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Kelsterbach aktuell
Ausgabe 17/2024
Seite 4
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Mit dem LKW durch Südeuropa bis in die Stadtbibliothek Kelsterbach

(vlnr.) Bürgermeister Manfred Ockel begrüßt die Autorin Helga Blohm und Klaus Baumeister zur Lesung in der stadt- und Schulbibliothek.

Nach der Lesung drehten (vlnr.) Reinhold Zühlke, Bürgermeister Manfred Ockel, Christian Reschke und Klaus Baumeister eine Runde in der Zugmaschine.

Es war ein ungewohnter Anblick, der sich den Gästen bot, die am vergangenen Dienstag zur Lesung der Mannheimer Autorin Helga Blohm in die Stadt- und Schulbibliothek kamen. Vor dem Gebäude stand eine 7,5 Tonnen schwere Zugmaschine der auf dem Mönchhof-Gelände beheimateten Firma „my Logistics GmbH“. Klaus Baumeister, ehemaliger Lehrer an der Integrierten Gesamtschule und leidenschaftlicher LKW-Fahrer, hatte nicht nur Blohm für die Lesung aus ihrem Buch „Gott und mein 40-Tonner“, sondern auch das 560 PS starke Anschauungsmodell zur Bibliothek gebracht.

Die heute 69-jährige Blohm war schon als Kleinkind begeistert von Autos. Sie durfte bereits im Alter von vier Jahren mit ihrem Vater den VW Käfer der Familie lenken und, sobald sie mit den Füßen ans Gaspedal kam, erste eigene Fahrversuche auf privatem Gelände unternehmen. Nach einer Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten erfüllte sie sich mit 32 Jahren ihren Traum vom LKW-Führerschein und nach vielen erfolglosen Bewerbungen bekam sie drei Jahre später die Chance, als eine von wenigen Frauen als Fernfahrerin zu arbeiten. Von 1989 bis 1994 war sie auf den Straßen Europas unterwegs, wovon sie den rund 30 Gästen ihrer Lesung anschaulich berichtete.

Zunächst aber begrüßten die stellvertretende Bibliotheksleiterin Ramona Wiechmann und Bürgermeister Manfred Ockel das Publikum. „Kelsterbach ist mitten im Rhein-Main-Gebiet gelegen zwar ein kleiner Ort, dafür aber ist hier sehr viel Logistik ansässig. Wir kennen uns hier also mit LKWs aus“, so Ockel augenzwinkernd. Er bedankte sich bei der Autorin für ihr Kommen und dem Bibliotheksteam für die Organisation des Abends. Nachdem auch Baumeister noch einige Worte über seine Leidenschaft für das LKW-Fahren mit den Anwesenden geteilt hatte, gehörte die Bühne voll und ganz Helga Blohm.

Sie erzählte von ihrem ersten Abenteuer, als sie quasi über Nacht die Chance bekam, in den Beruf einzusteigen. Von ihrem neuen Arbeitgeber wurde sie damals mit dem PKW nach Italien gefahren, wo ihr Schlüssel, Gebrauchsanweisung für den LKW und Zollpapiere für die Fracht in die Hand gedrückt und ihr eine gute Fahrt gewünscht wurde. Sie berichtete zudem, wie sie in den Neunzigern in Italien, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Österreich und Deutschland ganz ohne Navi und Handy unterwegs war, um Blumen, Wein, Öle, Fette, Maschinen und Gefahrgut zu transportieren. Dabei habe sie immer Gott und viele Schutzengel an ihrer Seite gehabt, so die gläubige Christin. Gemeint sind damit die nach außen hin oftmals harten Kerle, die als LKW-Fahrer um die Welt fahren und die ihr in so vielen Situationen immer mit Respekt, Achtung und großer Hilfsbereitschaft begegnet sind.

In den fünf Jahren als LKW-Fahrerin schrieb Blohm stichpunktartig Tagebuch, insbesondere um Fahrstrecken und Daten zu sammeln, damit sie im Bedarfsfall an Polizei und Spedition detaillierte Auskünfte geben könne. Aus diesen Aufzeichnungen hat sie im Ruhestand ihr Buch verfasst, mit dem sie seitdem zu Lesungen reist. Obwohl sie nach nur fünf Jahren aus familiären Gründen den Job wieder aufgeben musste und in ihren ursprünglichen Beruf zurückgewechselt ist, erzähle sie immer wieder gerne über ihre Zeit als Fernfahrerin, so Blohm.

Im Anschluss an die Lesung ließ es sich die Autorin nicht nehmen, eine Runde in der Zugmaschine zu drehen und sich ein Bild davon zu machen, wie sehr sich ihr einstiger Arbeitsplatz verändert hat. Und auch der Bürgermeister gönnte sich mit sichtlichem Vergnügen diesen etwas anderen Abschluss einer Veranstaltung der Stadt- und Schulbibliothek. (sb)