Stolz präsentierte Otto Kuberg auf einer Werbe-Postkarte den „Gasthof zum deutschen Kaiser“ in Tangermünde, der sich in der Arneburger Straße befand.
Noch heute bezaubert das sanierte Wohnhaus mit der komplett erhaltenen Fassade in der Formensprache der Kaiserzeit und führt uns die Geschichte eines Alt-Tangermünder Gasthofes noch einmal vor Augen.
von Marina Wienecke
In der Geschichte der Stadt, vor allem in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht, spielten Gastwirtschaften als Zentren der Geselligkeit, Gemütlichkeit und des Austausches immer eine bedeutende Rolle. Nur wenige Alt-Tangermünder Gast- und Beherbergungsstätten existieren noch heute am Ort ihrer Erbauung. Sie tragen sogar noch den historischen Namen, wie z. B. der „Schwarzer Adler“. Im Jahr 1937 gab es noch rund 40 Gast- und Schankstätten in Tangermünde. Es waren Wirtshäuser ganz unterschiedlicher Formen. An den Land- und Fernstraßen gab es Gasthöfe, die Verpflegung und Übernachtung anboten, im Zentrum der Stadt befanden sich Hotels und Gasthäuser mit einem Speisen- und Getränkeangebot, aber auch kleine Eckkneipen, die nur den Ausschank betrieben. Im Laufe von fast neun Jahrzehnten wurden viele Alt-Tangermünder Gast- und Schankstätten aufgegeben und die Gasträume und Logierzimmer zu Wohnräumen umgebaut.
Jüngst wurde eine alte Postkarte aufgefunden. Sie zeigt den „Gasthof zum deutschen Kaiser“ in Tangermünde. Das repräsentative Haus aus der Zeit des Wilhelminismus wurde in der Arneburger Straße 73 erbaut und war seit 1913 im Besitz von Otto Kuberg. Seine Enkeltochter Helga Seiler, die die Werbe-Postkarte ihres Großvaters für eine Veröffentlichung zur Verfügung stellte, wusste zu berichten, „dass Otto Kuberg das 1887 errichtete Gebäude zu einem größeren Gasthof umbauen ließ.“ Recherchen ergaben, dass sich zuvor in dem Haus die Kaffeerösterei und Tabakfabrik des Hamburger Kaufmannes Wurl und seit 1901 die Gastwirtschaft „Zum grünen Baum“ befanden.
Der neue Besitzer ließ die Toreinfahrt überbauen und richtete in dem Gasthof mehrere Fremdenzimmer ein. Otto Kuberg betrieb den Gasthof aber nicht selbst, sondern verpachtete ihn an Wilhelm Ernst. Im Jahr 1920 wurde der „Gasthof zum deutschen Kaiser“ zur Hofseite abermals umgebaut. In der großen Gastwirtschaft hatten einige Tangermünder Vereine ihr Stammlokal. Um 1930 trennte sich Otto Kuberg von seinem Grundstück und verkaufte die Immobilie an seinen Pächter Wilhelm Ernst. Vier Jahre später übergab der Gastwirt das Lokal an seine Tochter Luise, die mit dem Werftarbeiter Wilhelm Neumann (im Volksmund „Stiebel-Neumann“) verheiratet war.
Als die Ära von Kaiser Wilhelm II. zu Ende ging und 1933 die neue Elbebrücke in Betrieb genommen wurde, änderte Betreiber Neumann den Namen seiner Wirtschaft und nannte sie fortan „Zur Elbbrücke“. In der Zeit des 2. Weltkrieges hatte der Gastwirt viele Gerichte aus Pferdefleisch auf der Karte, weil es Rind- und Schweinefleisch nur auf Lebensmittelmarken zu kaufen gab. Deshalb vergab er wieder einen neuen Namen für seine Wirtschaft und nannte sie einfach „Zur Ponybar“.
In der Nachkriegszeit wurde das Restaurant geschlossen, denn es mangelte an Getränken und Speisen. Ab 1950 pachte das städtische Krankenhaus das Objekt und bezog es in die Schwesternausbildung mit ein. In der „Ponybar“ wurde fortan das Kochen von Diätgerichten gelehrt. Hier bekamen auch die Schwesternschülerinnen ihre Verpflegung. Der erfinderische Volksmund hatte auch gleich einen passenden Namen dafür parat: „Die Klopsküche“.
Die Jahre nach dem Krieg waren für die Vermieterin und Grundstücksbesitzerin Luise Neumann schwer, denn notwendige Reparaturen standen an und Material gab es kaum. Sie trennte sich deshalb von dem großen Haus und verkaufte es an den Fuhrunternehmer Hermann Förste. Mitte der 60er Jahre zog die Schwesternausbildung aus dem Objekt Arneburger Straße 73 aus. Der neue Besitzer Förste fand in der HO/Abt. Gaststättenwesen Stendal neue Mieter. Die HO richtete in dem ehemaligen Gasthaus wieder ein Restaurant ein und behielt auch den Namen „Zur Ponybar“ bei. Die ersten Wirtsleute, die das Lokal bewirtschafteten, waren Emmi und Fritz Lange. Das Wirtshaus entwickelte sich unter ihrer Regie prächtig. Das Angebot war vielfältig und es war sehr gemütlich in der „Ponybar“. Ab 1980 übernahm Birgit Flitzekowski das HO-Lokal und erwarb es 1984 von Hermann Förste. Nach der Wende ließ Frau Flitzekowski die Gaststätte umbauen. An den Alt-Tangermünder Gasthof „Zum deutschen Kaiser“ erinnert aber heute noch die komplett erhaltene Fasse in der Formensprache der Kaiserzeit.
(Bei Rückfragen: Marina Wienecke - Tel.: 0162 6509868)