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Bad Breisiger-Sinziger Nachrichten
Ausgabe 35/2024
Vereine und Verbände
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Johanniter suchen flächendeckend ISB-Antragsberechtigte

Gerold Sprenger im Gespräch mit einem Flutbetroffenen.

Viele Flutbetroffene haben noch keine Unterstützung angefordert - Die Gründe sind vielfältig

AHRTAL. TW. Mehr als drei Jahre nach der Flutkatastrophe ziehen derzeit Mitstreiter der Hilfsorganisation der Johanniter im Überschwemmungsgebiet von Haus zu Haus. Ihr Ziel: Menschen finden, die trotz Berechtigung immer noch keinen Förderantrag zum Wiederaufbau bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) gestellt haben. Die Antragsfrist endet am 30. Juni 2026. Das zweite Ziel: Menschen finden, die noch auf der Suche nach einer möglichen Deckung der verbleibenden 20 Prozent sind. Auch diese Restkosten können schnell zu einem sechsstelligen Betrag werden, den längst nicht jeder selbst finanzieren kann. Deckungen sind zum Beispiel mit den noch vorhandenen Spendengeldern bei Organisationen wie „Deutschland hilft“ möglich.

Nun stellt sich die Frage, warum es eigentlich überhaupt noch Häuslebesitzer oder -mieter gibt, die die Möglichkeiten im Wiederaufbau noch nicht ausgeschöpft haben oder diese teilweise noch nicht einmal angegangen sind. Es gab doch immer wieder Informationen und Anläufe, schon in der Akutphase in den Infopoints an den Versorgungsstellen der betroffenen Ortschaften. Dann errichtete die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) als Ansprechpartner für die privat betroffenen feste Anlaufpunkte, die mindestens bis Juni 2025 aufrechterhalten werden. Als die Zahl der gestellten ISB-Anträge relativ überschaubar blieb, startete das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2022 die sogenannte „aufsuchende Hilfe.“ Unterstützt vom Helfer-Stab zogen damals Mitarbeiter von Haus zu Haus, um Menschen zu suchen, die noch keinen ISB-Antrag stellten. Dabei wurde an mehr als 21.000 Haustüren geläutet, rund 9.300 Mal wurden dort Bewohner angetroffen.

Schnell war nach der Katastrophe klar, dass etwa 8.800 Gebäude an der Ahr zerstört oder stark beschädigt wurden. Immer noch scheint es aber keine zentrale Datenbank zu geben, die aufzeigt, welche Gebäude elementarversichert waren, wo die Versicherungen hinreichend zahlten, von wo bereits welche Anträge an ISB oder andere Stellen gestellt wurden. Selbst für Leistungen der verschiedenen Hilfsorganisationen gibt es interne Aufzeichnungen. Bei den Organisationen unter dem Dach der von „Deutschland hilft“ existiert die sogenannte Phönix-Liste, mit der verhindert werden soll, dass Betroffene mehrfach von „Deutschland hilft“-Organisationen Gelder erhalten. Auch der Helfer-Stab dokumentierte vieles an erhaltenen Informationen auf seinem Weg der aufsuchenden Hilfe. Nur: die Informationen zusammengefasst hat bisher scheinbar niemand. Lediglich über die von privat an privat oder über nicht in Hilfsorganisationen strukturierte Sammler von Geld- und Sachspenden gegebenen Spenden dürfte es kaum oder keinerlei zugängliche Aufzeichnungen geben.

Aktuell hat die ISB wieder Zahlen veröffentlicht, demnach wurden für den Wiederaufbau privater Gebäude etwas mehr als 4.000 Anträge eingereicht. Bei 8.800 betroffenen Gebäuden. Trotzdem wohl öffentlich nicht explizit bekannt ist, wie viele Hausbesitzer den Wiederaufbau über Versicherungsleistungen regeln, sagen sich die Johanniter, die Differenz zwischen Schäden und Anträgen sei noch viel zu hoch. Daher wurde nun die Haustürhilfe ins Leben gerufen. Rund ein halbes Dutzend Zweierteams zieht auf rheinland-pfälzischer Seite durchs Katastrophengebiet und klingelt an den Haustüren. Daten des Helfer-Stabs oder der Phönix-Liste haben sie nicht angefragt, dass sie sozusagen einmal mehr das Rad neu erfinden, hat seine Gründe, sagt mit Gerold Sprenger einer der Johanniter, die jüngst an der Oberahr mit der Haustürhilfe starteten. Rund 60 Gespräche haben die Teams in der ersten Woche führen können, manche bis zu einer halben Stunde lang. Wer nicht angetroffen wird, findet immerhin Unterlagen in seinem Briefkasten und kann tätig werden.

„Es ist mittlerweile eine ganz andere Situation als ein Jahr nach der Flut“, macht Sprenger deutlich, dass die neuerlichen Besuche wichtig sind. Traumata hätten abgenommen oder sich verändert, Familiensituationen seien andere, weil vielleicht die Nachkommen der Betroffenen den Wiederaufbau übernehmen wollen. Es gibt aber auch viele, die nach der Fülle negativer Nachrichten über die überbordende Bürokratie keinen Antrag stellen wollen oder gar nicht in der Lage sind, die geforderten Dinge an Computer zu erledigen. Auch hier versuchen die Johanniter zu helfen. „Tatsächlich gibt es aber auch noch Menschen, die gar nicht wissen, dass sie ISB-antragsberechtigt sind“, hat Sprenger bereits im ersten besuchten Ort Kirmutscheid feststellen müssen. Dort hat zwar nicht die Ahr, dafür aber deren Zulauf Trierbach für schwere Schäden gesorgt. Und so dürften sich die Menschen hinter der Haustürhilfe auf ihrem Weg bis Sinzig, der rund ein Vierteljahr dauern soll, noch auf manche Überraschung einstellen.