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Tangermünde
Ausgabe 9/2024
Vereine und Verbände
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Stadtführerjugend bereitet sich auf eine Führung durch die Stephanskirche vor

Regine Schönberg und Valentin Wedel beim Blick von der Orgel ins Kirchenschiff.

Kantor Lehmann beim Bälgetreten

Romy Schwenke

Thorben Prox

Kaum dass das neue Schuljahr begonnen hat, schon ist die Stadtführerjugend in Tangermünde unterwegs, um Interessantes aus der Geschichte ihres Heimatortes zu erfahren. Wenn draußen hochsommerliche Temperaturen herrschen, ist es in der Stephanskirche besonders angenehm. So trafen sich die Stadtführerkinder und Jungen Stadtführer im August in diesem geschichtsträchtigen Bauwerk.

Sie erfuhren, dass bereits vor 1000 Jahren an dieser Stelle ein Holzkirchlein stand, von dem lediglich der Name erhalten blieb. Sein Schutzpatron war damals schon der Heilige Stephanus. Vom Nachfolgebau- einer romanischen Basilika – sind noch einige Reste erhalten. So zählt die Nordwand mit den beiden Rundbogenfenstern zu den ältesten erhaltenen Teilen der Stephanskirche. Später wurde sie zu einer gotischen Hallenkirche umgebaut. Daran könnte Kaiser Karl IV. einen großen Anteil gehabt haben. Seine Pläne konnten zwar nicht vollendet werden, jedoch wurde der Bau des Kirchenschiffes um 1400 abgeschlossen und anschließend der Bau des Chores mit dem Chorumgang in Angriff genommen. Nun sollte die Kirche noch zwei sehr hohe gotische Kirchtürme bekommen. Nur der Nordturm konnte vollendet werden. Der Bau des Südturmes geriet durch die Folgen der Reformation ins Stocken und musste nach dem Grete-Minde-Brand endgültig verworfen werden. Die Stephanskirche überstand zwar den verheerenden Stadtbrand von 1617, erlitt aber große Schäden. Die hohe gotische Spitze stürzte mit den Glocken herab. Auch innen brannte die Kirche völlig aus. Die bunten Glasfenster zerbarsten, die Wände waren nach dem Brand schwarz wie ein Schonstein. Herabfallende Trümmer zerschlugen die Altarplatte. Die Grabplatte eines Chorherren dient bis heute als ihr Ersatz. Die bronzene Taufe aus dem Jahre 1508 überstand zwar den Brand, doch ist anzunehmen, dass ihr reich verzierter Deckel und die Löwen- oder Drachenfüße, auf denen das Becken gestanden haben muss, wenig später eingeschmolzen wurden, um das Material für die Reparatur der Glocken zu gewinnen.

Es ist überliefert, dass eine beschädigte Glocke in kleine Stücke geschlagen wurde und per Schiff nach Magdeburg gebracht wurde, um dort aus der Bronze eine neue Glocke gießen zu lassen. Es ist auch bekannt, dass eine weitere Glocke direkt in Tangermünde gegossen wurde. Dazu wurde in der Ruine der Klosterkirche eine riesige Grube für den Guss der Glocke ausgehoben. Die Kirche brauchte rasch neue Glocken, denn das Läuten zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten und Beerdigungen war damals eine wichtige Einnahmequelle. Die Jungen Stadtführer suchten speziell nach Spuren der Reformation in der Stephanskirche und stießen dabei auf den Gemeinen Kasten, der in einer Ecke der Taufkapelle fest mit der Wand verbunden ist.

Als nach der Reformation die Einnahmen der Kirche rapide sanken, wurden in dieser mächtigen Truhe die Spenden und Einnahmen für die Kirche, aber auch für die Armen aufbewahrt. Drei Schlösser, von denen heute noch zwei erhalten sind, sicherten den Inhalt der Truhe. Um ihn vor Diebstahl zu schützen, wurden die Schlüssel von drei Amtspersonen aufbewahrt, die die Truhe nur gleichzeitig öffnen durften. Ebenso interessant fand die Stadtführerjugend die Tatsache, dass in der heutigen Taufkapelle einst eine Bibliothek mit sehr wertvollen Büchern untergebracht war. Um sie vor Diebstahl zu schützen, waren sie angekettet.

In unserem Stadtarchiv lagert sogar noch eines dieser „Ketten-Bücher“. Von ganz besonderem Interesse ist in diesem Jahr die Scherer-Orgel, deren 400-jähriges Jubiläum in diesem Jahr mit einer Festwoche begangen wurde. Sie war ein Geschenk der Stadt Hamburg, deren Bürger nach dem Grete-Minde-Brand für eine neue Orgel gesammelt hatten. Sie ist ein Beweis dafür, dass für die zerstörte Einrichtung der Stephanskirche kein billiger und minderwertiger Ersatz Verwendung fand.

Ein ganz besonderer Höhepunkt für die Stadtführerjugend war eine spezielle Orgelführung mit Kantor Lehmann, der ihnen bis ins kleinste Detail die Funktion und den Aufbau der Orgel erklärte. Für Romy Schwenke und Thorben Prox endete die Orgelführung mit einem wohl unvergesslichen Erlebnis: Sie durften beide ein kleines Stück auf dem wertvollen Instrument spielen.

Wir möchten uns recht herzlich bei Kantor Lehmann für die lehrreiche Orgelführung bedanken. Nun werden wir bald fachkundige Führungen durch die Stephanskirche anbieten können.

Text: Petra Hoffmann

Die Bilder malte Kristina Hölger. Sie sind aus dem Buch "Klara in der Stephanskirche“.