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Wathlinger RegionsEcho
Ausgabe 5/2024
Aus dem Rathaus wird berichtet
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Damit die Erinnerung nicht verblasst - und weil sich alles ganz schnell wiederholen kann....

Kürzlich war ich auf Einladung meines Kollegen Patrick Brammer, Ortsbürgermeister in Celle Groß Hehlen, auf einer Gedenkfeier auf dem Gelände der Heimvolkshochschule/Bildungszentrum Hustedt. Mit vielen Gästen gedachten wir den Menschen, die im April 1945 von Wachleuten aus einem Konzentrationslager im Harz (Braunlage) in einem Fußmarsch zum Konzentrationslager Bergen-Belsen getrieben wurden. Der Tross aus geschundenen Menschen machte auch in Hustedt halt und allein hier wurden sieben von ihnen von Wachleuten erschossen.

Für mich war es eine ganz besondere Feier, denn ich hatte vorher das Buch von Albrecht Weinberg gelesen: "Damit die Erinnerung nicht verblasst wie die Nummer auf meinem Arm". Es ist eine wahre Geschichte vom Holocaust und Albrecht Weinberg, der heute noch in Ostfriesland wohnt, war Häftling und musste diesen Marsch erleben, erinnert sich an Celle und Celle-Hustedt.

Ich kann Ihnen dieses Buch nur empfehlen. Albrecht Weinberg hat mit seinen Eltern als Kind in Ostfriesland gewohnt. Sein Vater war angesehener Mann im Dorf und stolz, Deutscher zu sein. Albrecht und seine Geschwister spielten mit Freunden, lernten und forschten in der Schule. Dass er Jude war, schien nichts zu bedeuten. Albrecht war auch stolz auf Deutschland und ja, er hätte sogar Spaß daran gefunden, mit den anderen Jungs in der Hitlerjugend zu sein.

Aber plötzlich wandelte sich alles. Erstmal wurde nur geschrieben, wurden jüdische Familien beschimpft als diejenigen, die einem alles wegnehmen, die einen betrügen und mit denen man am besten keinen Kontakt haben sollte, dann wurde die Familie gemieden, dem Vater wurde die Arbeit genommen, die Kinder durften nicht mehr in die Schule und irgendwann durften Freunde nicht mehr Freunde sein, durfte Albrecht mit dem Jungen von nebenan nicht mehr spielen. Und irgendwann klopften sie an die Tür, die Nazis und "Judenjäger" und nahmen sie mit und die Nachbarn schauten zu. Keiner sagte etwas... vorher nicht, als man sie beleidigte, sie ausgrenzte und auch nicht, als man sie holte...

Die Geschichte von Albrecht Weinberg lässt einen nicht mehr los, lässt mich nicht mehr los, nicht nur, weil man etwas so authentisch erfährt, sondern weil damals nicht alles etwa gleich mit physischer Gewalt begann, sondern weil damals die Macht der Worte die drohende Gewalt verkündeten und keiner etwas dagegen tun wollte.

Achten wir also auch heute ganz genau darauf, wer, wann und wo mit Worten beleidigt, denunziert, ausgrenzt, den Hass schürt und polarisiert und sind wir laut denen gegenüber, die das Wort „Freiheit“ in ihrem Sinne für ihre eigenen Zwecke und Ziele missbrauchen.

Albrecht Weinberg hätte sich damals auch als Kind Menschen gewünscht, die sich im kleinen ostfriesischen Dorf für ihn und seine Familie eingesetzt hätten. Die einfach nur gesagt hätten: "Das geht so nicht, das machen wir nicht mit" Es wäre damals wie auch heute so einfach gewesen...

Möchten auch Sie die Geschichte von Albrecht Weinberg erfahren? Das Buch ist erschienen im penguin-Verlag und kostet 20,- €. Zum lesen, vorlesen, nachdenken und nicht vergessen.

Herzlichst
Ihr
Jörg Makel
Bürgermeister