Äbtissin Angela Geschonke bei der Eröffnung, rechts im Bild der Referent Manfred Schmidt.
Der Vortrag im Refektorium des Klosters traf auf großes Interesse.
Männer, die „von oben herab“ auf Andere schauen, sind nicht notwendiger Weise eingebildete Pinkel! Manfred Schmidt, stellvertretender Leiter des Samtgemeindearchivs in Ebstorf, steht gewiss erhaben über einem derartigen Verdacht. Sein Blick von oben herab bezog sich auch nicht auf Personen, sondern erfolgte durch den Sucher seiner Kamera, und er stand dabei zwar nicht „über den Dingen“, wohl aber über den Dächern der Häuser des Klosterfleckens Ebstorf. Von dem, was er dort sah, berichtete er einem größeren Personenkreis im voll besetzten Refektorium des Klosters Ebstorf, das von Äbtissin Angela Geschonke, die auch die einleitenden Worte sprach, dankenswerter Weise für diesen Zweck zur Verfügung gestellt worden war.
Das ganze Abenteuer begann durchaus „bodenständig“, und zwar vor den Toren der Klosterkirche, präziser gesagt vor deren Kirchturm. Selbiger, schon von Haus aus für den „Eintritt in höhere Sphären“ geeignet, sollte für den nötigen Weitblick sorgen. Beim Betreten des Turmbereichs fiel zunächst ein – wie Manfred Schmidt es formulierte – „komischer Kasten“ auf. Er erwies sich als Absperrung für eine Grube, in die die Gewichte der Kirchturmuhr abgesenkt werden. Diese Uhr, die von außen betrachtet durchaus manierlich wirkt, ist in Wahrheit ca. 1,70 m hoch, und die Gewichte, die ihren Betrieb sicherstellen sollen, haben naturgemäß ein dazu passendes Format. Sich direkt darunter aufzuhalten, ist nicht unbedingt ratsam, auch nicht für den Küster zum Zeitpunkt des Aufziehens. Dessen Muskulatur wird aber nunmehr geschont: Die Antriebsgewichte des Uhrwerks werden seit 2020 per Knopfdruck durch einen E-Motor nach oben befördert.
Um in die erstrebten höheren Gefilde zu gelangen, muss man einen nur ca. 60 cm breiten Gang benutzen. Das ist nichts für Leute mit Platzangst oder solche mit einem allzu üppigen Leibesumfang. Bis man den ersten Zwischenboden erreicht, sind 24 Stufen zu überwinden. Dort ist aber noch nicht viel los: Die erste Glocke sieht man erst nach weiteren 18 Stufen. Insgesamt verfügt die Klosterkirche über deren vier! Von nun an führt eine Art „Hühnerleiter“ in größere Höhe. Dort angekommen bieten sich großartige Ansichten auf den Klosterflecken. Nun erst wird deutlich sichtbar, dass Ebstorf ein Ort im Grünen ist. Die vielen Dächer den einzelnen, von der Straßenansicht bekannten Gebäuden zuzuordnen, ist allerdings nicht immer einfach.
Manfred Schmidt hat den dort von ihm gemachten Panorama-Aufnahmen in seinem Vortrag interessanter Weise Altaufnahmen aus dem Archiv gegenübergestellt. Das verdeutlicht, welche Veränderungen der Klosterflecken in den vergangenen Jahrzehnten zu verzeichnen hatte. Zugleich weckte es aber die Abenteuerlust in unserem Referenten und verlockte ihn dazu, in noch größere Höhen vorzudringen. Das wurde allerdings nun etwas komplizierter: Weiter ging es nur über eine Art simpler „Maurerleiter“ voller Staub, Vogeldreck und Spinnweben. Sonntagskleidung ist hier durchaus fehl am Platze und ein unwilliges Brummeln der lieben Gefährtin bei der späteren Inspektion der Bekleidung immer einzukalkulieren.
Die höchstmögliche Höhe erreicht man erst, wenn man gezählte 137 Stufen (einschl. Sprossen) überwunden hat. Die Kirchturmspitze befindet sich in 36 m Höhe. Da die Winde dort besser angreifen können, als in tieferen Regionen, sind ehedem spezielle Befestigungen (als „Kaiserstil“ bezeichnet) eingebaut worden. Eine Kirchturmspitze ist schließlich kein Segelflugzeug! Am Ende der „Leiter“ führt nur noch ein schmales Brett zu einem weiteren Ausguck. Dieses enthielt allerdings ein Astloch veritabler Größe und hielt damit unseren Abenteurer zwecks Vermeidung eines allzu raschen „Abstiegs“ vom Betreten ab. Lieber suchte er stattdessen die „Ebstorfer Berge“ auf, die man über zwei Höhenstege überwinden kann. Beim Durchgang wird wiederum Staub aufgewirbelt, der sich auf einigen Fotos verewigt hat. Bei den Bergen handelt es sich übrigens um die Kirchengewölbe unter dem Dach.
Nachdem er den Ebstorfer Kirchturm zwar staubig, aber ansonsten wohlbehalten wieder verlassen hatte, suchte unser Referent die katholische Kirche „Mariä Heimsuchung“ auf, die zentraler gelegen ist und damit einen besseren Überblick über den Ebstorfer Kernbereich bot. Das Besteigen dieses Kirchturms erwies sich als weniger abenteuerlich, denn schließlich wurde er erst im Jahr 1967 eingeweiht, und da gab es schon entschieden strengere Bauvorschriften. Von dort aus bot sich ein hoch informativer Anblick über die roten Dächer Ebstorfs, die überall ordentlich aufgeräumten Hinterhöfe und das weite Umfeld. Sehr viel besser ließen sich auch einzelne interessante Bauwerke darstellen und teils auch mit einem kurzen Abriss beschreiben. Das sehr interessierte Publikum beteiligte sich dabei intensiv an der Identifizierung sowie an der Schilderung der jeweils betreffenden Historie, die teils von Manfred Schmidt wiederum mit vergleichenden Altaufnahmen belegt wurde.
Vorträge zur Ebstorfer Gegenwart und Geschichte finden im Klosterflecken immer ein zahlreiches und interessiertes Publikum, das derartige Informationen zu würdigen weiß. Langanhaltender Beifall belohnte daher den Referenten für seine hochinteressanten Ausführungen.
Text: Walter Rieckmann