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Ausgabe 10/2024
Wulften
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„Neues Altes“ aus Wulften

Die „LandFrauen Wulften“ trafen sich mit Dieter Greunig wieder einmal zu einem geschichtsträchtigen Rundgang durch Wulften.

Dieter Greunig, der Kulturwart des Heimat- und Geschichtsvereins, begrüßte die Gruppe interessierter LandFrauen auf dem Anger, ehemals „Allmende“ genannt. Zunächst richtete sich der Blick auf den Netto-Markt, auf dessen Gelände sich früher die Diskothek „Sham“ befunden hat. Über die Wulftener Grenzen hinaus war die Disco bis Anfang der ´90 Jahre ein magnetischer Anziehungspunkt für die Jugend.

Am Netto-Markt vorbei bog die Gruppe danach ab in den „Winkel“. Sie erfuhren, daß vor ca. 150 Jahren die Eigentümer von Haus- und Grundbesitz eingeteilt wurden in Meierhöfe, Kötner und Anbauern. Eine der Großkothstellen war das Haus Nr. 90, ehemals August Mißling (Pappel-August), jetzt Winkel 7 und die Großkothstelle mit Meierhof Haus Nr. 91, ehemals Wilhelm Heise, jetzt Winkel 23. Weiter ging es zur Ecke „An der Bahn“. Die Reihe der kleineren Häuser hier trugen die alten Hausnummern 160 -164 und 171 -177. Mit einem kleinen Garten versehen wurden diese Häuser einst von Anbauern errichtet. Sie waren Handwerker und Tagelöhner, die sogenannten „kleinen Leute“, die nur eingeschränkte Weiderechte in Wulften hatten.

Vorbei ging es am ehemaligen Textilhaus Strüver bis zum frisch renovierten Schützenhaus. An das Textilhaus Deppe, dem Beginn der Mühlenstraße, werden sich vermutlich noch einige gut erinnern. Warum es landläufig immer als Deppen in de´ Post bezeichnet wurde, wissen vielleicht nur noch die Wenigsten. Im Jahr 1889 nämlich wurde das Gebäude als Wulftener Posthaus errichtet und im Jahr 1910 von der Familie Deppe gekauft. Auch über den auf der anderen Seite der Bahn liegenden Bahnhof konnten die Landfrauen einiges Wissenswertes erfahren. 1868 erfolgte der Ausbau der Eisenbahnlinie Northeim-Nordhausen. Später im Jahre 1889 kam die Eichsfeldbahn hinzu, die schon im Jahre 1974 ihren Betrieb wieder einstellte. Wulften verfügte bereits 1879 über eine Haltestelle und seit 1889 über einen Bahnhof mit einem repräsentativen Gebäude. Direkt gegenüber befindet sich das jetzige Büro- und Geschäftshaus der Firma Gebrüder Gropengießer, das zu der Zeit als Gast- und Logierhaus diente.

Weiter ging es entlang der Oder vorbei an der „Gänsewiese, an die sich noch einige der älteren Teilnehmerinnen erinnern konnten. Seit 2007 ist dieser Bereich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der aus dem Bett der Oder abgebaute Kies war ein begehrter Rohstoff und musste anfänglich per Hand aufgeladen werden. Die frühere Firma „Südharzer Cementwarenfabrik“ produzierte auf dem „Röhren Platz“ (jetzt Tennisplatz) verschiedene Betonartikel wie z.B. Röhren, Fußwegplatten, Betonpfosten, Treppenstufen usw.. Der Transport zum Bahnhof erfolgte über eine Loren-Brücke. Kies aus weiter entfernt liegenden Abbaustätten wurde per Kleinbahn transportiert, denn das Kiesbett reichte bis zur Hattorfer Grenze. Die Firma Gropengießer, die im Jahr 1926 gegründet wurde, betrieb ebenfalls den Kiesabbau aus der Oder über viele Jahre.

Nach einer kurzen Trinkpause am Sportplatz ging es zurück durch die Waßmannstraße. Hier wies Dieter Greunig auf die Spar-und Darlehnskasse hin, die sich bis zum Neubau des Bankgebäudes am Anger im Jahr 1964 etliche Jahre im Haus der Familie Wode befunden hat. Ein wichtiger Standort für verschiedene andere industrielle Firmen war ebenfalls das Gelände der jetzigen Tennisplätze. So sind hier die Anfänge der Firma “Reifen Ehrhardt“ zu verzeichnen und die Firma Tropitsch stellte dort Steppdecken her. Diese Firmen benötigten natürlich Arbeitskräfte und diese wiederum geeigneten Wohnraum. Es entstanden in der Bilshäuser Straße südlich der Oderbrücke mehrere Häuser, von denen zwei später von Ärzten übernommen wurden.

So wandelte sich Wulften langsam aber stetig von seiner rein ländlichen Struktur zu einem mittelständischen Dorf.

Nach diesem informativen Rundgang ging es zurück in Hermanns-Scheune. Hier wurden die Teilnehmerinnen bereits mit einem leckeren Vesper und kühlen Getränken vom Team des Heimat- und Geschichtsvereins erwartet. Ute Lohrengel, die Vorsitzende der LandFrauen, bedankte sich bei Dieter Greunig für seinen Rückblick auf die Wulftener Geschichte, den er mit viel Detailwissen und Anekdoten versehen hatte. So erfuhren gerade die jüngeren LandFrauen einiges „neues Altes“ über ihr Dorf.

Bild und Text: Helga Heise / Dieter Greunig/ alte Fotos: Verein