Dr. med. Harten Voss stellt als Sprecher des Forums Gesundheit des Unternehmerverbands den Ablauf des Abends und den Referenten vor.
Dr. med. Ralf Aring begrüßt die Gäste im Ratssaal.
Dr. Aring (von links) erhält ein Gastgeschenk aus den Händen von Dr. Voss.
hm. Auf dem Lande stehen immer weniger Ärzte für immer mehr Patienten zur Verfügung, so dass die Patientenversorgung nicht einfacher wird. Liegt Lebensgefahr vor, wie beispielsweise bei einem Herzinfarkt, ist sofort der Notdienst unter 112 zu rufen und Notarzt, Rettungswagen oder gar Hubschrauber werden alarmiert. Hat sich ein Patient am Wochenende in den Finger geschnitten und steht nicht in Lebensgefahr, soll der Bereitschaftsdienst unter 116117 gerufen werden. Hier entscheidet ein Disponent, wo die nächste ärztliche Hilfe geleistet werden kann, um die Schnittwunde zu versorgen.
Wenn der Patient selber nicht mehr fahrtüchtig ist, übernehmen Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde die Fahrt zum Arzt, denn Rettungswagen und Hubschrauber sollen zur Lebensrettung zur Verfügung stehen. Früher standen beispielsweise dem Celler Nordkreis mehr als 25 Ärzte zur hausärztlichen Versorgung zur Verfügung, die sich die Versorgungsdienste in den Abendstunden und am Wochenende teilten. Heute sind dies nicht einmal zehn Ärzte, die immer mehr Patienten im Celler Nordkreis versorgen müssen.
Damit diese ärztliche Versorgung auch weiterhin gesichert ist, wurde der Bereitschaftsdienst mit deutschlandweiter Rufnummer 116117 - eine Telefonnummer, die um eine Zahl größer ist als die Telefonnummer zum Sperren der Kredit- und Geldkarten 116116 - vor knapp 20 Jahren als Resultat einer ähnlichen Veranstaltung in Faßberg mit rund 300 Teilnehmern von Dr.-Ing. Hans Mehles ins Leben gerufen und die seit rund 10 Jahren bundeseinheitlich zur Verfügung steht.
Zu dem Thema „Ärztliche Versorgung auf dem Lande - Was ändert sich?“ hatte das Forum Gesundheit des Unternehmerverbands Südheide in den Ratssaal ins Hermannsburger Rathaus geladen. Rund 50 Interessierte füllten den Saal. Der Sprecher des Forums Gesundheit Dr. med. Harten Voss begrüßte das Publikum und stellte die Problematik sowie die Protagonisten vor. Er startete seine Ausführungen mit einem Bericht aus der Celler Zeitung vom 1. November 2025 mit dem Titel „Das Gesundheitswesen? Gut - aber nicht überall!“, aus dem auch die aktuelle ärztliche Versorgung in Niedersachsen erläutert wurde.
Hier unterstrich in einer deutschlandweiten aber nicht repräsentativen Umfrage von über 25000 Menschen, was die befragten Menschen bewegt. Bei der Frage „Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf bei der Gesundheitsversorgung in Deutschland?“ stimmten knapp 60 Prozent für die „Medizinische Versorgung auf dem Lande“. „Aus der Umfrage wurde ersichtlich, dass die Versorgung auf dem Lande nicht gut ist, aber sonst sind die meisten zufrieden“, sagte Dr. Voss in seinen einleitenden Worten. Und genau diese Frage sollte an diesem Infoabend erörtert werden.
Dazu hatte der Unternehmerverband Dr. med. Ralf Aring aus Celle, Kreisstellensprecher der Kassenärzte im Landkreis Celle von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Niedersachsen, einer Körperschaft öffentlichen Rechts, gewinnen können, den Menschen diese Problematik näher zu bringen. Dr. Aring stellte sich kurz vor, denn er sieht sich als Sprachrohr nach Hannover, wo der Sitz der KV Niedersachsen ist. Es geht darum, die ambulante Patientenversorgung sicher zu stellen, denn immer weniger Ärzte müssen immer mehr Patienten versorgen. Während 2020 noch mehr als 5000 Hausärzte dies sicherstellten, stehen gemäß einer Prognose 2035 nur noch 3750 Hausärzte zur Verfügung.
Weil die Anzahl der weiblichen Bewerber für einen Studienplatz wegen besserer Abiturnoten gegenüber ihren männlichen „Konkurrenten“ immer mehr ansteigt, steigt auch die Anzahl der weiblichen Ärzte, die jedoch ein anderes Arbeitsziel verfolgen. Die Ärztinnen wählen nicht mehr die Vollzeitbeschäftigung, wie es bei den Ärzten früher mit bis zu 70 Arbeitsstunden im Monat vorherrschte, sondern nutzen mehr und mehr die Teilzeitbeschäftigung, um als Angestellte nicht mehr selbständig ihrem Beruf nachzugehen. Je näher die Praxis einer Stadt oder Großstadt oder gar in einer Stadt liegt, desto günstiger ist gemäß einer Prognose der Versorgungsgrad durch die Hausärzte.
Dabei gibt es „weiße“ Gebiete, die keine zusätzliche Praxis erlauben, und „dunkelrote“ Gebiete, in denen der Ärztemangel besonders hoch ist. Während südlich von Celle die Versorgung gut ist, liegt der Celler Nordkreis in einem hellroten Bereich. Für die ambulante ärztlich Versorgung steht heute den Menschen an den Abenden und am Wochenende der Bereitschaftsdienst der Hausärzte unter der Telefonnummer 116117 zur Verfügung. Ein Disponent sorgt dafür, dass schnellstmöglich ein Hausarzt sich dem Patienten annimmt und der Patient erfährt am Telefon, welcher Arzt oder welche Praxis zur Verfügung steht.
Sollte sich im Gespräch herausstellen, dass sich der Patient in Lebensgefahr befindet, wird sofort der Rettungswagen, Notarzt oder Rettungshubschrauber in Bewegung gesetzt. Geraten die Menschen in lebensbedrohliche Situationen, so ist sofort der Notdienst 112 zu alarmieren. Auch hier sorgt ein Disponent dafür, dass die optimale Lebensrettung zum Einsatz kommt. Weil nur eine begrenzte Anzahl von Ärzten zur Verfügung steht, ist es besonders wichtig, den Notarzt nur in lebensbedrohlichen Fällen zu rufen. Wenn keine Lebensgefahr droht, stehen die Hausärzte und Praxen des hausärztlichen Bereitschaftsdienstes zur Verfügung, um die ärztliche Versorgung, beispielsweise an den Wochenenden, zu gewährleisten, so dass die Notärzte für lebensbedrohliche Einsätze entlastet werden, betonte Dr. Aring.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum zeigte sich, dass die Menschen den persönlichen Kontakt mit dem helfenden Personal wünschen und nicht in Zukunft per Tele-Medizin behandelt werden wollen. Auch die Konzentration von Ärzten in Polykliniken, wie diese aus sozialistischen Zeiten bekannt sind, werden von den Patienten nicht gewünscht, weil es solche Kliniken nicht auf dem Lande gibt und die Wege zu weit sind. Dagegen werden regionale Versorgungszentren bevorzugt, damit auch die ländliche Bevölkerung Zugriff auf Spezialisten hat. Damit sich mehr Ärzte auf dem Lande niederlassen, wird angestrebt, eine Landarztquote einzuführen. Darüber hinaus wurde der Wunsch geäußert, die altbekannte Gemeindeschwester wieder zu beleben. Es wurde festgestellt, dass das Hausarztmodell gut war, jedoch fehlen dazu heute die Ärzte. Abhilfe soll eine Präsenzpflicht der Hausärzte schaffen, denn es gibt immer weniger selbständige Praxen.