Das Organisationsteam des Nachmittags (v.l.): Irini Kaldi, Melisa Acri, Manuela Draisbach, Kevser Sempek, Agneta Becker und Larisa Liefke.
Vor zwei Wochen berichteten wir über eine Veranstaltung der Stadt Kelsterbach und der Integrationskommission zum Weltfrauentag, der jedes Jahr auf den 8. März fällt. Zu diesem Anlass fand in Kelsterbach erstmals eine Veranstaltung von Frauen für Frauen statt. Da ein Teil der Berichterstattung fehlte, wird sie in dieser Woche noch einmal komplett abgedruckt.
Den Weltfrauentag am 8. März nahm in diesem Jahr die weibliche Belegschaft des Team Soziales der Stadt Kelsterbach zum Anlass, um zu einem geselligen Frauennachmittag einzuladen. Rund 30 Frauen kamen am vergangenen Samstag in der Mensa der Integrierten Gesamtschule zu einem Nachmittag von Frauen für Frauen mit ukrainischen Gesprächen, Gesang und Tanzvorführungen des Nachwuchses des griechischen Bildungs- und Kulturvereins Agia Sofia zusammen.
Die Flüchtlingsbeauftragte Agneta Becker, die neue Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Manuela Draisbach sowie Melisa Acri, Larisa Liefke und Kevser Sempek vertraten die Stadt bei der Veranstaltung. Zusammen mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Integrationskommission in Kelsterbach, Irini Kaldi, organisierten sie den Nachmittag. In lockerer Atmosphäre sollte über das Frauenverständnis in der Welt, aber auch darüber, was es für die Einzelne bedeutet Frau zu sein und die Rolle, die man dabei einnimmt oder zugedacht bekommt, gesprochen werden.
Becker erinnerte in ihrer Begrüßungsansprache an die Meilensteine deutscher und internationaler Geschichte im Bereich Gleichberechtigung und Emanzipation. Es zeige aber auch, dass große Errungenschaften wie das Frauenwahlrecht oder das Recht ohne Erlaubnis des Mannes arbeiten zu gehen, in Deutschland noch gar nicht so lange existieren. Gleichzeitig zeige ein weiterer für Frauen wichtiger Tag im März, dass in Sachen Gleichberechtigung noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Der Equal-Pay-Day, der Tag der Entgeldgleichheit zwischen Männern und Frauen, markiert jedes Jahr symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke, die laut Statistischem Bundesamt 18 Prozent in Deutschland beträgt (Stand 7. März 2022). Frauen verdienen demnach erst ab dem 8. März 2023 genauso viel wie ihre männlichen Kollegen in gleicher Position. Vorher gingen sie umsonst arbeiten.
„Es gab nie so viele Umbrüche wie in den letzten 30 Jahren“, bestätigte auch die anwesende Helga Oehne, die viele Jahre Stadtverordnetenvorsteherin war und nun Ehrenstadträtin ist. Man habe im letzten Jahrtausend nicht absehen können, wie sich die Dinge entwickeln würden, sagte Oehne.
„Uns ist es wichtig, eine Veranstaltung im geschützten Rahmen anzubieten“, so Draisbach, die seit dem 1. März neue städtische Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte ist. „Die symbolischen Bekundungen von Männern am Weltfrauentag, wie toll sie Frauen finden, sind für mich nichts wert. Die Frauen, die heute herkommen, sollen ohne Scham oder Verunsicherung über Themen sprechen können, die sie in ihrer Rolle als Frau beschäftigen.“ Aus diesem Grund war die Veranstaltung auch nur für Frauen angedacht und sprach speziell jene mit Migrationshintergrund an. So fanden sich viele verschiedene Nationen zusammen und gaben der Veranstaltung einen Hauch von kulturellem Austausch. Kaldi nahm die Veranstaltung auch als Start, um die Arbeit der Integrationskommission zu verstärken. Die Kommission besteht seit zwei Jahren und löste damals den Ausländerbeirat ab. Feste und städtische Veranstaltungen will Kaldi in Zukunft verstärkt nutzen, um die Integrationsarbeit in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Die Veranstaltung hatte neben dem geselligen jedoch durchaus auch einen praktischen Aspekt. In einem kleinen Workshop wollten die Verantwortlichen wissen, an was die Anwesenden denken, wenn sie das Wort Frau hören. Anhand einer Mind-Map wurden Stichpunkte gesammelt und im Nachgang ausgewertet. In Zukunft soll jedes Jahr eine Veranstaltung zum Weltfrauentag in Kelsterbach sowie zusätzliche Informationsveranstaltungen mit Dozenten zu gefragten Themen stattfinden. Auch ein Frauenfrühstück, wie es zuletzt vor Corona 2019 stattgefunden hatte, soll es in Zukunft wieder geben, so Draisbach. (Text und Bilder ana)
Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Meilensteine und Schreckmomente der deutschen Geschichte der Gleichberechtigung
19. März 1911 in Deutschland wird der erste internationale Frauentag gefeiert. Ziel war es, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau voranzubringen und das Frauenwahlrecht einzuführen.
November 1918 Frauen wird durch den Rat der Volksbeauftragten das aktive und passive Wahlrecht eingeräumt. Rund 17 Millionen wahlberechtigte Frauen dürfen am 19. Januar 1919 das erste Mal ihre Stimme abgeben, damals bei der Wahl der Weimarer Nationalversammlung.
1930 In Frankfurt gründet eine Bürgerin den ersten Deutschen Damen Fußball Club Frankfurt. Die interessierten Damen werden nicht nur schlimm beschimpft, sondern beim Training auch mit Steinen beworfen. Ein Jahr später ist der Damen Fußball Club aufgelöst.
1949 Die Gleichberechtigung wird auf Engagement von vier Politikerinnen in das Grundgesetz aufgenommen.
24. Januar 1952 der Deutsche Bundestag verabschiedet das Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter. Mütter dürfen nun sechs Wochen vor und nach der Geburt zu Hause bleiben, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit und Kündigung bis zu vier Monate nach der Geburt sind fortan verboten.
18. Juni 1957 Der Gehorsamkeitsparagraph wird ersatzlos aus dem Grundgesetz gestrichen. Da er sich mit der 1949 im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung nicht vereinbaren lässt, wird der Paragraph, der dem Mann die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche Leben betreffende Angelegenheiten zugesteht, inklusive Wohnort sowie Wohnung, ersatzlos gestrichen.
1958 Finanzen: Frauen dürfen selbstständig über ihr Vermögen verfügen und ein eigenes Konto eröffnen.
Arbeit: Der Mann konnte bis 1958 über ein Dienstverhältnis seiner Frau entscheiden, also sagen ob und wo sie arbeitet. Ebenso konnte er es jederzeit ohne ihr Einverständnis kündigen. Seit 1958 dürfen Frauen ohne die Einverständniserklärung ihres Ehemannes arbeiten gehen. Aber: Bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland nur dann berufstätig sein, wenn das “mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar” war. Haushalt und Kindererziehung waren klar ihr zugeordnet.
1. Juni 1961 Die Antibabypille wird in Deutschland zugelassen - jedoch zunächst nur für verheiratete Frauen. Zwei Frauenrechtlerinnen kämpften zuvor in den USA für die Legalisierung der Antibabypille, um die illegalen Abtreibungen einzudämmen. Dort kam sie 1960 auf den Markt.
14. November 1961 Elisabeth Schwarzhaupt wird die erste Bundesministerin und ist für das Ministerium Gesundheitswesen zuständig.
1969 Der Paragraph 175 Strafgesetzbuch wird reformiert. Von nun an ist Homosexualität unter Erwachsenen straffrei. In Paragraf 175 wurden bis dahin explizit die sexuellen Handlungen unter Männern unter Strafe gestellt.
Weibliche Homosexualität war, insbesondere während der Entstehungszeit des Paragraphen 1871, in der Gesellschaft eine Grauzone. Vor allem weil Frauen insgesamt keine eigenständige Sexualität und eigenständiges Begehren zugestanden wurde.
1979 Bundesfamilienministerin Antje Huber führt den Mutterschaftsurlaub und das Muttergeld ein. Damit verbunden ist auch eine Arbeitsplatzgarantie sowie ein Kündigungsschutz.
6. Juni 1986 Rita Süßmuth wird erste Bundesministerin für Frauen. Erst ab diesem Jahr gibt es in der Bundesregierung ein Ministerium, das sich ausschließlich mit den Belangen der Frauen auseinandersetzt.
1989 Die Frauen-Fußballnationalmannschaft wird zum ersten Mal Europameister. Da für Frauenfußball trotz steigender Erfolge kein Budget eingeplant ist, bekommt die weibliche Nationalelf als Siegesprämie ein 40-teiliges Kaffeservices.
19. Mai 1993 Heide Simonis wird Deutschlands erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes, in diesem Fall von Schleswig-Hollstein.
11. Juni 1994 Der Paragraph 175 im deutschen Strafgesetzbuch wird abgeschafft.
November 1994 Der Paragraph zur Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen wird im Grundgesetz intensiviert. Die soziale Wirklichkeit verändert sich nur sehr langsam, daher wird nun auf die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau“ hingewiesen. Stellenanzeigen müssen sich nun ausdrücklich an Frauen und Männer richten. Außerdem sollen Frauen durch das verschärfte Gesetz im Arbeitsleben vor sexueller Belästigung geschützt werden.
1. April 1994 Ungünstiges Datum, dennoch kein Aprilscherz: Das Familiennamensrechtsgesetz wird modernisiert. Fortan dürfen Eheleute getrennte Familiennamen führen und der Nachname des Mannes wird nicht mehr automatisch als Familienname vorgeschrieben.
15. Mi 1997 Nach 25 Jahren Protest wird 1997 im Deutschen Bundestag die Vergewaltigung in der Ehe künftig unter Strafe gestellt. Vergewaltigenden Ehemännern wird künftig kein Sonderrecht mehr eingeräumt. Mit einer eindeutigen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten wird dafür gestimmt und das Gesetz 1998 in das Grundgesetz aufgenommen.
2001 Die Bundeswehr öffnet ihre militärischen Laufbahnen für Frauen. Bislang konnten Frauen nur im Sanitätsdienst und dem Musikcorps der Bundeswehr arbeiten. Zum Vergleich: In Israel besteht die Wehrdienstpflicht seit 1949. Weitere Länder mit einer Wehrdienstpflicht für Frauen sind Eritrea, Finnland und Schweden.
22. November 2005 Angela Merkel wird Deutschlands erste Bundeskanzlerin. Nachdem der vorige Bundeskanzler Gerhard Schröder zum zweiten Mal in seiner Kanzlerlaufbahn die Vertrauensfrage gestellt hatte, kam es zur Neuwahl für den Bundeskanzler, die er krachend verlor.
1. Januar 2007 Das neue Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit tritt in Kraft. Mit diesem können Mütter und Väter bis zu 14 Monate aus dem Berufsleben ausscheiden und bis zu 67 Prozent ihres Gehalts als Elterngeld erhalten.
1. Januar 2016 Die Geschlechterquote wird eingeführt. Mindestens 30 Prozent der neu zu besetzenden Stellen in Aufsichtsratsposten müssen an Frauen vergeben werden. Auch andere Unternehmen sind verpflichtet, sich Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils zum Beispiel in Aufsichtsräten zu setzen.
Oktober 2017 Die Ehe für alle, also auch für homosexuelle Paare, wird in Deutschland eingeführt.