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Samtgemeinde aktuell Gieboldehausen
Ausgabe 1/2025
Heimatkundliche Beiträge
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Use Willi wäre 100 Jahre geworden

Hommage auf das bewegte Leben des erfolgreichen Kaufmanns und Politikers Willi Döring

Von Ortsheimatpfleger Alois Grobecker

Es war nie die Art des Geschäftsmannes und Politikers Willi Döring von sich und seiner Arbeit viel Aufhebens zu machen. Er selbst hatte es auch gar nicht nötig, sich und sein Werk in den Mittelpunkt zu stellen.

Willi Döring war dem Leben zugetan. Über 45 Jahre hat er sich auf unterschiedlichen politischen Ebenen für die Region und die Menschen engagiert. Ansporn und Kraft für seine weitreichenden Ämter und Aufgaben als Ratsherr und später als Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Gieboldehausen, als Kreistagsabgeordneter, als Landtagsabgeordneter und Landrat des Landkreises Duderstadt und Großkreises Göttingen schöpfte er aus seiner Heimatverbundenheit und tiefen Verwurzelung im christlichen Glauben und der Familie.

Willi Döring, am 05. Dezember 1924 geboren, besuchte die Volksschule und absolvierte danach eine kaufmännische Lehre im Duderstädter Tapetenhaus Paul Brauhardt. Mit 18 Jahren war er als Soldat im Zweiten Weltkrieg, wurde verwundet und geriet 1944 – 1946 in Kriegsgefangenschaft. Von 1946 – 1948 Angestellter in der Elektro-Großhandlung Friedrich Meier in Duderstadt; er machte sich 1948 selbstständig und blieb es, wirtschaftlich wie politisch, bis zu seinem Tod am 21. Mai 1997.

Auf dem Flur und im Keller seines elterlichen Hauses von Karl und Katharina Döring, Im Postwinkel 5, eröffnete Willi Döring am 01. April 1948 ein Tapeten-, Linoleum- und Farben-Verkaufslager. Er war Chef und Mitarbeiter in einer Person bis er am 15.11.1949 seine Frau Annemarie heiratete. Und nun begann ein steiler Erfolgsweg.

Dass diese erfolgreiche Arbeit von kleinsten Anfängen möglich war, hat Willi Döring in einem ganz besonderen Maße seiner Ehefrau Annemarie zu verdanken. Während er in den Parlamenten und Ausschüssen tätig war, im ganzen Lande umherfuhr und für das Eichsfeld so manchen Strauß gefochten hat, lief zu Hause, in der Familie und im Geschäft alles seinen gewohnten Gang. Seine „Geschäftsführerin“ war da. Sie pflegte den Kontakt zu allen Kunden und ein treuer und guter Mitarbeiterstamm unterstützte sie und den Chef an der erfolgreichen Weiterentwicklung dieses aus bis zu 16 Beschäftigten gewachsenen Unternehmens. Mit ihrem kaufmännischen Talent entlastete sie ihren Mann, damit er sich seinen politischen Ämtern widmen konnte.

Willi Döring wurde im Jahre 1952 Mitglied in der CDU und machte rasch in der Kommunal- und Landespolitik Karriere. Innerhalb seines Wirkungskreises gab es nahezu kein Amt in Partei, Gemeinde, Landkreis und Land, das er nicht über einen längeren Zeitraum ausfüllte. Von 1952 bis 1981 war er Mitglied des Rates seiner Heimatgemeinde Gieboldehausen, davon 17 Jahre (1964 – 1981) als Bürgermeister. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, all seine Verdienste um seine Heimatgemeinde Gieboldehausen aufzuzählen. Daher sollen sie schwerpunktmäßig genannt werden: Bau der Realschule, Rathausneubau, Ortssanierung, Bau- und Gewerbegebiete, Bau der Kanalisation und des Klärwerkes, Neubau des Sportplatzes u.v.a.

Besucher und Einheimische, die offenen Auges durch Gieboldehausen schlendern, werden an vielen Giebel- und Geäudewänden beeindruckende Zeichnungen oder Bilder finden. Die meisten von ihnen gehen auf die Initiative von Willi Döring zurück, der sich seit vielen Jahren zum Ziel gesetzt hatte, seine Heimatgemeinde zu verschönern.

Bei den Kommunalwahlen am 09.11.1952 wurde Willi Döring in den Rat seiner Heimatgemeinde des Fleckens Gieboldehausen gewählt. Zwischen seinem ersten Einsatz als Ratsherr und seiner letzten Kreistagssitzung als Landrat am 18. 09.1991 lagen rund vier Jahrzehnte unermüdlicher Arbeit für die Menschen seiner Heimat, des Eichsfeldes und des großen Landkreises Göttingen.

Er war Kreistagsabgeordneter von 1956 bis 1991. Im Jahre 1963 wurde Willi Döring mit 39 Jahren zum Landrat des damaligen Landkreises Duderstadt gewählt. Mit einer Wahlperiode Unterbrechung, nämlich der Zeit von 1976 bis 1981, in der ihn Klaus-Peter Bruns (SPD) als Landrat des Großkreises Göttingen ablöste, wirkte Willi Döring demnach insgesamt 23 Jahre lang als Landrat. Neben seiner Tätigkeit als Ratsherr, Bürgermeister und Landrat war er dann noch 27 Jahre Mitglied des Niedersächsischen Landtages in der 6. bis 12. Wahlperiode (1967 – 1994).

Das ist das eine, das ihn und sein politisches Wirken auszeichnete, den jahrzehntelangen aufreibenden Einsatz für die Menschen seiner Heimat. Ermessen kann man diese Leistungen nur, wenn man bedenkt wie viele Sitzungen Tag für Tag, Abend für Abend damit verbunden waren. Das Leben von Willi Döring war geprägt von einer dicht geknüpften Kette von Terminen der unterschiedlichsten Art. Wer einmal die Gelegenheit hatte, einen Blick in den penibel geführten Terminkalender des Vollblutpolitikers zu werfen, kam schnell ins Staunen. Und so gab es in den fast vier Jahrzehnten seines politischen Wirkens kaum ein wichtiges Ereignis im Bereich des Untereichsfeldes und des Großkreises Göttingen, bei dem Willi Döring nicht dabei war.

Seine volkstümlichen, temperamentvollen, mit Zitaten gewürzten Grußworte und Reden – wenn es passend war – auch humorvollen Ausführungen waren bekannt und beliebt und wurden stets mit allgemeinem und wohlwollendem Beifall quittiert. Typisch für ihn waren auch seine persönlichen Präsente wie z.B. alte Münzen, die das Datum des jeweiligen Geburtstagsjubilars aufwiesen, ein Eichsfelder Mauerstein mit dem Niedersachsenross oder auch passende Fotos und Zeitungsausschnitte. Die zeigten, wie er sich mit jedem Ereignis und jeden einzelnen Mitbürger befasste. Willi Döring war ein Vertreter des Volkes, der das Leben und die Sorgen seiner Mitmenschen kannte und die ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde und im Kreis aufgrund eigener Lebenserfahrungen als eine Pflicht ansah.

„Tapeten-Willi“ – wie er ebenso liebevoll-knapp wie unter Hinweis auf das von ihm und seiner Frau Annemarie erfolgreich geführte Malerfachgeschäft im Eichsfeld und zunehmend darüber hinaus genannt wurde – war ein Mensch, dessen Anziehungskraft sich niemand, der ihm begegnete, entziehen konnte. Seine Popularität war buchstäblich grenzenlos. Alle kannten Willi Döring und Willi Döring kannte alle, die Großen wie die Kleinen. Kaum ein Politiker von Rang aus Bund und Land, der nicht an seinem Tisch im Postwinkel gesessen hatte. Wichtiger war ihm jedoch die Freundschaft des sogenannten „Kleinen Mannes“, der mit seinen Sorgen und Nöten jederzeit Einlass, Gehör und Hilfe bei ihm gefunden hat. „Use Willi“ nannten ihn seine Eichsfelder – und er wurde diesem Anspruch weit über das Eichsfeld hinaus gerecht.

Zur offiziellen Feier des 60. Geburtstages des Kommunalpolitikers und Landtagsabgeordneten hatte der Landkreis Göttingen ins Schützenhaus Gieboldehausen eingeladen und die Familie Döring hatte für die Gäste Hausgeschlachtetes und Getränke bereitgestellt. Willi Döring war zwar kein Landesvater, aber er war fast so populär – über Parteigrenzen hinweg. Der Ministerpräsident Ernst Albrecht kam mit dem halben Kabinett nach Gieboldehausen. Die Schlange der Gratulanten nahm im Gieboldehäuser Schützenhaus kein Ende. Willi Döring nahm zwei Stunden lang ununterbrochen Glückwünsche entgegen und dankte dabei jedem Gast mit ein paar persönlichen Worten. Am Vortag seines 60. Geburtstages hat der Flecken Gieboldehausen am 4.12.1984 ihn in einer Feierstunde im Rathaus zum Ehrenbürgermeister ernannt. Er hatte längst vor seinem 60. Geburtstag so ziemlich alle Auszeichnungen und Ehrenzeichen empfangen, die der Staat zu vergeben hat.

Der „Gute Mensch“ aus Gieboldehausen, wie Willi Döring von seinen vielen Freunden im ganzen Land genannt wurde, hat Jahrzehnte lang seine Kraft und Zeit für das Allgemeinwohl eingesetzt. Er hat sich um seine Eichsfeld-Heimat, um die südniedersächsische Region und um das ganze Land Niedersachen verdient gemacht.

Willi Döring, der seine Arbeit immer überparteilich verstand, verpasste kaum einen Termin, seien es Geburtstage, Vereinsjubiläen oder wichtige Sitzungen und Verhandlungen. „Use Willi“, wie die Gieboldehäuser und Eichsfelder ihn liebevoll nannten, war ein Eichsfelder Urgestein, ein Vollblutpolitiker, der den Kontakt zu seinen Mitbürgern fand. Beliebt war Döring, der sich stets als Repräsentant aller Eichsfelder verstand und für den mit der deutschen Wiedervereinigung ein Traum in Erfüllung ging.

Trotz aller Arbeitsbelastung strahlte er stets menschliche Wärme aus, lachte gern und schenkte jedem Gesprächspartner seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Den Begriff „Politischer Gegner“ ließ er nicht gelten. Der CDU-Mann hatte auch in der sozialdemokratischen Partei viele Freunde, die seine noble, faire Art schätzten. So etwa bei Ministerpräsident Gerhard Schröder, der persönlich Willi Döring im Jahre 1994 zu Hause im Postwinkel abholte, um ihn bei der Eröffnung der Landesausstellung „Natur im Städtebau“ in Duderstadt dabei zu haben.

Wenige Monate später, an seinem 70. Geburtstag, hatte seine Krankheit Willi Dörings Gesundheit bereits so stark angegriffen, dass er seine vielen politischen und persönlichen Freunde und Wegbegleiter nicht mehr empfangen konnte.

Nach langer schwerer Krankheit verstarb am 21. Mai 1997 Willi Döring im Kreise seiner Familie. Rund 1500 Trauergäste bekundeten ihre Verbundenheit mit dem verstorbenen Politiker und dessen Familie. Viele Worte der Verehrung und des Dankes wurden dem Verstorbenen in den Trauerreden nach dem Requiem in der Pfarrkirche St. Laurentius zuteil. In einem nicht enden wollenden Trauerzug wurde sein Leichnam am 26. Mai 1997 in einem Eichensarg von der Kirche zum Friedhof geleitet.

Er ging als junger Mann in die Politik, nicht um Karriere zu machen, sondern um zu helfen. Willi Döring war ein Kämpfer und zugleich ein Mann des Ausgleichs. Er war kein Partei-Egoist, sondern über Parteigrenzen hinweg ein verlässlicher Partner und Streiter für die als gut und richtig erkannte Sache. Sein unermüdliches, jahrzehntelanges und mit vielen Entbehrungen im privaten und gesundheitlichen Bereich verbundenes Engagement in der Kommunal- und Landespolitik sowie seine herausragenden Verdienste um das Wohl der Bevölkerung waren außergewöhnlich und werden uns unvergessen bleiben.

Fotos: Privat / Archiv Geschichtswerkstatt

Text und weitere Fotos unter: hvv-gieboldehausen.de/Geschichtswerkstatt