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Tangermünde
Ausgabe 6/2024
Geschichtliches
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Geschichtliches

Ausbaggern der Baugrube und Abbrucharbeiten

Aufschüttung des Geländes am Bootshaus mit dem ausgehobenen Boden

Zuckerrüben-Verladung am Hafen – im Hintergrund der begonnene Rohbau des Getreide-Silos Mitte November 1939

Maurer bei der Arbeit am Getreide-Silo Ende Juni 1939

Der Bau des Getreide-Silos am Tangermünder Hafen im Jahre 1939

Das Tangermünder Stadtarchiv hütet einen großen Schatz an Dokumenten. Darunter befinden sich etliche Exemplare des „Tangermünder Anzeigers“, der ehemaligen Tageszeitung unserer Stadt. Beim Durchblättern der Ausgaben des Jahrgangs 1939 lassen sich anhand von Zeitungsartikeln und Fotos die Vorbereitungen und beginnenden Bauarbeiten zur Errichtung des Getreide-Silos am Tangermünder Hafen nachvollziehen.

Als Bauplatz wurde das nördliche Gelände des Elblagerhauses und das Grundstück der dahinter liegenden alten Holz- und Eisenschuppen am Tangermünder Hafen ausgewählt. Im „Tangermünder Anzeiger“ war am 27.5.1939 darüber zu lesen: „In nicht allzu ferner Zeit wird sich das Bild, das wir jetzt vom Hafendeich aus auf den südlichen Teil der Stadtumwallung haben, wesentlich verändern. Wir werden dann auf einen massiven Gebäudeblock mit acht Stockwerken und einer Höhe von 40 Metern blicken. Das erste Hochhaus auf Tangermünder Boden wird hier entstehen – ein Getreidesilo mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Tonnen!“

Vor der Erteilung der Baugenehmigung eines derartigen Gebäudes, welches das historische Stadtbild von Tangermünde wesentlich verändern wird, waren langwierige Verhandlungen nötig. Ein sehr gewichtiges Wort hinsichtlich des Denkmalschutzes hatte dabei der Konservator des Bezirkes mitzusprechen. Auch mussten umfangreiche Bodenuntersuchungen zur Ermittlung der Standfestigkeit des riesigen Gebäudes durchgeführt werden.

Nach der Erteilung der erforderlichen Genehmigungen konnte der „Tangermünder Anzeiger“ am 17. Mai 1939 über erste Baufortschritte berichten. Seit einigen Tagen war eine Arbeitskolonne damit beschäftigt, die alten Schuppen vor und hinter dem Elblagerhaus sowie zwei massive Schuppen am Fuße der Putinnen niederzureißen und somit Platz für die große Baustelle des gewaltigen Silo-Neubaus zu schaffen. Außerdem war es nötig, für die zahlreichen auswärtigen Arbeitskräfte zwei größere Wohnbaracken zu errichten.

Gleichzeitig hob ein schwerer Greif-Bagger unablässig das Erdreich aus der riesigen Baugrube für die Fundamente des Silos. Bei einer Grundstücksausdehnung von etwa 1000 Quadratmeter und einer Tiefe der Baugrube von 6,40 Meter ergab sich die gewaltige Aushubmenge von 6400 Kubikmeter. Mit einem Teil des ausgehobenen Erdreiches wurde das angrenzende Gelände aufgefüllt. Jedoch schaffte man den größten Teil des Aushubs mit Lastwagen auf den Platz neben dem Klubhaus des Tangermünder Ruderclubs, um damit das Gelände zu erhöhen und es dadurch in Zukunft hochwasserfrei zu halten.

Interessant sind die verschiedenen Bodenschichten, die beim Ausschachten der mehr als sechs Meter tiefen Baugrube zutage traten. Zunächst musste eine feste Schlacke-Schicht aufgebrochen werden. Darunter befand sich eine dünne Schicht Mutterboden. Es folgte eine Schicht aufgeschütteten Materials in einer Stärke von etwa einem Meter. Danach traf man auf eine mächtige, natürlich gewachsene Schicht aus Schlick, die in früheren Zeiten vom Tanger hier abgelagert wurde. Darunter konnte eine dicke Schicht aus Ton entdeckt werden, die laut Einschätzung des Sachverständigen stark genug war, das gewaltige Bauwerk und die spätere Last des eingelagerten Getreides zu tragen. Den Abschluss der Baugrube bildete eine etwa einen halben Meter dicke Kiesschicht, die mit vielen Holzstücken durchsetzt war. Die Befürchtung, beim Ausbaggern mit Grundwasser Probleme zu bekommen, erfüllten sich glücklicherweise nicht.

Der „Tangermünder Anzeiger“ bat die Tangermünder Bevölkerung darum, den Teil der Hafenuferstraße im Bereich zwischen den Putinnen und der Stendaler Straße möglichst wenig zu benutzen, da mit viel Schmutz und starkem Lastwagenverkehr zu rechnen war. Zu dieser Zeit waren bereits Unmengen an Eisen und Zement zur Baustelle gebracht worden, da das gesamte Bauwerk aus Beton errichtet werden sollte. Um dem vom roten Backstein dominierten Stadtbild zu entsprechen, wurde die Fassade des Getreidesilos später mit roten Mauersteinen verblendet.

Auch an die spätere Infrastruktur musste rechtzeitig gedacht werden. Damit nach Vollendung des Bauwerks die riesigen Mengen an Getreide per Güterzug an- und abgefahren werden konnte, musste bis dahin das am Hafen verlegte Eisenbahn-Gleis, das bisher an einem Prellbock unterhalb der Putinnen endete, bis zum Getreidesilo verlängert werden. Für das Entladen des auf Elbkähnen angelieferten Getreides war eine pneumatische Saugvorrichtung geplant, die es durch starke Rohrleitungen in die einzelnen Silo-Zellen transportieren sollte.

Fotos-Quelle: Weiland, Fotograf des „Tangermünder Anzeigers“ 1939
Text: Petra Hoffmann