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Tangermünde
Ausgabe 9/2024
Geschichtliches
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In vergilbten Zeitungen geblättert - Die Tangermünder Stadttore an der Elbseite

Steigberg 1935

Kleine Fischerstraße um 1910

Baustelle Roßfurt 1938

Baustelle Putinnen 1937

(nach Berichten im Tangermünder Anzeiger von 1935, 1937 und 1938)

Die Roßfurt, der Steigberg und die Putinnen gehören wohl zu den lauschigsten Winkeln unserer Altstadt.

Im Mittelalter hatten sich die Tangermünder Bürger zur Elbe hin nur ein Stadttor gestattet: die Roßfurt. Es gibt jedoch zwei weitere enge Pforten auf dieser Seite der alten Stadtmauer. Während das Tor der Roßfurt auch reitend oder mit dem Ochsenkarren passiert werden konnte, waren die beiden Pforten – der Steigberg und die Putinnen - ausschließlich für Fußgänger vorgesehen. Da die wenigen Brunnen innerhalb der Stadtmauer nicht ausreichend Wasser lieferten, war die Tangermünder Bevölkerung auch auf das Tangerwasser angewiesen. Damit sie sich vom Tanger her das Wasser zum Brauen, Waschen, Kochen und Trinken in ihre Häuser holen konnten, wurden die „Wassertore“ zu gewissen Zeiten aufgeschlossen.

Sobald die Torwärter oder ihre Gesellen die Pforten für kurze Zeit öffneten, begann in allen Häusern der Stadt ein emsiges Schleppen und Laufen. Es gibt Wasser! Die Holzpantinen klapperten über die holprigen Straßen, wenn nicht Dreck und Matsch den Lärm dämpften. Aber ganz sicher klapperten sie auf den steinernen Treppenstufen des Steigberges bis zur Pforte in der Stadtmauer. Die lange, enge Treppe, die durch den Steigberg-Turm führt und heute auf dem halbrunden Hügel – einer ehemaligen Bastion zum Schutz und zur Verteidigung der Roßfurt - endet, war ursprünglich wesentlich kürzer. Aus Sicherheitsgründen lag ihr Ausgang weit über dem Erdboden, etwa auf halber Höhe der Stadtmauer. Von dort aus ging es über einen hölzernen Wehrgang und vermutlich eine wacklige Holztreppe oder Leiter weiter hinab. Der Rückweg muss mit den schweren Wassereimern sehr anstrengend gewesen sein. Mühsam wurden die Eimer einer nach dem anderen hochgetragen, um die Braukessel und die Bottiche zu füllen. Wie viel Wasser mag Jahrhunderte lang auf diese Weise in die Stadt geschleppt worden sein! Die Wärter drängten zur Eile. Schließlich verschlossen sie die Pforten. Wer nun noch unten vor der Stadtmauer war, musste durch die Roßfurt zurückkommen. In Kriegszeiten blieben die Tore und Pforten verschlossen. Die hölzernen Konstruktionen vor den Pforten wurden rasch weggerissen, um den Feinden das Eindringen in die Stadt zu erschweren.

Dass der Bereich in der Nähe des Steigberges bereits früh vor Feinden gesichert werden musste, zeigt das massive Fundament der Stadtmauer an dieser Stelle. Zunächst wurde sie aus dem in unserer Gegend einzigen natürlich vorkommenden Baumaterial –aus Findlingen und Feldsteinen – aufgerichtet. Doch als es durch die rege Bautätigkeit nicht mehr ausreichend davon gab, wurde der rote Backstein das bevorzugte Baumaterial. Am Steigberg fanden außerdem weitere, über Jahrhunderte beliebte Baustoffe Verwendung: Holz und Lehm für den Fachwerkbau. Diese Kombination macht das Steigberg-Ensemble architektonisch noch interessanter.

Nachdem die Gäste unserer Stadt beim Spaziergang die malerische Kleine Fischerstraße in Richtung Elbe durchschritten haben und die schmale Treppe des Steigbergs hinabgestiegen sind, zeigen sie sich häufig überrascht vom raschen Wechsel: Aus der Enge der Stadt gibt die Pforte plötzlich den Blick frei hinaus in die Natur.

In der Ausgabe vom 19./20. Oktober 1935 der einstigen Tageszeitung „Tangermünder Anzeiger“ ist ein Foto des Steigberges zu sehen, auf dem man den damaligen Zustand des Steigberg-Turmes (von der Stadtseite aus gesehen) gut erkennen kann.

Eine alte Postkarte aus der Zeit um 1910 zeigt eine Frau, die gerade vom Steigberg her durch die Kleine Fischerstraße geht. Sie trägt zwei Wassereimer mithilfe eines Joches über den Schultern.

Ein weiteres interessantes Foto im „Tangermünder Anzeiger“ vom 27. April 1938 zeigt den Turm der Roßfurt während der Erneuerung des Dachstuhles. Bei Dachdeckerarbeiten stellte sich damals heraus, dass der Dachstuhl erneuert werden musste. So stand der Turm für eine gewisse Zeit wieder so da, wie er ursprünglich errichtet wurde. Der damalige Kommentar zum Foto lautete: „Eigentlich könnte uns der Turm ohne Spitzdach besser gefallen, da die Plattform an und für sich ohne Bedachung gewesen ist und der Zinnenkranz ringsherum die schönste Gelegenheit zur Verteidigung bot. Hinter den Schießscharten standen die Schützen und die Bedienungsmannschaften der Wurfmaschinen, die auch hier oben Raum fanden. Später bekam der Turm wegen des besseren Wasserablaufs das altbekannte Walmdach.“

Auch an der Außenseite eines Putinnen-Turmes mussten damals Reparaturarbeiten vorgenommen werden. Ein Foto im „Tangermünder Anzeiger“ vom 19. März 1937 zeigt den Turm mit einem Holzgerüst und zwei Maurern, die mit der Neuverfugung der Backsteine beschäftigt waren.

Foto-Quellen: Postkarte (Stadtarchiv), alle anderen Fotos (Stadtarchiv/Tangermünder Anzeiger)