Im Bemühen um eine unabhängige Energieversorgung möchte die Stadt Kelsterbach einen großen Schritt nach vorne machen. Nicht zuletzt der Krieg gegen die Ukraine und die daraus erfolgten globalen Umbrüche in Wirtschaftskooperationen und einer zuverlässigen Energieversorgung haben vor Augen geführt, wie schnell eine Notlage eintreten kann. Der Break-down scheint nur einen Wimpernschlag entfernt. Um sich diesem Sicherheitsrisiko zu entziehen, aber auch um dem eignen Anspruch auf Nachhaltigkeit weiter gerecht zu werden, will die Stadt eine eigene Biogasanlage errichten.
Pläne hierzu liegen den zuständigen Ämtern vor und werden gerade geprüft. Wenn alles nach Plan läuft, kann mit dem Bau der Biogasanlage auf einem Randgebiet der Stadt bereits im Frühjahr 2024 begonnen werden. „Hiermit gehen wir einen wichtigen Schritt nach vorne“, ist sich Bürgermeister Manfred Ockel sicher. „Wir sichern nicht nur zu einem großen Maß die Energieunabhängigkeit für unser Stadtgebiet, wir werden auch in puncto Klimaneutralität eine Vorreiterrolle im Kreis einnehmen.“ Man hoffe, als gutes Beispiel voranzugehen und weitere Kommunen von diesem sinnvollen Schritt überzeugen zu können, so Ockel weiter.
Genügend Material für das Betreiben der Anlage zu bekommen, sei dabei kein Problem, so der Bürgermeister weiter. Der Kreis Groß-Gerau zeichnet sich durch eine flächendeckende Landwirtschaft aus. Auf kurzem Weg kann hier genügend Biomaterial zum Betreiben einer Biogasanlage transportiert werden.
Laut Bundesumweltamt wird in einer Biogasanlage pflanzliches und tierisches Material unter Ausschluss von Sauerstoff und mit Hilfe von Bakterien abgebaut. Dieser anaerobe Prozess produziert Biogas mit einem Methangehalt von 50 bis 75 Prozent. Dieses kann vor Ort in ein Blockheizkraftwerk eingespeist und daraus Strom und Wärme gewonnen werden. Es kann jedoch auch auf Erdgasqualität aufbereitet und in das Erdgasnetz eingespeist werden. Mögliche Reste können wiederum als Dünger in der Landwirtschaft genutzt werden. Die Stromerzeugung aus Biogas wird zudem vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert.
Das Kompetenzzentrum Energie gibt an, dass eine typische landwirtschaftliche Biogasanlage eine Leistung von 500 Kilowatt habe. Es gebe aber auch Großanlagen mit einer Leistung von bis zu fünf Megawatt. Für Kommunen sind Biogasanlagen interessant, weil anfallende organische Reststoffe wie Speisereste, Koppelprodukte aus der Nahrungsmittelindustrie oder Biotonnenabfälle verwendet werden können. Erste Biogasprojekte in Städten gibt es bereits in Heidelberg und München.
Ein rundum runde Sache. Einen Haken gibt es jedoch. Bei der Produktion von Methangas entstehen Gerüche. Man kennt das von einem Komposthaufen. Wenn eine Menge Biomaterial verrottet, entstehen auch Gerüche. Auch auf einer Kuhweide riecht es nicht wie in einer Parfümerie. Doch dieser vermeintliche Nachteil könne die Vorteile einer Biogasanlage nicht aufwiegen, so Bürgermeister Ockel. Zumal die Bürgerinnen und Bürger durch das Klärwerk in Sindlingen in der Vergangenheit schon ganz anderes gewöhnt seien. „Ich denke, wir sind mit dem Bau einer Biogasanlage auf dem richtigen Weg“, ist sich Ockel sicher.
Wenn die Prüfungen dieses geplanten Neubaus positiv ausfallen, wird ein Antrag in den Magistrat und danach in die Stadtverordnetenversammlung eingehen. Als einer von vielen Bausteinen soll die neue Biogasanlage, im Gesamtpaket einer nachhaltigen Entwicklungspolitik der Stadt, den Weg zur Klimaneutralität ebnen. (ana, Bildquelle: Agentur für Erneuerbare Energien)
Die Grafik der Agentur für Erneuerbare Energien zeigt den Aufbau einer Biogasanlage.