Markus Gabriel verstand es, klar, aber auch mit einem Schuss Humor, schwierige Themen anzusprechen.
SINZIG/REMAGEN. DG. Das Rhein-Gymnasium Sinzig hatte im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Forum Zukunft“ in den Audimax der FH Remagen eingeladen. Gast war der in Sinzig aufgewachsene Philosoph Markus Gabriel, der neben mehreren Lehraufträgen im Ausland vorwiegend in Bonn und Hamburg lehrt. Wie Klaus Karpstein in seiner Begrüßung betonte, sollen die Referenten zunächst zu den Themen sprechen, die sie am meisten bewegen. Eine stattliche Anzahl von Interessenten, und nicht nur Schüler, lauschten dem quicklebendigen Vortrag Gabriels, der zwischendurch durch humorvolle Bemerkungen, trotz des eigentlich ernsten Themas, auch mal zum Lachen anregte. Und die Politik bekam gelegentlich auch ihr Fett weg. Gabriel ist als Schnelldenker bekannt, und so redete er auch, so dass es gelegentlich nicht ganz so einfach war, ihm zu folgen. „Alles befindet sich im Moment in einer Krise,“ wobei die einzelnen Krisen wie Pandemie, Krieg, Klimaproblem eng zusammenhängen und ineinander verschachtelt sind. Wir befinden uns quasi in einer Phase der Selbstausrottung, niemand von uns wird noch das Ende der Klimakrise erleben.“ Doch er weckte auch Optimismus. Als Lösungsstrategie führte er die Ethik an. Es gehe darum, auf sinnvolle Fragen wahre Antworten zu geben. Es sei nötig, moralische Tatsachen zu erkennen. Rette ich ein ertrinkendes Kind, oder gehe ich weiter, weil sonst die Currywurst kalt wird? Die Antwort ist klar, aber es ist eben nicht immer leicht, moralische Tatsachen zu erkennen und entsprechend zu handeln. Nur die Menschen sind in der Lage, moralische Tatsachen zu erkennen, daher kommen die besten Lösungsstrategien aus der Ethik. Reißt ein Löwe ein Menschenbaby, ist das grausam und furchtbar. Dem Löwen kann man dies aufgrund mangelnder Erkenntnisfähigkeit aber nicht vorwerfen. Umgekehrt schon, weil der Mensch zur Erkenntnis in der Lage ist. Gabriel bezog zu einigen in der Schule erarbeiteten Fragen Position. So war die zweite Schulschließung während der Pandemie aus seiner Sicht aufgrund bestehender Erkenntnisse nicht entschuldbar. Die Wirtschaftstheorien von Adam Smith sind als gescheitert anzusehen. „Wir brauchen neues Nachdenken, wie wir wirtschaften, einen ethischen Kapitalismus.“ Auf die Frage, ob man heute noch Kinder in die Welt setzen darf, antwortete er mit einem klaren ja. Ein besonderes Problem ist das „Nichtwissen.“ Wir wissen, dass wir CO2 reduzieren müssen, wissen aber nicht genau, wie. Daraus folgert, dass wir unser Nichtwissen anerkennen müssen. Ein besonderes Anliegen Gabriels war das Kinderwahlrecht, dass, schockierend, fehle. Warum, weil sie ohne Vernunft sind? Auf diese Weise habe man schon Farbige benachteiligt, und das Frauenwahlrecht wurde meist auch erst später eingeführt. Seiner kleinen Tochter hat Gabriel erklärt, wofür die Kandidaten bei der letzten Kommunalwahl in Bonn stehen. Sie wollte unbedingt wählen, weil sie die zur Diskussion stehende Seilbahn gut fand: „Da kommt sie leichter zu ihrer Lieblingspizzeria,“ fügte er schmunzelnd hinzu. Als sie hörte, dass sie gar nicht wählen darf, kamen die Tränchen. Ein Kinderwahlrecht ist im Übrigen tatsächlich schon mehrfach bei Gerichten gelandet, sogar beim Bundesverfassungsgericht, wurde aber bisher immer abschlägig beschieden. Es gibt heute zwar wichtigere Themen, aber dennoch, den Kindern gehört die Zukunft. Und wie sang schon Herbert Grönemeyer: „Gebt den Kindern das Kommando…Kinder an die Macht!“ Ein kurzweiliger Abend, der zum Nachdenken anregte und bei allen derzeitigen Problemen in der Welt aber doch vorsichtigen Optimismus verbreitete.