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Kelsterbach aktuell
Ausgabe 15/2025
Seite 3
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Wieder Rückepferde im Kelsterbacher Wald

Mit wenigen Kommandos leitet Irene Noll den Kaltblüter Hektor durch die Baumreihen.

Bei Beate erkennt man deutlich das geschorene Fell. Trotzdem schwitzt das große Tier von der anstrengenden Arbeit.

Die wohlverdiente Pause, die Tiere sind dennoch immer wachsam.

Irene Noll ist zufrieden mit ihren beiden Rückepferden.

Wenn die Bäume aus dem Wald gezogen wurden, werden sie zum Weitertransport verladen.

Nach einem Jahr Pause waren am vergangenen Freitag und diesen Montag wieder zwei Holzrückpferde im Mönchwald unterwegs. Hektor und Beate, die schon vor zwei Jahren da waren, leisteten an den beiden Tagen wieder ganze und vor allem wertvolle Arbeit – denn die im Januar entnommenen Baumstämme, zogen die beiden schonend aus dem restlichen Baumbestand heraus.

Diese wurden von den Azubis der Fraport Feuerwehr gefällt, mit der die Stadt Kelsterbach seit einigen Jahren eine Kooperation eingeht – die Fraport Feuerwehr kann ihre Azubis im Kelsterbacher Wald an der Kettensäge ausbilden und entfernt dabei die Bäume, die der Kelsterbacher Kommunalbetrieb zuvor markiert hat. „Das sind im Moment alles Roteichen, die gefällt werden“, erklärt Stadtförster Martin Klepper. „Ich schaue mir regelmäßig den Baumbestand an und identifiziere zukunftsträchtige Bäume und solche mit weniger guten Chancen, weil sie zu wenig Licht oder Platz haben.“ Denn obwohl sie unterschiedlich in Höhe und Stammumfang sind, sind alle Roteichen im Areal am See gleich alt. Wurden Zukunftsbäume ausgemacht, gilt es, ihnen die beste Ausgangslage zum Überleben zu bieten. Deshalb müssen Bäume, die zu dicht an ihnen stehen – sogenannte Bedränger – weichen. „Jeder Baum konkurriert mit den anderen um Wasser und Licht“, erklärt Klepper. „Und man muss bedenken, dass der Umfang einer Roteiche mit den Jahren erheblich zunimmt. Da dürfen Bäume nicht zu dicht stehen.“

Pferde hören auf die Stimme

Nachdem der Kettensägenlehrgang erfolgreich abgeschlossen wurde, kommen Irene Noll und Volker Schmelz aus Linden bei Gießen mit ihren Rückepferden Hektor und Beate zum Einsatz. 30 Festmeter Holz sind für zwei Tage Arbeit veranschlagt. Zu bedenken ist dabei immer, dass Tiere keine acht Stunden Arbeit verrichten können und zwischendurch Pausen machen müssen. Der Arbeitstag eines Rückepferdes ist intensiv und endet nach vier bis sechs Stunden. Als Hektor und Beate Anfang April ihre Arbeit am Mönchwaldsee verrichten, haben beide noch ihr Winterfell und waren nach drei Stunden Arbeit komplett durchgeschwitzt. Es stand erstmal eine gute halbe Stunde Pause an. Eine gängige Praxis ist, den Pferden die Flanken und den unteren Bauch zu rasieren, um ihnen das Abschwitzen zu erleichtern, doch das restliche Fell ist umgekehrt auch Kälteschutz und muss bleiben. „Die beiden freuen sich auf die Arbeit, die wollen sich auspowern, aber man merkt auch ganz deutlich, wenn sie müde werden und eine Pause brauchen“, erklärt Noll.

Der 19-jährige Hektor und die achtjährige Beate sind Kaltblüter, also kräftige Pferde, die viel Gewicht ziehen können. Die Ausbildung eines Rückepferdes dauert etwa fünf Jahre, aber die achtjährige Beate lernt immer noch, vor allem vom erfahrenen Hektor, erklärt Dr. Irene Noll, die hauptberuflich praktizierende Tierärztin ist. „Ein gut ausgebildetes Rückepferd denkt mit, weiß an welchen Stellen wir schon waren und wo der beste Weg ist. Außerdem lassen sie sich mit feinen Kommandos am Geschirr und mit der Stimme lenken. Hektor habe ich mir gekauft, als er zweieinhalb Jahre alt war. Seit er drei war, ist er im Holz. Er ist ein Noriker-Haflinger-Mix und deutlich kleiner als Beate. Aber dadurch ist er auch wendiger und kommt sehr gut durch die schmalen Baumreihen hindurch.“ Im Vergleich: Hektor misst 1,50 Meter Schulterhöhe und wiegt 580 Kilogramm – Beate kommt auf 1,80 Meter Schulterhöhe und 880 Kilogramm.

Nachhaltige Forstwirtschaft

Das Holzrücken ist kein Vollzeitjob. „Das macht es manchmal auch etwas kompliziert, zeitnah Rückepferde zu bekommen“, erklärt Klepper. Denn so wie Irene Noll und Volker Schmelz müssen auch andere Rückepferdebesitzer mit ihren Tieren von weiter weg anreisen und die Termine in ihre hauptberufliche Arbeit integrieren. Doch das Prinzip, ein Rückepferd einzusetzen, birgt eben auch Vorteile und ist Teil einer nachhaltigen Forstwirtschaft. Obwohl Maschinen schneller die Arbeit verrichten, verursachen sie oft Schäden im Wald. Rückepferde dagegen verursachen keine Bodenverdichtung, lenken um die Bäume herum und schaden auch nicht dem Unterholz. „Das Faszinierende bei einem Rückepferd ist, dass es sich immer den besten Weg sucht“, sagt Klepper. Das ist nicht immer der direkte Weg, aber dafür der, der am trittsichersten ist. „Als Mensch würde man wahrscheinlich auch den geraden Weg nehmen. Die Tiere haben aber ganz andere Wahrnehmungen und finden die Wege, die für ihre Hufe und Beine geeignet sind.“

Neben dem Baumrücken betreiben Noll und Schmelz mit ihren Pferden Kutschfahrten und fahren auch zu Rückemeisterschaften. Hektor ist beispielsweise amtierender Hessenmeister und hat den dritten Platz bei der Europameisterschaft absolviert. Und so ist es auch absolut beeindruckend, die massigen Tiere bei ihrer präzisen Arbeit zu beobachten. Hier haben Noll und Schmelz eine Bitte an Gassigeher: „Es ist wichtig, den Hund anzuleinen, wenn man uns sieht. Ansonsten sind wir und unsere Pferde sehr entspannt“. (ana)