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Stadt- und Landbote VG Cochem
Ausgabe 28/2024
Cochemer Land - Gestern und Heute
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Cochemer Originale vereint

Am 12. Juli 2001 lüftete der Sparkassendirektor Walter Krieger aus dem Cochemer Moselkrampen ein bis dato streng gehütetes „Bankgeheimnis“.

Zwischen Sparkasse und der Auffahrt zur Moselbrücke hatte die Kreissparkasse Cochem-Zell eine kleine Ruhezone geschaffen. Diese wurde bereichert mit drei Cochemer Originalen, die sich auch gerne mal eine „Aus-Zeit“ gegönnt hatten. Der Ulmener Künstler und Bildhauer Friedhelm Weber hatte die „Originale“ in Bronze gegossen. Nun standen vereint und friedlich dat „Seinche“ unn dä „Kohhirte-Hannes“ sowie auf einer Bronze-Bank sitzend, dä „Schmandelekker“ met säinem Schmanddeppe beieinander, um den neuesten „Cochemer Traatsch“ auszutauschen. Ein gelungener und gern angenommener Treffpunkt und ein beliebtes Fotomotiv.

Im Jahr 2015 nahm das Trio Reißaus, da die Komplettsanierung des Sparkassengebäudes ihm die Ruhe raubte. Auf dem Schrombekoulplatz in der Oberstadt vor dem Weinhaus „Elli“ fand es seine „letzte Ruhestätte“.

Von den drei Cochemer Originalen ist der Cochema Schmandelekker eine fiktive Figur. Wenn sein Name als Spott- und Neckname vom Umland kreiert worden war, so nimmt der Cochemer dies mit Humor und benutzt ihn gerne als Werbeträger.

Die Entstehungsgeschichte des Schmandelekker ist schnell erzählt. Sie hat jedenfalls etwas mit dem Schmand zu tun, der die oberste Schicht der frischen Milch bildet. Und den Rahm tut jeder mal gerne naschen oder im „Hochdeutsch“ ausgedrückt, „schlecken“. Die Milchbauern der umliegenden Gemeinden brachten ihre Erzeugnisse auf den Cochemer Wochenmarkt. Darunter befand sich auch der Schmand. Er entstand nach dem Abkochen der frisch gemolkenen Milch und setzte sich an der Oberfläche ab, wo er sich als eine cremige Substanz mit hohem Fettgehalt hervortat. Dieser Schmand wurde meist in irdenen Deckeltöpfen angeboten und portionsweise zu ¼ oder ½ Liter verkauft. Es gab aber auch jene Cochemer, die aus Eitelkeit die Ware vor dem Kauf prüfen wollten. So gingen die obligatorischen Zeige- und Mittelfinger in die Milchkanne, um dann die Geschmackssinne zu aktivieren. Spötter behaupten, dass die etwas Etepetete-Geschäftsfrauen statt der eigenen Finger aus „hygienischen Gründen“ ihre Haarnadel dazu benutzten.

Während der Cochema Schmandelecker der Fantasie der Cochemer entschlüpft ist, haben der Kuhhirte-Hannes und et Seinche in Cochem tatsächlich gelebt und mit ihren originellen Weisen auch belebt.

Das Seinche erblickte als Anna Rosina Reichert am 4. Juni 1819 in der Sittelsmühle das Licht der Welt. Die Schneidemühle befand sich auf dem Gelände der heutigen Talstation der Cochemer Sesselbahn. Dat Seinche blieb zeitlebens unverheiratet. In ihrer immer freundlichen Art war sie bei den Cochemern beliebt. So war sie stets sonn- als auch wochentags Mittagsgast bei irgendeiner Familie. Was sie dabei nicht verzehren konnte und als „Urzen“ übrigblieb, wanderte in das Innere ihrer Reisetasche, die sie stets mitführte. Mit freundlichen Dankesworten an die Gastgeber, aber auch ein paar belehrenden Worten an deren Jugend, machte sie sich auf den Heimweg. Seinches Haupteinnahmequelle waren aber die Gratulationen zum Namenstag. Die Zeremonie lief immer mit dem gleichen Spruch ab:

„Ich hab ein Glöcklein hören läuten.

Doch wusst‘ ich nicht, was soll es bedeuten.

Da hab ich mich dreimal gedreht um die Achs,

Da war der NN ihr Namenstag.

Auf diesen sinnigen Spruch folgte dann die dreimalige Umdrehung mit anschließendem warmem Händedruck, welche wohl auch auf die ein, zwei Groschen als Belohnung abzielte.

Der Kuhhirte-Hannes erblickte als Johann Hermes am 4. Oktober 1818 in Bruttig das Licht der Welt. Hannes hatte sich als Taglöhner in Cochem verdingt. In seiner erkennbaren Liebe zu den Tieren vertrauten immer mehr Cochemer ihm ihr Großvieh an. Schon frühmorgens trieb er eine stattliche Herde auf die Herrenwiese unterhalb der heutigen Skagerrakbrücke, um dieses dort zu weiden und zu hüten. Der untere Teil der Herrenwiese hat daher auch die Distriktbezeichnung „Auf den Weiden“ erhalten. Wenn ihm bei seinen Hüteaufgaben die Sommerhitze arg zusetzte und es ihn zu einem Nickerchen drängte, übernahmen gerne die Cochemer Jungen diese Aufgabe. Zu Lebzeiten des Kuhhirte-Hannes gab es noch keine Kanalisation. Alle Exkremente von Menschen und Vieh landeten auf dem Misthaufen oder in der Jauchegrube. Auch diese mussten von Zeit zu Zeit entleert werden. Hier trat der Kuhhirte-Hannes wieder in Aktion, besonders im Winter, wenn ihm mehr Zeit dazu verblieb, da das Vieh in ihren Ställen stand. An Kundschaft fehlte es ihm nicht. Er war ja schließlich die einzige „Stann-des-Person“ in Cochem für diese Tätigkeit, oder anders ausgedrückt, der erste Abwasserentsorger.

Günther Bretz