Angeregte Diskussion zum Thema Fachkräftemangel in unseren Kitas mit u. a. Ministerin Julia Willie Hamburg (2. v. re. auf der Bühne) im Braunschweiger Medienhaus. Marion Idczak und Marion Olivieri waren eingeladen, um im Publikum mit zu diskutieren.
Die Veranstaltung der „Braunschweiger Zeitung“ hieß „Talk im Medienhaus: Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung“ und fand am 6. März im Braunschweiger Medienhaus des Verlages statt. Stargast auf dem Podium war Kultusministerin Julia Willie Hamburg, aber auch zwei Kita-Leiterinnen aus dem Boldecker Land durften mitreden, über dieses wichtige Thema.
Denn der Fachkräftemangel im Kita-Bereich sorgt für Personalnot, auch in den Betreuungseinrichtungen der Samtgemeinde Boldecker Land. Unsere Kita-Leiterinnen Marion Idczak (Kita Osloß) und Marion Olivieri (Hort Weyhausen) erzählten zuvor in einem Interview mit der Journalistin Eva Nick, das ebenfalls in der „Braunschweiger Zeitung“ abgedruckt worden war, „von resignierten Eltern und schwierigen Entscheidungen“, wenn es zu wenige Kita-Plätze, zu wenige Erzieherinnen und Erzieher und damit zu wenig Betreuungskapazitäten gibt.
„So ist die Situation in ganz Niedersachsen, so ist sie leider auch bei uns“, sagte Marion Olivieri dem Mitteilungsblatt. Zum selben Schluss kam – und dies war auch der Anlass für das Zeitungsinterview – das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung” aus dem Jahr 2023: Der Fachkräftemangel ist dramatisch. Viele Träger von Kindergärten und Kindertagesstätten in der Region befinden sich daher im Konkurrenzkampf ums Personal.
Ab und an gehört es für Marion Idczak zum Arbeitsalltag, gleich als erste Diensthandlung in der Kita-App eine Gruppenschließung zu verkünden. „Dieses Jahr mussten wir schon vier, fünf Mal den Betrieb runterfahren, weil nicht genug Personal da war“, berichtete sie in dem Zeitungsinterview.
Marion Idczak leitet den Kindergarten Osloß, in dem 68 Kinder in drei Gruppen betreut werden, und führt ein Team von elf pädagogischen Mitarbeitenden. Immer wieder müssten in allen Einrichtungen Betreuungszeiten eingeschränkt oder Gruppen geschlossen werden, wenn die ohnehin knappen Personalressourcen etwa durch Krankheiten weiter verringert würden.
Denn Ausfälle von Erzieherinnen und Erziehern seien generell sehr schwer abzudecken. Springerkräfte hätten oft „nur“ die Qualifikation zum sozialpädagogischen Assistenten, und das sei ein Problem. Denn laut demniedersächsischen Kita-Gesetz müssten immer zwei Erzieherinnen oder Erzieher in einer Gruppe anwesend sein.
Manchmal sorge dies für absurde Situationen, beschrieb Marion Idczak in dem Interview: „Wir haben eine Mitarbeiterin, die im Ausland eine Ausbildung gemacht hat. Die wird hier aber nicht anerkannt, deshalb kann ich sie nicht als Erzieherin einsetzen. Solche Fälle gibt es öfter: Da hat man gutes, zuverlässiges Personal mit viel Erfahrung, aber darf es nicht mit den Kindern spazieren gehen lassen.“ Weiterbildungsmöglichkeiten gebe es zwar, die seien aber aus Altersgründen oft nicht so attraktiv.
Auch Marion Olivieri sieht diese Problematik. Sie leitet den Hort in Weyhausen, in dem 51 Kinder zwischen 13:00 und 17:00 Uhr von neun Mitarbeitenden betreut werden. „Wir haben viele Jahre nach dem Motto,kriegen wir schon irgendwie hin‘ gearbeitet“, erklärte sie in dem Interview, „unter den aktuellen gesetzlichen Bedingungen geht das aber nicht mehr.“
„Ich komme gern zur Arbeit“, sagte Marion Idczak, „aber manchmal ist es wirklich schwierig.“ Die Situation sei nur zu meistern, weil das gesamte Kita-Team so gut zusammenarbeite. Olivieri pflichtete ihr bei: „Da wird schon mal der Urlaub verschoben, um die Betreuung zu gewährleisten. Das ist nicht selbstverständlich.“
Aktuell sehe die Situation in ihrem Hort daher „relativ gut aus“, erklärte sie in dem Interview: „Wir haben viele Krankheitsausfälle, weil gerade momentan viele Kinder krank werden. Aber wir bekommen es derzeit ganz gut hin.“ Bei ihr würden nur selten Betreuungszeiten eingeschränkt.
Und was sagen die Eltern, wenn die Betreuung doch mal ausfällt? Beide Leiterinnen erlebten sie „als weitgehend verständnisvoll, gut organisiert, aber auch zum Teil geradezu resigniert“. Aggressionen seien selten, sagte Idczak in dem Interview. Gerade im ländlichen Raum seien die Eltern gut vernetzt und fänden oft untereinander Möglichkeiten, die Kinder zu betreuen. Aber es gebe natürlich auch Eltern, die unter einem gewissen beruflichen Druck stünden.
Im weiteren Gespräch mit der Journalistin Eva Nick erzählten Idczak und Olivieri dann aber doch von Auseinandersetzungen mit Eltern. „Man spürt bei manchen eine gewisse Anspruchshaltung“, sagte Marion Olivieri. Auch von Übergriffigkeiten habe sie schon gehört, vor allem in Form verbaler Entgleisungen. Im Gegensatz dazu stünden die Eltern, die sich am Ende des Tages für die Betreuung ihrer Kinder bedankten. „Eine liebe, respektvolle Betreuung der Kinder ist für uns ja auch das wichtigste“, betonte Olivieri. „Die Kinder sind ja unsere Aufgabe. Der wollen wir natürlich gerecht werden.“
Umso wichtiger sei es, junge Leute jetzt für den Beruf des Erziehers, der Erzieherin, zu begeistern. „Dazu würde schon eine bezahlte Ausbildung beitragen“, meint Marion Olivieri. Vor allem auch für die Weiterbildung von der Sozialassistenz zum Erzieherberuf. „Wenn ich schon voll in meinem Beruf arbeite, will ich nicht, um mich weiterbilden zu können, auf Gehalt verzichten müssen“, sagt Marion Idczak. Das mache die Weiterbildung unattraktiv.
Problematisch sei darüber hinaus, schilderten beide Leiterinnen, dass die Betreuungszeit in vielen Einrichtungen keine acht Stunden umfasse. So könnten nur wenige Vollzeitstellen angeboten werden. „Wir haben Erzieher, die fangen morgens in einer anderen Einrichtung an, um dann nachmittags bei uns weiter zu arbeiten, damit sie auf die Stunden kommen“, sagt Hort-Leiterin Marion Olivieri.
In den Personalabteilungen der Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen spricht man daher durchaus vom „Konkurrenzkampf um Fachkräfte“: Bewerber/innen können derzeit nahezu frei wählen, wo sie arbeiten möchten. Das tarifliche Einstiegsgehalt liegt aktuell bei 3300 Euro brutto für Erzieherinnen und Erzieher.
Marion Olivieri und Marion Idczak erleben diese Bewerbersituation ähnlich, wollten aber nicht von einem Konkurrenzkampf sprechen. Im Interview in der „Braunschweiger Zeitung“ warben sie lieber auf emotionaler Ebene für sich und das Boldecker Land, mit seiner familiären Atmosphäre: „Wenn alle wüssten, wie schön es bei uns ist, würde niemand mehr woanders arbeiten wollen“, sagte Marion Olivieri. Und meint es auch so.