SINZIG. In einer Gesprächsrunde im Rathaus von Sinzig wurde am Ende Mai der bislang letzte öffentliche Meilenstein zur geplanten Flut-Dokumentationsstätte im Ahrtal gesetzt. Bürgerinnen und Bürger, Fachleute und Initiativen trafen sich, um gemeinsam die Frage zu erörtern, wie ein solcher Erinnerungs- und Lernort aussehen kann – und soll.
Die verheerende Flutkatastrophe vom Juli 2021 hat tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis des Ahrtals hinterlassen. Der Bedarf, die Ereignisse wissenschaftlich fundiert zu dokumentieren und gleichzeitig Raum für Trauer, Aufarbeitung und gesellschaftliche Weiterentwicklung zu schaffen, ist ungebrochen. Der Verein „Zukunftsregion Ahr e.V.“ koordiniert derzeit ein Konzept für eine zentrale Dokumentationsstätte, das unter breiter Bürgerbeteiligung entsteht.
Bereits drei vorausgegangene Veranstaltungen haben viele Impulse geliefert. Das Treffen in Sinzig bildete den vorläufigen Abschluss und brachte erneut vielschichtige Perspektiven zusammen: von Fragen der Klimaanpassung bis hin zur Rolle von Kunst, Tourismus und Bildung.
Die Vision ist klar: Es soll ein Ort entstehen, der nicht nur das Geschehene bewahrt, sondern aktiv auf die Zukunft verweist. Im Fokus stehen vielfältige Vermittlungsformate – Ausstellungen, Zeitzeugenberichte, interaktive Modelle der Flutdynamik, aber auch künstlerische Ausdrucksformen, die das Erlebte emotional zugänglich machen. Ziel ist eine Ausstellung „mit allen Sinnen“, bei der auch Gerüche, Geräusche und Objekte aus der Katastrophennacht erfahrbar werden.
Die Teilnehmenden betonten immer wieder den pädagogischen Anspruch: Schulklassen, Studierende, Familien und Helfende sollen sich wiederfinden, lernen und weiterdenken können. Auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit – etwa die Ungleichheit beim Wiederaufbau – sollen sichtbar gemacht werden.
Als zentrale Orte wurden Altenahr und Bad Neuenahr-Ahrweiler favorisiert – nicht zuletzt wegen ihrer infrastrukturellen Stärken und ihrer Authentizität als stark betroffene Gemeinden. Diskutiert wurde zudem die Möglichkeit kleiner „Satelliten-Gedenkorte“ entlang der Ahr, um die Vielfalt der regionalen Erfahrungen zu würdigen.
Ein Wettbewerb zur architektonischen Gestaltung ist angedacht – das Gebäude soll symbolisch für Zerstörung und Wiederaufbau stehen, naturnah, digital und zukunftsgerichtet.
Herausforderung bleibt die langfristige Finanzierung. Während Baukosten häufig durch Fördermittel gedeckt werden können, sind Betrieb und Unterhaltung langfristig zu sichern. Eine professionelle Leitung ist unabdingbar – auch das war breiter Konsens in Sinzig.
Die Projektgruppe setzt weiterhin auf Bürgerpartizipation: Eine Testphase vor der offiziellen Eröffnung ist geplant, Beiträge über digitale Plattformen und Lesungen sollen das Erinnern lebendig halten. Doch es bleibt sensibel: Auch die Gefahr von Überforderung, Überdruss oder Beliebigkeit wurde offen angesprochen.
„Wie wollen wir leben? Wie gestalten wir unsere Heimat?“ – so lautete eine zentrale Leitfrage der Runde. Die Antwort soll in einem Ort sichtbar werden, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpft.
Ein Abschlussbericht soll nun die Ergebnisse aller Gesprächsrunden bündeln. Er dient als Grundlage für Gespräche mit Politik, Wirtschaft und weiteren Unterstützern – von Universitäten bis hin zu Hilfsorganisationen und privaten Unternehmen.
Weitere Informationen: www.zukunftsregion-ahr.de