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Hermannsburger Rundschau
Ausgabe 2/2025
Aktuelles
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Aktuelles

Prof. Dr. Kirschstein in der Bildmitte, rechts der Ortsvereinsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Nordkreis Celle, Rolf Kuhlmeyer.

hr/gs. In der zweiten Januarwoche hat Prof. Dr. Martin Kirschstein in einem Vortrag im EBH (Evangelischen Bildungszentrum Hermannsburg) das sog. Cannabisgesetz kritisch unter die Lupe genommen. Prof. Dr. Kirschstein ist ehemaliger Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am AKH Celle. Seit Jahren bietet Prof. Kirschstein in der Kinderklinik Bult in Hannover eine spezielle Nieren- und Rheuma-Sprechstunde für Kinder an. Für die Grünen engagiert er sich in der Gesundheitspolitik in Niedersachsen wie im Bund.

Ausgangspunkt für seinen Blick auf die Teillegalisierung von Cannabis war ein Passus aus dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung von 2021: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet sowie der Schwarzmarkt trockengelegt."

Zum Einstieg wurde Hanf naturwissenschaftlich verortet. Neben dem unbedenklichen Hanf (Cannabis indica), auch Nutzhanf genannt, lenkte der Referent sein Augenmerk für den Rest des Abends auf die Sorte Cannabis sativa, aus deren weiblichen Pflanzen die psychoaktiven Substanzen THC und CBD gewonnen werden können.

Erhebliche Gefahr für Psyche und Körper besteht dann, wenn der THC-Gehalt in den berauschenden Produkten besonders hoch ist. Hierbei spielt Haschisch, das aus dem Harz der weiblichen Pflanzen von Cannabis sativa gewonnen wird, eine herausragende Rolle. Neuerdings wird auf dem Schwarzmarkt Haschisch mit einer THC-Konzentration von 30 % gehandelt.

Prof. Kirschstein warnte eingehend vor den medizinischen Gefahren durch Cannabis-Gebrauch (THC):

• Psychische Gefahren: akut z.B. Enthemmung, Gedächtnisverlust, Angstzustände oder Halluzinationen; langfristig z.B. Psychosen, Suizide, Herz- und Lungenerkrankungen

• Erhöhte stationäre Aufnahme von Jugendlichen in den Jahren 2023/2024

• Anstieg von Verkehrsunfällen

Hinzu kommen soziale Probleme wie Schulversagen oder Jobprobleme.

Was gilt seit Inkrafttreten des Gesetzes mit dem 1. April 2024? Elementare Regelungen:

Maximal 50 Gramm getrockneter Cannabis dürfen Konsumenten zu Hause besitzen. Unterwegs im öffentlichen Raum darf man 25 Gramm mit dabeihaben. Der Stoff darf nur für den Eigenkonsum genutzt werden. Eine Weitergabe an Minderjährige wird streng bestraft, genauso wie der Handel mit der Droge. Cannabis-Clubs dürfen dem Gesetz zufolge maximal 25 Gramm der Droge pro Tag an ihre Mitglieder abgeben und maximal 50 Gramm pro Monat.

Für junge Mitglieder zwischen 18 und 21 Jahren gelten andere Regeln. Sie erhalten höchstens 30 Gramm im Monat. Bei ihnen gibt es auch eine Begrenzung für den Gehalt des Rauschmittelns Tetrahydrocannabinol (THC) – dieser darf nicht über zehn Prozent liegen.

Wie sieht die Realität aus der Sicht von Prof. Kirschstein neun Monate nach der Teillegalisierung aus – ist es so gekommen, wie im Koalitionsvertrag avisiert?

• Das Gesetz besteht aus 44 Paragraphen mit teilweise schlecht zu kontrollierenden Vorschriften. Ist das komplizierte Regelwerk des Cannabis-Gesetzes also „wasserdicht“?

• Es gibt keine bundeseinheitlichen Zuständigkeiten für Antragsfragen.

• Es gibt internationale Regelungen, die auch dem nach einem Bundesgesetz organisierten Verkauf von Drogen widersprechen.

• Die Teilfreigabe von Cannabis ab 18 Jahren ist zu früh, weil die psychisch schädlichen Auswirkungen von THC mindestens bis zum Alter von 25 erheblich sind.

• Die Zahl der Cannabis-Clubs ist Stand heute erstaunlich gering. Im Oktober 2024 lagen 361 Anträge und 29 Genehmigungen vor.

• Wer produziert die legalen Drogen?

• Eine Aufklärungskampagne ist aktuell nicht erkennbar.

• Keine Spur von Suchtprävention oder zielgerichteter Beratung ist erkennbar.

• Die lt. Gesetz erlaubten THC-Werte im Blut im Straßenverkehr sind zu hoch.

Fazit von Prof. Kirschstein: „Bei 3 Millionen Konsumenten brauchen wir 6000 Klubs. Bliebe es beim bisherigen Tempo der Club-Genehmigungen würde das auf Jahrzehnte hinauslaufen. Die Vision des Koalitionsvertrages war es, dass der Schwarzmarkt trockengelegt wird, der Jugendschutz greift und es hohe Steuereinnahmen gibt. Das ist nicht absehbar.“

Elementar bleiben die ernsten Gefahren, die vom THC-Konsum ausgehen. „Eine Alternative liegt in einer abgestimmten Legalisierung in allen 27 Ländern der EU, die Konsumenten schützt und den Handel entkriminalisiert“, so Prof. Kirschstein. Nach einer angeregten Frage- und Diskussionsrunde wurde die Veranstaltung unter großem Beifall beendet. Weitere umfangreiche Informationen zum Cannabis-Gesetz sind zu finden unter www.niedersachsen.de/cannabis