Pastor Kurt Schoop.
Die Engländer in Ebstorf.
Bürgermeister Georg Krebs.
Zahnarzt Otto Lichte.
Montag, der 16. April 1945, war ein warmer, sonniger Frühlingstag mit Temperaturen um 20 Grad Celsius. Ein Kriegstag, der letzte für Ebstorf. Gegen 16.45 Uhr rollten die Angriffs-Spitzen des etwa 50 Panzer und Infanterie umfassenden „Royal-Tanks“-Regiments der 11. Britischen Panzerdivision von Wriedel kommend in Ebstorf ein. Der erste Panzer fuhr zügig in den Ort und hielt vor dem Postamt an. Die folgenden Kampfwagen durchfuhren den ganzen Ort.
Schwere Panzer gingen an der Celler Straße und in Richtung Altenebstorf in Stellung und feuerten über den Ort hinweg auf Wehrmachtsstellungen hinter Melzingen. Der Klosterflecken war offen. Panzersperren und Gräben, ein völlig sinnloses Unterfangen, waren beseitigt. Weiße Fahnen und Tücher signalisierten keine Widerstandsbereitschaft. Es kam allerdings zu kurzen Feuergefechten mit Wehrmachtsangehörigen, die sich am Rand des Bobenwaldes festgesetzt hatten. In der Schussbahn lag die Siedlung, dabei wurde das Anwesen in der Helmsstraße 15 getroffen und geriet in Brand.
Die widerstandslose Einnahme war ein glückliches Moment für den Klosterflecken. Indes in der Kreisstadt Uelzen, zur Festung erklärt, heftiger britischer Artilleriebeschuss und Luftangriffe den Stadtkern der alten Hansestadt in Schutt und Asche legten. Morgens um 9.30 Uhr am 16. April, einem Montag, wurde der Turm der Marienkirche durch einen Tiefflieger mit Brandmunition getroffen und stürzte im Flammenmeer zusammen. Zu dieser Zeit kämpfte ein Trupp von acht Ebstorfer Feuerwehrmännern unter Führung des Oberbrandmeisters Hermann Förster in Uelzen gegen die zerstörenden Feuer des heftigen Artilleriebeschusses an. Unter abenteuerlichen Umständen und zeitweise unter lebensgefährlichem Panzerbeschuss hat sich diese Feuerwehrgruppe mit ihrem Fahrzeug in der Nacht zum 17. April in das dann besetzte Ebstorf durchgeschlagen.
Den letzten Kriegstagen in Ebstorf gingen dramatische und mit aller Kraft geführte Verhandlungen mit der NSDAP-Kreisleitung, Uelzen, in der Lüneburger Straße, im Clubhaus, voraus. Die Stadt war zur Festung erklärt worden. Eine schottische Division näherte sich unter Umgehung der Reichsstraße 191 Celle-Uelzen auf Waldschneisen bis nach Holdenstedt. Die Stadt wurde in den folgenden Tagen mit zehntausenden von Geschossen eingedeckt. Am 14. April erging der Befehl vom Landratsamt in Uelzen an die Führung des Volkssturmes in Ebstorf, die vorbereiteten Panzersperren zu schließen und mit Volkssturmmännern zu besetzen.
Nach Uelzen bestanden keine öffentlichen Verkehrsverbindungen mehr, die Telefonleitungen waren noch intakt. In dieser schon aussichtslosen Situation schafften es Pastor Kurt Schoop für die Kirchengemeinde, Bürgermeister Georg Krebs und Zahnarzt Otto Lichte, als politisch verantwortliche Vertreter, mit einem Pkw nach Uelzen zu gelangen und beim Kreisleiter Schneider vorstellig zu werden, um den Abbau von Panzersperren und Gräben, vor allem in der Tatendorfer Straße und an der Straße nach Vinstedt am Waldgebiet Tannenworth zu erwirken. Es kam zu heftigen Disputen. Der Kreisleiter konnte von der Sinnlosigkeit dieser Sperren nicht überzeugt werden. In der Hitze der Auseinandersetzungen zog er seine Dienstwaffe und drohte dem Zahnarzt Lichte mit Erschießung, wenn er sich den Anweisungen zur Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen widersetzte.
Die drei Ebstorfer verließen eilends die Kreisleitung und fuhren zurück in den Flecken. Sie ignorierten den Befehl und veranlassten einen sofortigen Abriss der Hindernisse. Der Krieg war in Ebstorf beendet, der kulturhistorisch bedeutende Heideflecken mit Kirche und Kloster wurde nicht zerstört. In Ebstorf schwiegen die Waffen, aber am Morgen dieses Tages begann die „Schlacht um Berlin“.
Die Ebstorfer Chronistin Sophia Wichelmann schrieb dazu: „Ihnen gebührt unser Dank. Alle, die darum wissen, werden es ihnen nicht vergessen. So wurde Ebstorfs Idylle bewahrt“. -js-
Quellen: AZ vom 17.10.1970 / Heimatkalender für Stadt und Kreis Uelzen 1985 / George Turner, „Was wollen die hier? Flüchtlinge und Einheimische 1945-1949. Das Beispiel Ebstorf in der Lüneburger Heide / Sonderausgabe der AZ vom 13./14. April 1985 / Archiv Ebstorf, hier: Das letzte Kriegsprotokoll der Ebstorfer Feuerwehr von Brandmeister Albert Meyer vom 17.04.1945 / Mündliche Mitteilungen / AZ vom 16.04.1997 / Ulrich Saft: Der Kampf um Norddeutschland / Andre´ Feit, Dieter Bechthold: Die letzte Front / Helmut C. Pless: Lüneburg 45. Nordost-Niedersachsen zwischen Krieg und Frieden
Text: Jürgen Sprang und Jens Ziegeler