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Das Alte Amt
Ausgabe 2/2025
Gemeinde Schwienau
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Gemeinde Schwienau

Wer unvoreingenommen den Namen „Schwienau“ zu Gesicht oder Gehör bekommt, stuft die Bezeichnung unwillkürlich für sich unter dem wenig ersprießlichen Namen „Schweinebach“ ab. Das mag – zumindest für Plattdeutschler - offensichtlich erscheinen. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Laut Flurnamendeutung ist „Swienau“ nämlich auf das mittelniederdeutsche „swinde“ zurückzuführen und hat damit die Bedeutung „ungestüm“ oder „heftig“. Nun macht zwar das eher gemächlich dahinfließende Bächlein keinesfalls einen vergleichbaren Eindruck, doch war das wohl früher nicht immer so.

Nordwestlich und nördlich der Ortschaft Stadorf trennt der Bach einen Großteil der Stadorfer Feldmark vom Ort ab. Aus diesem Grunde waren vor allem die Landwirte seit je auf eine Flussüberquerung angewiesen. Diese erfolgte zunächst wohl als Furt, wobei der ursprünglich moorige Untergrund durch eine Steinpackung passierbar gemacht wurde. Beiderseits dieser Furt hat man den ebenfalls unsicheren Wiesengrund durch Sandaufschüttungen befahrbar gemacht. Da die Furt bei höheren Wasserständen unpassierbar wurde, entschied man sich bereits vor langer Zeit zum Bau einer Holzbrücke, wobei die vom Fluss vorgegebenen Anforderungen wohl nicht ausreichend Berücksichtigung fanden. Die Schwienau empfand das offenbar als Zurücksetzung oder gar Kränkung und rächte sich am 9. Februar 1941, indem sie ihrem Namensursprung „ungestüm“ Ehre machte und mittels eines Hochwassers die Holzbohlenbrücke und gleich auch noch eine weitere Privatbrücke flussabwärts hinwegfegte.

Nun ja, hinwegfegen ist wohl etwas übertrieben, jedenfalls war die Konstruktion so stark beschädigt, dass die Brücke unpassierbar war. Das brachte vor allem für die Landwirte erhebliche Probleme. So trat bereits am Folgetag der Gemeinderat zusammen und beschloss in ansonsten eher unüblichem Einvernehmen die baldmögliche Wiederherstellung. Zunächst wurde ein provisorischer Bohlenübergang verfertigt, der die Belastung der Brücke allerdings auf maximal 4 t begrenzte. Landwirtschaftliche Fuhrwerke konnten demnach entweder nur teilbeladen werden, oder man musste einen Umweg über Wittenwater und Altenebstorf nehmen. Beides erwies sich als zeitraubend, zumal die Rösslein, sofern sie hochbeladene Wagen über größere Entfernungen ziehen sollten, eher zu gemächlicher Fortbewegung neigten und keinesfalls oder bestenfalls kurzzeitig in flotten Trab verfielen.

Man trat also von Stadorfer Seite an den Wasser- und Bodenverband Schwienau heran, der für den Neubau hinzugezogen werden und ihn ausführen sollte. Der Verband sagte zu, 40 % der Kosten zu übernehmen. Die Holzkonstruktion, die sich ganz offensichtlich als unzuverlässig und störanfällig erwiesen hatte, sollte durch eine mit Stahlträgern abgesicherte Betonbrücke ersetzt werden. Das geschah dann auch, obwohl Stahl und Beton seinerzeit anderweitig, beispielsweise zum Bau solch sinnvoller Einrichtungen wie Bunker und Panzersperren, benötigt wurde. Im Frühjahr 1942 wurde dann die neue Brücke in Dienst gestellt. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 10500 RM. Das ging vor allem deshalb relativ rasch, weil man auf eine europaweite Ausschreibung verzichten konnte, keine Untersuchungen vornahm, ob sich vielleicht zwischenzeitlich schützenswerte Kröten, Molche oder gar Orchideen angesiedelt hatten und auch nicht überprüfte, wie stark der Betonanteil die CO2-Belastung des Globus in die Höhe jagen würde.

Im Februar dieses Jahres hatte die Brücke somit bereits 83 Jahre treue Dienste geleistet, ohne wesentliche Reparaturkosten zu verursachen. Vor einigen Jahren musste allerdings die zulässige Tonnage pro Fuhrwerk oder LKW auf 8 t begrenzt werden, weil man bei Kontrollen Risse festgestellt hatte. Im Jahr 1943 beschloss der Gemeinderat übrigens, die anteiligen 6300 RM (plus Zinsbelastung), die die Gemeinde in fünf Raten abtragen sollte, pauschal zu begleichen. Der Betrag wurde anteilig von den acht landwirtschaftlichen Betrieben, die ja am meisten von dem Neubau profitierten, übernommen. In der Nachkriegszeit hat man den Bau demzufolge generell als „Bauernbrücke“ bezeichnet. In den 70er Jahren änderte sich das kurzzeitig: Man sprach nun leicht spöttisch von der „Entenbrücke“. Dies hatte allerdings nichts mit dem Federvieh zu tun, das sich gern auf der Schwienau tummelte.

Befährt man nämlich die K12 von Linden in Richtung Stadorf, muss man unmittelbar vor der Brücke eine relativ scharfe und nicht sehr übersichtliche Rechtskurve durchfahren. Zwei oder drei Citroen 2CV-PKW, im Volksmund gern süffisant als „Ente“ bezeichnet, waren hinsichtlich Straßenlage hier offensichtlich überfordert. Sie versuchten vielleicht auch watschelnd die Kurve zu nehmen, was gründlich misslang. Das recht stabile Brückengeländer verhinderte allerdings, dass diese Art „Enten“ das Wasser aufsuchten…

Wie auch immer, nach 83 Jahren hat die gute alte Bauernbrücke ausgedient. Anfang Februar rückte man ihr entschieden gewalttätig mit Presslufthammer- und Schaufelbaggern zu Leibe. Die Brücke wehrte sich heldenhaft, hatte man sich doch seinerzeit hinsichtlich der Betonqualität durchaus an Bunkereigenschaften orientiert. Der Widerstand erwies sich allerdings letzten Endes als vergeblich. Momentan bietet die Baustelle daher eher einen tristen Anblick (siehe Foto). Das beauftragte Bauunternehmen hat die K12 entsprechend den Erfordernissen weiträumig abgesperrt. Zwar hat die Firma für ihre Beschäftigten eine Behelfspontonbrücke eingerichtet, die aber nicht mit Fahrzeugen passiert werden kann.

Dennoch gibt es etliche selbstbewusste Auto- und auch Motorradfahrer, die der Ansicht sind, die Sperre gelte nicht für sie. Während das Wenden für Motorräder problemlos ist und die Sperre vor der Brücke ggf. auch in Richtung Altenebstorf widerrechtlich umfahren werden kann, sind die uneinsichtigen Autofahrer zu teils riskanten Wendemanövern gezwungen. Die Straße ist ja nicht gerade ein Boulevard und die Böschung beiderseits abschüssig (auf der Nordwestseite verläuft teils sogar ein Wassergraben), so dass man schon ziemlich häufig hin und her rangieren muss, um den Bug wieder in Richtung Linden zu bekommen. Für schadenfrohe Zuschauer ist dies eine durchaus interessante Abwechslung.

Soviel zur momentanen Verkehrssituation in Stadorf. Wer gern nach Linden möchte, darf einen Umweg über Groß Süstedt nehmen und Altenebstorf ist nur über Wittenwater erreichbar. Die Situation ist durchaus mit der von 1941 vergleichbar, allerdings bewegen sich die landwirtschaftlichen Transporte nun nicht mehr im Schritttempo vorwärts. Ein weiterer Bericht in dieser Zeitung ist vorgesehen, wenn der Bau abgeschlossen und die neue Brücke eingeweiht wurde. Bis dahin ist bei den von der Sperrung betroffenen Verkehrsteilnehmern halt eine seltener gewordene Eigenschaft gefordert: Geduld!

Text: Walter Rieckmann