiter hatten sich bemüht, das große Ding fertigzustellen. Ja, eine neue Schule! Heute am 1. September 1980 sollte die Schule an uns Schüler und die Lehrer übergeben werden. Für uns alle war das ein großer Tag. Zuerst erfreuten uns Schüler mit einem kleinen Programm. Der neue Direktor hielt eine kleine Rede. Unter anderem sagte er auch, dass wir unsere neue schöne Schule würdigen sollen. Lehrer und viele andere hatten sich bemüht, alles rechtzeitig fertigzustellen. Aber sollte man nicht vergessen, dass in vielen Ländern Kinder hungern müssen. Bestimmt möchte jedes Kind gern lernen. Nun, dies war der ungefähre Inhalt der Rede des Direktors. Eine Frau aus dem Stadthaus übergab uns den Schlüssel für die Schule. Er wurde mit viel Beifall entgegengenommen. Alle Kinder lernen fleißig in der Schule. Pioniere, FDJler und die Lehrer tragen dazu bei, dass die Schule immer schön bleiben wird.“

3. September 1980: 1. Pioniernachmittag –Beratung über den Gruppenplan, Vorbereitung auf die Gruppenratswahl

„Am 3. September 1980 führten wir unseren ersten Pioniernachmittag durch. Wir hatten beschlossen, dass wir über den Gruppenplan und die Gruppenratswahl reden wollten. Es gab viele Ideen, was wir alles im Laufe des Schuljahres unternehmen könnten. Wir könnten unsere Heimat erforschen, Timurhilfe für ältere Leute leisten. … Dann stellten wir eine Liste mit den Kandidaten für den Gruppenrat auf. Viel zu schnell ging die Zeit dahin. Unsere Lehrerin verabschiedete uns mit dem Pioniergruß „Für Frieden und Sozialismus seid bereit!“ Da ertönte auch schon von der Klasse „Immer bereit!“

Es folgten ein weiterer Pioniernachmittag und am 18. September 1980 die Schulmathematikolympiade.

29. September 1980: 3. Pioniernachmittag – Pflaumenpflücken

„An diesem Pioniernachmittag gingen wir in die Plantage zum Pflaumenpflücken. … Jeder bekam einen Korb und wir fingen sofort an zu sammeln. Unsere Klassenleiterin und ein Mitglied des Klassenelternaktivs halfen uns fleißig. … Um 16.30 Uhr hatten wir 58 volle Körbe abgegeben. Stolz nahmen wir dafür 58 Mark entgegen. Als Abschluss des Pioniernachmittags bekam jeder noch eine Portion Eis.“

1. Oktober 1980: Gruppenratswahl und Erstellung des Arbeitsplanes für das Schuljahr 1980/81

„Die Klasse 6b der POS III setzt sich zusammen aus 13 Schülern der ehemaligen Klasse 5c der Comenius-Schule und 6 Schülern aus der Diesterweg-Schule. … Gemeinsam wollen wir in diesem Schuljahr unter dem Motto des Pionierauftrags „Pioniersignal X. Parteitag“ die uns gestellten Aufgaben in hoher Qualität erfüllen. Damit wollen wir unseren Beitrag zum X. Parteitag der SED leisten. Diese Aufgaben werden wir gemeinsam mit unserer Klassenleiterin, unserem Elternaktiv und unserer Patenbrigade meistern. Wir kämpfen gemeinsam um den Titel „Bestes Pionierkollektiv“. Wir haben uns sehr viel vorgenommen. Es sind folgende Veranstaltungen geplant: Disco, Faschingsfeier, Schrottsammlung, Kuchenbasar, Altstoffsammlung, Pflaumeneinsatz, Bastelnachmittag, Beteiligung am Crosslauf, Beteiligung am Manöver „Schneeflocke“, Nachmittag über Moskau, Besuch des Schülerkonzerts, Theaterbesuch, Kinobesuch, Sportnachmittag, Rodeln, Schlittschuhlaufen, Veranstaltung zum Pioniergeburtstag, Veranstaltung zum Kindertag, Lernkonferenz (Ziel Leistungen verbessern). … Unser oberstes Ziel besteht darin, gut zu lernen. Deshalb haben wir unsere Klasse in Brigaden eingeteilt. Der jeweilige Brigadeleiter hat die Aufgabe zu kontrollieren, ob jedes Brigademitglied nichts vergessen hat. Für schwächere Schüler werden wir Lernpatenschaften bilden, damit sie in der Schule nicht zurückbleiben. Unser Gruppenbuch werden wir sauber, ordentlich und termingerecht führen. Der Pionierbeitrag wird vom Kassierer immer pünktlich eingesammelt. … An einem Pioniernachmittag werden wir uns mit Fragen der Wehrerziehung beschäftigen. Mit wenigstens einem Exponat beteiligt sich jeder Schüler an der Schulmesse „Messe der Meister von Morgen“ (MMM).“

Im Oktober unternahm die Klasse einen Wandertag nach Magdeburg und nahm am Herbstcrosslauf und einem Schülerkonzert teil.

Am 5. November 1980 fand in der Aula die Freundschaftsratswahl statt. Hier ein Eindruck vom Ablauf:

„Vor dem Eingang der Aula wurden die Pionierausweise kontrolliert … Die Freundschaftspionierleiterin begrüßte uns mit dem Pioniergruß. Danach verlas sie den Arbeitsplan und die einzelnen Etappen des Pionierauftrages. Dann stellten sich alle Kandidaten des Freundschaftsrates vorn auf und es wurden ihre Beurteilungen vorgelesen. Zum Zeichen des Einverständnisses ihrer Wahl hoben alle Pioniere ihre Pionierausweise. Danach las jede Klasse ihren Diskussionsbeitrag vor. Dann wurde die Freundschaftsratswahl mit einem Lied beendet.“

14. Dezember 1980: Empfang beim Bürgermeister

„Am 14.12.1980 lud der Bürgermeister die drei besten Schüler der Klassen 3 – 6 zur Pioniergeburtstagsfeier ins Jugendklubhaus ein. … Er hielt eine kleine Rede, in der er uns für die fleißige Teilnahme an der Solidaritätsspende dankte. Nach dem Kaffeetrinken legte der Discjockey Musik auf und wir konnten tanzen.“

7. Januar 1981: Altstoffsammlung

„Am 7. Januar 1981 veranstaltete unsere Klasse eine Altstoffsammlung. Wir zogen in Gruppen aufgeteilt mit unseren Handwagen los. Nach einer Weile trafen wir uns alle mit voll bepackten Wagen an der Altstoffannahmestelle am Grünen Weg wieder. Dieser Einsatz brachte uns einen Erlös von 89,77 Mark.“

Am folgenden Tag fand die Russisch-Olympiade statt, an der drei Schüler der Klasse erfolgreich teilnahmen.

28. Januar 1981: Betriebsbesichtigung

„Am 28. Januar 1981 wollten wir den Betrieb unserer Patenbrigade kennenlernen und trafen uns am Nachmittag vor dem Tor der Schiffswerft. Dort holte uns der Leiter unserer Patenbrigade „7. Oktober“ zu einem Rundgang durch den Betrieb ab. Er erzählte uns Wissenswertes über einige Schiffe. Wir durften uns sogar den Maschinenraum eines Schiffes ansehen. Wir staunten, was es dort alles zu sehen gab. Weiter ging es zur neuen Slippanlage. Dann gingen wir in die Werkhalle, wo uns die Mitglieder der Patenbrigade vorgestellt wurden. Vor der Verabschiedung bekam jeder von uns Limonade.“

Am 29. Januar 1981, sowie am 3. März 1981 und am 28. Mai 1981 gab es für die Pioniergruppe Arbeitseinsätze im Klassenraum unter dem Motto „Ein sauberes Klassenzimmer – mehr Spaß am Lernen“.