Auch in Insul stellten sich (v.l.) Thomas Weimer, Anja Toennessen und Joachim Gerke den Fragen der Bürger.
Einmal die Woche heißt es Bürgerdialog im Ahrtal. Joachim Gerke, Leiter Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz bei der SGD Nord, Anja Toenneßen, Geschäftsbereichsleiterin bei der Kreisverwaltung Ahrweiler und Thomas Weiter, Leiter des Verbindungsbüros der Landesregierung zum kommunalen Wiederaufbau im Ahrtal informieren und beraten die Bürger in den von der Naturkatastrophe getroffenen Gemeinden über Maßnahmen zur Gewässerwiederherstellung an der Ahr und zur Hochwasservorsorge. Zehn Orte hat das Expertentrio bisher besucht, und in jedem Dorf überraschen die Bürger die Experten mit neuen Fragen. Zehn Fragen und zehn Antworten:
Was passiert überhaupt bei der Hochwasservorsorge?
Das Ziel des Kreises ist ein überörtliches Hochwasservorsorgekonzept, dass das komplette Gebiet der Ahr von der Quelle bis zur Mündung erfasst. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war die Kooperationsvereinbarung von Kreis und seinen acht Gebietskörperschaften zur Hochwasserpartnerschaft Ahr. Die von einzelnen Verbandsgemeinden, Städten und der Gemeinde Grafschaft entwickelten lokalen Hochwasserschutzkonzepte fließen in die Gesamtbetrachtung mit ein. Auf überregionaler Ebene steht man in Kontakt mit dem Nachbarkreis Vulkaneifel und dem Kreis Euskirchen in NRW.
Worauf liegt derzeit das Hauptaugenmerk?
Auf der Gewässerwiederherstellung/-entwicklung Ahr. Fünf Ingenieursbüros sind mit der Planung der Wiederherstellung beauftragt. Erste Zwischenergebnisse werden für den Herbst erwartet. Mit der Fertigstellung des Gesamtkonzeptes wird für Anfang 2023 gerechnet. Das Ziel: ein möglichst breiter Durchfluss innerorts und Platz zum Ausdehnen für die Ahr außerorts. Es sollen auch bereits vor Fertigstellung vorgezogene Maßnahmen angepackt werden.
Welche baulichen Maßnahmen sind dabei geplant?
Die Gewässerinstandsetzung ist kein Wiederaufbau Eins zu Eins, sondern mit Maßnahmen zur besseren Hochwasserrückhaltung in den Auen versehen. Er beinhaltet allerdings keine baulichen Maßnahmen, wie etwa der von Rückhaltebecken. Dafür bedarf es genauer Planung und jedes Bauwerk braucht ein aufwändigeres Genehmigungsverfahren.
Wie werden die Brücken wieder aufgebaut?
Die Planung der neuen Brücken in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ist ein entscheidender Bestandteil der Hochwasservorsorge und des Hochwasserschutzes. Die alten Brücken mit ihren mächtigen Pfeilern in der Ahr und ihren Rundbögen haben für massive Verklausungen gesorgt, die für die hohen Flutwellen mitverantwortlich waren. Deshalb müssen die neuen Brücken für einen besseren Durchlauf des Wassers sorgen – schlanker und standfester sein, möglichst ohne Pfeiler in der Ahr.
Wie ist die Abgrenzung des vorläufig sichergestellten Überschwemmungsgebietes erfolgt?
Die Abgrenzung wurde auf der Basis der Geländehöhen vor der Flut erstellt. Die Wassertiefen für das neue 100-jährliche Hochwasser wurden auf der Grundlage bestehender Berechnungen extrapoliert. Da man mit dem Datenmaterial vor der Flut arbeiten musste, gibt es Bereiche, die nicht mit den Erfahrungen übereinstimmen. Betroffene sollen über Bürgermeister und Ortsvorsteher Hinweise einreichen. Jeder Einzelfall wird geprüft.
Was bedeutet „vorläufig gesichertes“ Überschwemmungsgebiet für Bauherren?
Das ausgewiesene ÜSG und die damit verbundenen Auflagen sind so lange bindend, bis ein neues ÜSG ausgewiesen wird. Sollte es eine neue Ausweisung des Überschwemmungsgebietes geben, besteht Bestandsschutz für ein Gebäude, dass nach den derzeit gültigen Vorgaben errichtet wurde.
Was wird für die Gewässergüte und den Naturschutz getan?
Es wird künftig mehr Starkregenereignisse geben. Aber auch extreme Hitzeperioden und Niedrigwasserphasen werden immer häufiger und früher eintreten. Deshalb muss der Niedrigwasserabfluss ebenfalls bei allen Planungen berücksichtig werden. Eine wichtige Bedeutung kommt dem Geschiebemanagement und der Beschattung des Gewässers bei der Wiederherstellung zu.
Ist Camping fortan an tabu an der Ahr?
Zumindest was Dauercamping im Überschwemmungsgebiet angeht. Für Betrieb (etwa Evakuierungspläne) und Wiederaufbau (Nähe zur Ahr und feste Aufbauten) gibt es klare Richtlinien. Ob ein Betrieb bei Einhaltung der Auflagen noch lohnt, müssen Geländeeigentümer und Pächter entscheiden.
Wie gehen die Behörden mit Aufschüttungen innerhalb der Hochwasserlinie um, die in den vergangenen Monaten erfolgt sind?
Es wird alles geprüft, was den Hochwasserabfluss negativ beeinflussen kann.
Was darf ich auf meinem eigenen Grund und Boden?
Alles was das Baurecht erlaubt und den Hochwasserabfluss nicht beeinflusst. Veränderungen können beispielsweise durch Mauern, Zäune oder Sträucher entstehen. In diesem Fall ist eine Ausnahmegenehmigung durch die SGD erforderlich. Die SGD Nord bereitet hierzu ein Merkblatt vor.