Titel Logo
Gemeinde-Zeitung Waging a See
Ausgabe 8/2023
Mitteilungen der Verwaltungsgemeinschaft Waging
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Sumpfkulturen als Zukunftsperspektive für Landwirtschaft, Klima und Bauwirtschaft

Landwirte und Multiplikatoren informieren sich über Feuchtgrünland und Paludikulturen auf der Versuchsstation Karolinenfeld der Bayerischen Staatsgüter. Links im Bild: Johann Pflügler, Projekleiter; in der Mitte ein Schachtring. Dort laufen die Dränrohre zusammen. Wasser kann somit angestaut oder abgelassen werden.

Exkursion mit Landwirten in die Versuchsstation der Bayerischen Staatsgüter nach Karolinenfeld/Rosenheim – Bewirtschaftungsumstellung von Grünland auf Sumpfkulturen eröffnen Zukunftschancen für Landwirte, Bauindustrie und Klima. - Torfabbau auf Moorböden und Nährstoffeinträge in die Gewässer werden verringert.

Bei Sumpfkulturen könnte der eine oder andere an eine durchzechte Nacht auf der Reeperbahn denken, aber weit gefehlt. Sumpfkulturen in der Landwirtschaft - wissenschaftlich als „Paludikulturen“ bezeichnet - bieten enorme Zukunftschancen für Landwirte, Bauindustrie und Klima.

Wer nasse Grünlander oder auch Äcker sein Eigen nennt, die überhaupt nur zu bewirtschaften sind, weil unterirdische Dränagerohre das überschüssige Wasser abführen, könnte zukünftig auf Kulturen umstellen, die sehr viel mehr Wasser vertragen als gewöhnliche Grünlandgräser und dabei seinen Boden schonen und ein gesichertes Auskommen haben. Versuche mit hochwüchsigen Sauergräsern (Seggen) und Rohrglanzgras laufen im Versuchsgut Karolinenfeld der Bayerischen Staatsgüter seit einigen Jahren. Deshalb organisierte der örtliche „boden:ständig“ – Beauftragte für den Waginger See und Abtsdorfer See, Georg Hermannsdorfer, eine Exkursion dorthin. Landwirte vom Abtsdorfer See, Waginger See, Simsee und Pelhamer See folgten der Einladung und informierten sich vor Ort bei Johann Pflügler, dem Projektleiter auf dem Versuchsgut. Torfböden bauen sich bei Grünlandbewirtschaftung um 0,5 - 3cm pro Jahr ab, das bedeutet einen Bodenabbau in einer Tiefe von 30 cm bis zu 1,80 m in nur 2 Generationen, also in ca. 60 Jahren. Nachdem die meisten Moore bereits vor 60-100 Jahren kultiviert und entwässert wurden, ist oft nur noch eine geringe Torfauflage vorhanden. „Dann ist auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung am Ende, weil der im Voralpenland häufig darunter liegende Seeton bewirtschaftungsfeindlich ist. Deshalb ist eine Umstellung auf moorschonende Bewirtschaftungsverfahren dringend erforderlich“ – so Pflügler. Bei einem Anstau der Dränagesysteme bis auf ca. 10 cm unter Bodenoberkante kann der Torfabbau stark reduziert werden. Damit ist aber auch eine Umstellung der Grünlandgräser auf Sauergräser (Seggen) oder Rohrglanzgras notwendig. Aber was anfangen mit Sauergräsern und Rohrglanzgras? Hier kommt die Bauindustrie ins Spiel. Besonders die Zimmerer haben nach Auskunft des Präsidenten des LIV- Bay. Zimmerhandwerks, Peter Aicher großes Interesse an Platten aus regenerativen Materialien, wie Rohrglanzgras, weil damit ein hohes Energie- Einsparpotential in der Baubranche erreicht werden kann. Eine Bauzulassung soll bereits dieses Jahr erfolgen. Der Wasserstand wird vor der Beerntung abgesenkt, so dass eine Bewirtschaftung kein Problem ist. Mit 8-10 Tonnen Trockenmasse je Hektar ist zur rechnen. Während Seggen sich als Grundstoff für dauerhafte Bauplatten eignen, kann Rohrglanzgras auch als Futterzugabe für Rinder genutzt werden.

Aber nicht nur in den Platten wird CO2 gebunden. Neue Untersuchungen der HSWT zeigen, dass bei einem permanent hohen Grundwasserstand, der bei Seggen eingehalten werden kann, zusätzlich ca. 10 Tonnen CO2-Equivalent im Boden festgelegt werden können. Als Nebeneffekt wird der Nährstoffeintrag in die Gewässer reduziert, weil Paludikulturen mit viel weniger Dünger auskommen als normale Grünländer.

Die teilnehmenden Landwirte begrüßten diese Initiativen sehr, wollen aber noch einige Fragen geklärt wissen, bevor sie einen Umstieg wagen, zum Beispiel: Wie funktionieren bei Paludikulturen die Ansaat und Beerntung bei einem großflächigen Anbau? Die Hauptfrage, an der alles hängt, ist freilich die Rentabilität und eine gesicherte Abnahme. Umgekehrt wird die Industrie in eine Plattenproduktion erst einsteigen, wenn ausreichend Flächen für den Anbau und damit Rohstoff für die Produktion zur Verfügung stehen – das bekannte „Henne-Ei“-Problem.

Damit wir mit einer realen Umsetzung weiterkommen, erarbeitet das Amt für Ländliche Entwicklung- boden:ständig zusammen mit Kommunen erste Anbauversuche außerhalb des Versuchsgeländes auf kommunalen Flächen und risikofrei für Landwirte. Mögliche Grundstücke gibt es in den Gemeinden Saaldorf Surheim und der Gemeinde Wonneberg im Einzugsbereich des Abtsdorfer und des Waginger Sees.

Georg Hermannsdorfer, Boden:ständig Beauftragter für den Abtsdorfer und Waginger See