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Das Alte Amt
Ausgabe 6/2024
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Heiko Senking, ganz entspannt während des Interviews.

Dass der Ebstorfer Heiko Senking ein Buch geschrieben hat, ist schön längst keine Neuigkeit mehr, hat sich sogar schon bis zum NDR herumgesprochen. Und es scheint relativ sicher sein, dass er dort irgendwann auf dem Roten Sofa sitzen und ein Interview geben wird. Klar ist, ein langweiliges Gespräch wird das nicht, wenn er über sein Buch „Rockerpräsident, Bürgermeister und Staatsdiener“ sprechen wird, das kein Roman ist, auch wenn der Stoff es durchaus hergäbe, sondern das widergibt, was Heiko Senking während seiner Zugehörigkeit zu einem Rockerclub erlebte, dessen Präsident er für 15 Jahre war.

Der Novum Verlag hat sich des Buches angenommen, Urheberrechte sind abgeklopft, denn es sind viele Fotos im Buch enthalten, auch Zeitungsartikel, Zitate anderer Menschen. Korrekturen, Lektorat – alles erledigt. Anfang des kommenden Jahres soll das 230 Seiten starke Buch als Paperback auf den Markt kommen und auch auf allen relevanten Buchmessen präsentiert werden.

Wichtig ist Heiko Senking, dass es auch als E-Book verlegt wird. „Aber nicht als Hörbuch“, schmunzelt er beim Interview. „Ich will all den Wahnsinn, den wir gemacht haben, nicht auch noch hören.“ Vom europaweit tätigen Novum Verlag hat er erfahren, dass das Buch auch ins Englische übersetzt werden soll. „Kann ich mir aber nicht recht vorstellen mit all den speziellen Begriffen und Redewendungen.“ Aber man wird sehen…

Das Interview mit Heiko Senking ist ein Ausflug in eine andere Welt, in der man viel lernt über Motorad- und Rockerclubs und deren Strukturen. „Es ist eine Männerwelt“, stellt er klar, obwohl es dort auch Frauen gibt. Die Gliederung sei klar, „wie bei der Bundeswehr“, mit oben und unten, wobei der Präsident an der Spitze die Verantwortung trägt, auch für den eventuellen Unsinn seiner Mitglieder. Heiko Senking, alias „Stasi“, war 15 Jahre lang Präsident des Motorradclubs MC Brenner, beheimatet in Vinstedt. Ein Präsident muss führen können. „Damals war ich verrückter. Aber ich bin es immer noch, auch bei vielen Entscheidungen im Bürgermeisteramt.“

Das Buch sei sehr provokativ geschrieben, es sei nichts beschönigt worden, stellt der Autor klar. „Ich habe sogar noch die größten Knaller raus gelassen“, stellt er mit einem breiten Lächeln klar. „Es war immer ein Ritt auf der Rasierklinge. Das war mir nicht so bewusst, aber durch dieses Buch ist es mir bewusst geworden.“ Der MC Brenner hat rund 70 Mitglieder, zwei Chapter. „Für uns als Trupp gab es keine roten Ampeln.“ Das Buch soll die unbeschwerte Zeit widerspiegeln, „als wir herumgeprollt haben“. Und ja, „es war nicht alles o.k., was wir gemacht haben, aber es ließ sich alles regeln, ich bin nie wegen einer Tat verurteilt worden. Musste viel Verantwortung tragen als Präsident, musste auch für das Verhalten meiner Mitglieder geradestehen.“

Rockerclubs und Kriminalität? Sicher gebe es Kriminalität bei Mitgliedern, aber nur zu einem kleinen Teil. „Ansonsten sind es ganz normale Menschen. Heute treffe ich teilweise ehemalige Mitglieder in meinem Alter beim Golfen.“ Die große Zeit der Motorradclubs sei vorbei, bedauert Senking, Jüngere wachsen nicht so viel nach. Der MC Brenner ist nach wie vor aktiv, er wurde schon 40 Jahre alt. „Eigentlich wollte ich eine große Dokumentation machen zum 40sten, doch dann war es mir zu aufwendig und ich habe ein Buch geschrieben“, lacht Heiko Senking.

Motorradclubs, das darf man nicht übersehen, haben auch eine wirtschaftliche Bedeutung, nicht nur beim Kauf von Steaks und Bier für ihre Feiern. Tankstellen in der Region hatten sich extra auf die Betankung der Motorräder eingestellt. Vinstedt, wo der MC Brenner beheimatet ist „hatte mehr Klicks im Internet als die Stadt Uelzen“.

„Es ist wirklich kein Buch, das in die heutige Zeit passt. Es ist gewalttätig, sexistisch, arrogant, angreifend und maßlos überheblich, aber auch ehrlich, bedingungslos und loyal“, schreibt Heiko Senking in seinem Buch. „Mir ging es auch darum zu zeigen, was die Zeit mit uns gemacht hat. Heute sind so viele Dinge, die wie gemacht haben, gar ich mehr möglich. Die Menschen sind reizbarer. Mir kam es darauf an, diese verrückte Zeit sichtbar zu machen." Man habe so viele Ideen in diese Zeit reingeschmissen. „Ich habe so viel erlebt, das würde für drei Leben reichen. Ich bin megadankbar für die Zeit und das, was ich alles erleben durfte.“

Durch dieses Buch und die Reflektion der Zeit und der Geschehnisse habe er eine andere Sicht auf sich selber bekommen, bekennt Heiko Senking. „Es hat mich milder gemacht, nachdenklicher.“ Das Buch habe etwas mit ihm gemacht, er setze jetzt andere Schwerpunkte in seinem Leben, bewusster essen und trinken, mehr Sport treiben, kurzum: er habe sich auf sich selbst besonnen. Und den Schwerpunkt mehr auf seine Familie gesetzt und seine Hunde natürlich, die auch zur Familie gehören.

Noch ein kleiner Rückblick auf die Zeit, als er in die Kommunalpolitik einstieg. „Da hieß es: der tätowierte Asoziale“, schaut er keinesfalls im Zorn zurück. Er hatte ja auch immer Spaß an der Provokation – und am Gestalten, nach wie vor.

Familienvater, Rockerpräsident, ausgebildeter Justizfachwirt, Kommunalpolitiker und Bürgermeister, und nun noch Schriftsteller. Das Interview auf dem Roten Sofa mit ihm wird sicherlich interessant! Und ob da eine halbe Stunde reicht?

Text: Gunda Ströbele