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Bad Breisiger-Sinziger Nachrichten
Ausgabe 41/2023
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Flutkatastrophe: Versagen des Staates?

Viele Interessierte waren bei der Buchvorstellung in den Pfarrsaal gekommen.

Gisela Kirschstein berichtete von den Ausschusssitzungen und zitierte auch aus ihrem neuen Werk.

Gisela Kirschstein stellte dazu ihr Buch vor

SINZIG. DG. Der große Bücherflohmarkt auf dem Kirchplatz war zu Ende, da füllten sich langsam die Räumlichkeiten im Pfarrhaus St. Peter, wo Gisela Kirschstein ihr neues Buch „Flutkatastrophe Ahrtal - Chronik eines Staatsversagens“ vorstellte. Hierin zeichnet sie minutiös nach, was in der Flutnacht geschah – und vor allem, was nicht. Die in Bonn geborene Journalistin und Autorin ist unter anderem Mitglied der Landespressekonferenz und berichtet regelmäßig über die Landespolitik aus Mainz. In dieser Funktion hat sie auch an allen Sitzungen des Untersuchungsausschusses zur Ahrflut teilgenommen, was sie dann zum Verfassen ihres Buches veranlasst hat. Nach einer kurzen Begrüßung durch Wolfgang Henn legte sie denn auch gleich los. Ein großes Manko ist, dass der Katastrophenschutz überwiegend ehrenamtlich organisiert ist, das gäbe es nur noch bei uns und in Österreich. Dies richtet sich nicht gegen die vielen ehrenamtlichen Helfer vor Ort, die aber aufgrund mangelnder Informationen und Anweisungen von „oben“ vielfach überfordert waren. Fehler liegen in der Organisationsstruktur, es gebe zwar Pläne, aber ob und wie geübt wird -eine Kontrolle fehlt. Warum wurden Warnungen nicht beachtet, nicht weitergegeben oder falsch ausgelegt? Zitat Vertreter der Landesregierung: „Es droht kein Extremhochwasser.“ Zuständigkeiten sind nicht klar, Verantwortung wird „weitergereicht.“ Die Einsatzzentrale in Koblenz berief sich darauf, dass keine Anforderung für Hilfe dort ankam, und die müsse laut Vorschrift per Fax kommen. Videoaufnahmen des Polizeihubschraubers gingen auch in Mainz ein, offenbar war dort keiner mehr erreichbar oder es kümmerte niemanden. Der Krisenstab in Ahrweiler war nicht vollständig besetzt, einige konnten gar nicht dorthin, weil sie bereits anderweitig im Einsatz waren. Wegen mangelnden Empfangs im Keller der Kreisverwaltung musste teilweise draußen telefoniert werden. Die Flutwarnung wurde letztlich, viel zu spät, gegen 22 Uhr freigegeben, ging aber erst eine weitere Stunde später raus, weil der dafür Verantwortliche unterwegs im Einsatz war. Die ADD als für den Katastrophenschutz zuständige Behörde wisse gar nicht, wie man entsprechende Pläne aufstellt und die erforderlichen Abläufe organisiert.

Sie erzählte aber auch von „wahren“ Helden, die einfach gehandelt und nicht auf irgendwelche Befehle von oben gewartet haben. Als Beispiel nannte sie unter anderem Tobias Lussi, Wehrleiter in Schuld, der hauptamtlich bei der Berufsfeuerwehr beschäftigt ist. Er hatte in Schuld mehr als 40 Menschen gerettet und später im Ausschuss eine flammende Rede zur gesamten unbefriedigenden Situation gehalten. Oder Dr. Dennis Ritter, Arzt im Bundeswehrzentralkrankenhaus. Er hat kurzerhand für einen Einsatz im Wasser geeignete Fahrzeuge geordert und ist noch in der Nacht ins Ahrtal gefahren und hat dort viele Menschen vor dem Tod bewahrt. Ihr Fazit ist nüchtern und klar: Der Staat hat hier versagt, und das gleich in mehrfacher Hinsicht! Gisela Kirschstein befürchtet, dass, wenn heute Ähnliches passiert, sich in den Abläufen wahrscheinlich nicht viel ändert. Aber es müsse sich etwas ändern, „Wir brauchen mehr Professionalität.“ Und das möglichst bald. Denn aufgrund des Klimawandels sei vermehrt mit solchen Ereignissen zu rechnen. Das Buch ist im Verlag „Frankfurter Allgemeine Buch“ erschienen.