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Tangermünde
Ausgabe 8/2024
Geschichtliches
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Geschichtliches

Zollhaus in der Neustadt

Das ehemalige Zollhaus in der Neustadt

(nach einem Zeitungsbericht im „Tangermünder Anzeiger“ vom 7. März 1941)

Bis zum Frühjahr 1941 stand in der Magdeburger Straße noch ein altes Zollhaus. Im Volksmund wurde es auch „Karussellhaus“ genannt. Da das Gebäude – wie es auf dem alten Zeitungsfoto zu sehen ist - bis auf die Fahrbahn der Magdeburger Straße ragte, war es zum Verkehrshindernis geworden und musste deshalb abgerissen werden.

Das ehemalige Zollhaus stammte noch aus einer Zeit, in der es Zollschranken gab und für die Benutzung von Straßen sowie für alle mitgeführten Waren Abgaben bzw. Steuern gezahlt werden mussten. Jüdische Händler hatten zusätzlich einen Leibeszoll zu entrichten. Erst danach wurde der Schlagbaum am Zollhaus, der die Straße versperrte, gehoben und der Weg freigegeben. Die Beschädigung des Schlagbaums wurde mit harten Strafen geahndet – laut Statut vom Jahre 1639 sogar mit dem Abhacken der rechten Hand. Erst sehr viel später wandelte man diese grausame Strafe in eine hohe Geldbuße um.

An einer Wand des ehemaligen Zollhauses war noch im Jahre 1941 ein Schild angebracht, welches das Haus als „Königlich preußisches und brandenburgisches Zollamt“ auswies. Ein Wappen mit einem springenden Pferd zeigte an, dass das Zollamt einst im Besitz der adligen Familie von Roth auf Köckte war. Diese Familie muss bereits früh Inhaber des Stadtzolls von Tangermünde gewesen sein. Ihr Recht, den Land- und Straßenzoll sowie den Stadtzoll einzutreiben, reichte von Tangermünde bis nach Elversdorf. Erst im Jahre 1734 wurde das Recht, Straßenzoll zu erheben, aufgehoben. Der Landzoll hingegen durfte noch bis zum Jahre 1818 eingetrieben werden.

Wegen der hohen Abgaben, die Kaufleute und Reisende zu zahlen hatten, war dieses Zollhaus den Bürgern von Tangermünde ein Ärgernis. Der Tangermünder Rat führte so manchen langwierigen Prozess mit den adligen Zollinhabern, weil sie sich oft nicht an die geltenden Zollbestimmungen hielten. Obwohl die Bürger unserer Stadt nach altem Recht von der Zollabgabe befreit waren, sofern sie mit hier hergestellten Waren durch das Neustädter Tor auf die Märkte des Landes zogen, hielten sich die Zöllner häufig nicht an die Bestimmungen. Sie pfändeten die Waren - nicht selten ganze Hammelherden. Die Pferde der Tangermünder Bürger wurden ausgespannt und nach Köckte gebracht, wo ihre Besitzer sie teuer einlösen mussten.

Bei Streitigkeiten wurde die Familie von Roth häufig vom Landesherrn begünstigt, obwohl sie ihrer Pflicht, für die erhobenen Zollgebühren die Landstraße von der Steinernen Brücke beim Wiesenhaus (zwischen Tangermünde und Bölsdorf) bis zur Papenkuhle bei Elversdorf in Ordnung zu halten, nur widerwillig nachkam. Darüber beklagten sich die Kuriere, Kaufleute und Reisende regelmäßig.

Das ritterliche Geschlecht derer von Köckte war bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Tangermünde ansässig und bekleidete für lange Zeit das Hofrichteramt in Tangermünde. Mitglieder der Familie waren im Tangermünder Stadtrat sowie hohe Beamte des Landesherrn. Sie werden in alten Urkunden als Vögte der Tangermünder Burg erwähnt. Dieser sehr reichen Familie gehörte ein Rittersitz im Hünerdorf, ein Haus in der Schloßfreiheit, ein großer Garten zwischen der Stadt und der Burg und Ackerland beim Dorf Carlbau. Außerdem hatte sie zahlreichen weiteren Besitz in der Altmark, der ihnen vom Landesherrn verliehen wurde. In der Stephanskirche besaß die adlige Familie einen eigenen mit Fahnen und Waffen üppig geschmückten Chor, unter dem sich die Grabstätte der Familie befand. Den Tangermündern war er stets ein Dorn im Auge, weil er den Innenraum der Kirche verschandelte. Als der Chor bei der Renovierung der Kirche im Jahre 1720 entfernt werden sollte, kam es zum Streit mit denen von Roth, der dazu führte, dass die adlige Familie im Jahre 1730 die Kirche in Köckte bauen ließ.

Quelle Foto:

Tangermünder Anzeiger vom 7.3.1941, Fotograf: Weiland