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Samtgemeinde Boldecker Land
Ausgabe 4/2025
Aus der Samtgemeinde
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Aus den Schulen

Philipp Hübl stellte sich den Fragen der 24 Vertreter*innen des Kinderparlaments an der Grundschule Weyhausen

Philosophen finden gemeinhin Antworten auf die grundlegenden Fragen des Lebens – wenn es Antworten gibt. Denn was passiert, wenn Kinder diese Fragen stellen, und die lauten dann so: „Warum bin ich ein Mensch und keine Ameise?“ – „Gibt es Gott, und wer hat ihn erschaffen?“ – „Wieso sieht man keine Einhörner?“

Dieser Herausforderung stellte sich in der vergangenen Woche der in Berlin lebende Philosoph und Publizist Philipp Hübl an der Grundschule Weyhausen. In einer 45 Minuten dauernden Unterrichtsstunde versuchte er, die Fragen von 24 Kindern aus der ersten bis vierten Klassenstufe zu beantworten, die diese zuvor aufgeschrieben hatten. „Zum Einhorn sind wir nicht mehr gekommen“, bekannte Hübl hinterher.

Dazu reichte einfach die Zeit nicht aus, denn er habe ja auch den Kindern zuhören müssen, sagt der Vater einer einjährigen Tochter. Dabei seien die kleinen Kinder mutiger gewesen als die älteren. Für ihn war der Besuch einer Grundschule in dieser Weise eine Premiere, bisher habe er nur mit Schülerinnen und Schülern ab der 9. Klasse über philosophische Fragen gesprochen.

An der ungewöhnlichen Unterrichtsstunde teilnehmen, durften die von den Kindern selbst gewählten Vertreter*innen des Kinderparlaments an der Grundschule Weyhausen, wo seit gut einem Jahr auch einmal in der Woche der Klassenrat tagt.

Doch zunächst ging’s damit los, dass die Kinder Begriffe definieren sollten. „Damit wir auch wissen, dass alle das gleiche meinen“, sagt Schulleiterin Gabriella Di Biase, die die Idee hatte, den Philosophen, dessen Bücher (z.B. „Die aufgeregte Gesellschaft“, „Bullshit-Resistenz“) sie persönlich sehr schätzt, in ihre Schule einzuladen. Geübt wurde anhand von Alltagsbegriffen, wie „Tante“, „Großmutter“ oder „Schlamm“. Bei „Gerechtigkeit“ wurde die Begriffsbestimmung dann schon diverser.

Der zweite Teil der Unterrichtsstunde war ein Gedankenexperiment: Was würdest du tun, wenn du unsichtbar wärst? Würde die Unsichtbarkeit zu Lügen und anderen verwerflichen Taten verleiten? „Erstaunlich. Einige Kinder haben tatsächlich gesagt, dass sie - wenn sie unsichtbar sein könnten - Dinge tun würden, die sie eigentlich für einen Fehler halten.“ Hier schaffte es Hübl, große Philosophie auf Augenhöhe der Kinder in den Unterricht einfließen zu lassen, denn das Gedankenexperiment basierte auf Platons Ring des Gyges, der unsichtbar werden lässt.

Zum Schluss wurden dann die Fragen der Kinder der Reihe nach abgearbeitet, bis der Pausengong erklang. Aber manch eine Antwort bleibt auch ein Philosoph schuldig: „Bei vielen Fragen weiß keiner die Antwort“, sagt Hübl. Auch das ein Lerneffekt für die Kinder: „Sie lernen, dass auch Erwachsene nicht immer auf alles eine Antwort haben.“

Schulleiterin Gabriella Di Biase war jedenfalls restlos zufrieden mit der Umsetzung ihrer Idee, von der Schulstunde mit einem Philosophen. „Kinder haben so viele Fragen. Oft verlernen sie leider während der Schulzeit, Fragen zu stellen.“ Wie auch Hübl ist sie der Meinung, dass Philosophie fester Bestandteil an deutschen Schulen sein sollte.

„Besonders in den Zeiten der politischen Polarisierung, wo es um Desinformation geht und die Frage falsch oder wahr, ist es gut, Dinge hinterfragen zu können“, sagt Philipp Hübl, für den Kreativität und kritisches Denken die Fähigkeiten sind, mit denen man Kinder heute ausstatten sollte. Die Flut an Videos mit markigen Inhalten sich selbstsicher und allwissend präsentierender Akteure auf der Plattform Tiktok sei eine große Gefahr und nur mit wachem, kritischem Geist zu bewältigen.

Das Thema Philosophie wird die Kinder an der Grundschule Weyhausen auch weiter beschäftigen: „Wir bieten AGs (Arbeitsgemeinschaften) an, die jeweils ein halbes Jahr dauern, und ab dem Sommer wollen wir auch eine Philosophie-AG anbieten“, sagt Gabriella Di Biase.

Text: Pressestelle der Samtgemeinde/
Fotos: Grundschule Weyhausen

Weitere Informationen zu Philipp Hübl finden Sie auf Wikipedia unter https://wikipedia.org/wiki/Philipp_Hübl

Wissenswertes über „Platons Ring des Gyges“ lesen Sie hier: https://www.philoskop.org/blog/ring-des-gyges-platon