Die Heimatpflegerin Irmlinde Florian stellt wieder ein Gedicht ihrer Mutter Irmgard Odernheimer vor, dass diese als Feldpost an ihren Mann Horst Odernheimer nach Winniza in Ostpreußen geschickt hatte.
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Rathen, am 10. Juli 1944
Das Orakel
Einst pflanzten wir einen Apfelbaum
in unserm Rathener Garten.
Doch als dann Jahr um Jahr verging
und nie eine Frucht an den Zweigen hing,
vergaßen wir darauf zu warten.
Doch in einem Frühling, da hat er geblüht
und strahlte im Festgewande,
es war in dem Jahr als du mich gefragt,
und ich hatte dir mein Jawort gesagt,
wir knüpften Verlobungsbande.
Meine Mutter sagte darob erfreut:
„das ist ein gutes Zeichen,
wie des Baumes Triebe
so blühet eure Liebe“
doch ich sprach: „ Willst du vergleichen?
Dann kann unser Glück nur vollkommen sein
und immerdar bei uns bleiben,
wenn nach den Blütentagen
der Baum wird Früchte tragen,
es genügt nicht das Blütentreiben.“
Und der Baum trug bald Früchte,
und von da an jedes Jahr,
doch in diesem muss er sich neigen
von der schweren Last an den Zweigen.
Ich glaube, dass gute Orakel wird wahr.