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Remagener Nachrichten
Ausgabe 36/2022
Aktuelles
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Züge und Personal waren restlos überfordert

Den Aussagen zum Erfolg des 9€-Tickets steht der SPNV Nord kritisch gegenüber

REMAGEN. TW. 52 Millionen verkaufte 9€-Tickets in drei Monaten, überall Forderungen nach Verlängerung des Angebots und Politiker, die von nicht anderem als dem großen Erfolg der Aktion sprechen. Dazu vermelden die Medien aus allen Kanälen Forderungen nach einer Nachfolgeaktion. Dass das Neun-Euro-Ticket auch gravierende Schattenseiten mit sich brachte, ist kaum zu hören. Jetzt aber meldete sich der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV) zu Wort und redet Tacheles. Auch wenn man beim SPNV lediglich eine „gemischte Bilanz“ zieht, wird der Verband sehr schnell sehr konkret. Da ist von „teilweise extrem vollen Zügen“ und einer „Überforderung des Bahnsystems“ die Rede. „Manche Züge waren in unserem Gebiet derart voll und überfüllt, dass sogar reihenweise Fahrgäste an Stationen stehen bleiben mussten, auch haben manche es nicht rechtzeitig geschafft, an den Zielorten aus den Zügen zu kommen“, spricht der Verbandsvorsteher Landrat Achim Hallerbach Klartext und dankt denen, „die dieses 9€-Ticket-Experiment ertragen haben.“ Hallerbach hofft, dass die vielen oftmals vergraulten Stammfahrgäste sich wieder in den Zügen einfinden werden. Das Chaos sei oft genug perfekt gewesen, führt der Neuwieder Landrat noch ein weiteres Problem an: „Bei den vollen und oftmals nach keinem Fahrplan mehr fahrenden Zügen in der noch vorhandenen Corona-Phase gilt mein besonderer Dank auch den vielen Eisenbahnern bei allen unseren Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), die das jeden Tag als Lokführer, Zugbegleiter, Disponent und auf anderen Positionen gestaltet und auch ertragen haben. Bei vielen war es auch einfach zu viel, so dass deutlich mehr Zugausfälle zu verzeichnen waren als zuvor. Systemausfälle, wie die ganze rechtsrheinische Linie des RE 8, dürfen sich nicht wiederholen. Die EVU müssen hier entsprechend vorsorgen.“

Dabei seien die Schienennahverkehrsleistungen im Norden von Rheinland-Pfalz ganz unterschiedlich von der großen Nachfrage betroffen gewesen. Die größte Nachfrage zogen demnach die Züge der linken Rheinstrecke auf sich. So habe es sich als sehr positiv erwiesen, dass die RRX-Züge des RE 5 von Wesel nach Koblenz nicht wie ursprünglich zu Betriebsstart 2019 geplant in Remagen von zwei auf eins reduziert wurden. Während die Fahrgastzahlen des RE 5 sehr deutlich über das Vor-Corona-Niveau gestiegen seien, sei gleichzeitig die Anzahl der Zugausfälle stark angestiegen. „Die vorzeitigen Wenden in Andernach anstelle Koblenz haben die Reiseketten überfordert“, so Hallerbach. Bei den fahrenden RE 5-Zügen sei nur noch einer von dreien im Rahmen von fünf Minuten nach Plan gefahren. Bei jedem Ausfall eines RE 5 wurden die Kapazitätsgrenzen der Mittelrheinbahn RB 26 überschritten. Oftmals konnten schon eine Station nach Koblenz Hbf in Koblenz-Stadtmitte nicht mehr alle Fahrgäste mitgenommen werden, so dass die Fahrgastdichte auch ein Räumen des Zuges gerechtfertigt haben könnte. Am Remagener Bahnhof erlebte ein Fahrgast die Räumung eines Zuges durch Bundes- und Bahnpolizei, die Reisenden wurden dort dann sich selbst überlassen.

Will man künftig ähnliche Aktionen wiederholen oder ein günstiges Ticket zur Regel machen, müsse der Staat Geld in die Hand nehmen, sagt Verbandsdirektor Thorsten Müller zu den Chancen von Verbesserungen: „Die Überforderung der angebotenen Zugkapazitäten insbesondere auf dem linken Rhein lässt sich nachhaltig nur durch zusätzliche neue Zuggarnituren und mehr Fahrten im Fahrplan lösen. All dies kostet viel Geld und kann durch die Fahrgeldeinnahmen nicht gedeckt werden. Wir brauchen dringend und schnell sehr viel mehr Regionalisierungsmittel vom Bund im System, um eine derartige Nachfrage dauerhaft bewältigen zu können.“

Dass das 9€-Ticket die Bevölkerung überzeugte, sieht auch Landrat Hallerbach. „Die Schnelligkeit, wie dieses Experiment erfunden und umgesetzt wurde, ist absolut untypisch für die Bahn- und Busbranche, zeigt aber wie Bund und Länder zusammen mit der Branche Fahrgastnachfrage schnell steigen lassen können. Nur die Sitzplatzkapazität kommt da wirklich nicht hinterher. Für den Ausbau des SPNV brauchen wir dringend und schnell mehr Geld vom Bund, auch die Länder müssen ihren eigenen Beitrag für den Busbereich leisten. Ich befürchte, dass bei uns die Mittel schon in 2023 nicht mehr für die bestehenden Zugleistungen reichen werden, dann reden wir über Mangelverwaltung anstelle von Aufbruch. Soweit darf es nach diesem 9€Ticket-Erfolg nicht kommen.“