(Gerhard Diehl)
Die ersten Besucher standen schon erwartungsvoll auf der Treppe, als am Tag des Offenen Denkmals die erste Ausstellung des Rosdorfer Gemeindearchivs ihre Pforten öffnete. Aus jeder Ortschaft im Gemeindegebiet waren ein paar Schätze in Raum 14 ausgebreitet. Neben typischen Beispielen aus einzelnen Ortsverwaltungen wie der „Rechnung wegen der in den Jahren 1829 und 1830 ausgeführten Hauptreparatur des Pfarrhauses“ aus Mengershausen oder dem „Verzeichnis für das am 10. September 1826 verkaufte Obst aus der Obstplantage zu Obernjesa“ gab es einige Bau- und Lagepläne zu sehen, so etwa den Entwurf für einen Schulneubau in Atzenhausen (1929), den Vorentwurf für einen Lageplan der Schule in Dahlenrode (1905) oder den Bauplan für den Neubau des Schlauchturms der Feuerwehr Dramfeld aus dem Jahr 1925.
Daneben konnten aufmerksame Besucher auch allerlei Kurioses entdecken, so etwa das „Lustbarkeitssteuer-Verzeichnis 1929-30“ aus Lemshausen, eine undatierte „Instruction der Nachtwächter im Amte Reinhausen“ aus Sieboldshausen oder die staatliche Verordnung über eine „Vergnügungssteuer für Schokoladen-Kugel-Stechapparate“ aus Volkerode (1937). Manche lasen sich auch im ledergebundenen Rechnungsregister der Gemeinde Rosdorf aus den Jahren 1790 – 1808 fest. So gab etwa Reinhard Bornemann mit einem Augenzwinkern zu Protokoll: „Damals hat die Gemeinde bei Handwerkerrechnungen immer auch ein ordentliches Trinkgeld verbucht!“
Optisches Highlight der Ausstellung war aber zweifellos die sorgfältig gearbeitete Fahne des Rosdorfer Radfahrvereins „Adler“ von 1906. Sie konnte – immer noch in kräftigen Farben leuchtend – nach Jahrzehnten das erste Mal wieder der Öffentlichkeit gezeigt werden, nachdem sie gerade erst von Jörg Kaufmann aus der Verwaltung dem Archiv übergeben worden war. Die Begeisterung der Anwesenden war groß, als plötzlich noch Bernd Messerschmidt mit drei historischen Fotografien auftauchte, die er dem Gemeindearchiv an diesem Nachmittag zum Geschenk machte. Denn in einem mit Metalladler verzierten Rahmen konnte man tatsächlich die Mitglieder des Rosdorfer Adlers mit genau dieser Vereinsfahne erkennen, wahrscheinlich in ihrem weißen Vereinsdress mit Blumen am Lenker, bereit zu einem Kirmesumzug, aufgebaut vor ihrem Kirmeswagen – einem Zeppelin! Ganz offensichtlich eine Gruppe von Männern, die selbstbewusst bei dieser Gelegenheit in Rosdorf die beiden modernsten technischen Fortbewegungsmittel zu Schau stellen wollte, die es vor dem Siegeszug von Automobil und Flugzeug gab: Fahrrad und Zeppelin!
Interessanterweise findet sich kurz nach 1900 im heutigen Gemeindegebiet mehr als ein Radfahrverein. Außer dem Rosdorfer „Adler“ gab es in Mengershausen den Verein „Strauß“, in Settmarshausen die „Schwalbe“ und in Volkerode den Verein „Falke“. Wenn das kein guter Grund ist, sich später im Jahr einmal an einem Abend gemeinsam mit der Geschichte des Fahrrads und der Rosdorfer Radfahrclubs zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu beschäftigen! Der Termin wird rechtzeitig in „Rosdorf aktuell“ bekannt gegeben.