Mit Bestürzung nimmt der Vorstand der Fluglärmkommission Frankfurt die völlig überraschende Vorstellung eines neuen Betriebskonzepts durch Fraport und DFS zur Kenntnis. Die am 4. Juni 2025 – nur sechs Tage nach der regulären 280. Sitzung der Kommission – ohne jede Vorankündigung präsentierten Pläne sehen eine substanzielle und deutliche Ausweitung der Nutzung der Nordwest-Abflugrouten bei steigendem Verkehrsaufkommen vor.
„Das ist ein tiefgreifender Bruch mit den Prämissen, auf denen der Ausbau des Flughafens rechtlich und politisch beruhte“, erklärt Paul-Gerhard Weiß, Vorsitzender der Fluglärmkommission und Stadtrat der Stadt Offenbach. „Die zugesagte Vermeidung einer Doppelbelastung der am stärksten betroffenen Kommunen war eine wichtige Säule der damaligen Entscheidung. Dass diese nun einseitig aufgegeben werden sollen – ohne die Betroffenen einzubeziehen oder auch nur zu informieren – stellt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar.“
Bereits im Raumordnungsverfahren war klar, dass die Landebahn Nordwest Flörsheim bei Ostbetrieb mit Landungen in Überflughöhen zwischen 240 m unter 270 m massiv belastet würde. Als Konsequenz wurde von Fraport die sog. Südumfliegung entwickelt, um die höchstbetroffenen Orte bei Westbetrieb vor zusätzlichen Abflügen zu schützen. Die Nordwest-Abflugrouten sollten daher nur noch mit maximal 1,5% der Abflüge belegt werden. Diese Annahmen wurden zur Grundlage aller Auswirkungsbetrachtungen im Raumordnungsverfahren, im Planfeststellungsverfahren und der Lärmschutzbereichsfestlegung gemacht. Der Migrationsplan wurde durch die Fraport AG selbst in der 219. Sitzung der Fluglärmkommission am 20.02.2013 ausführlich vorgestellt.
„Das jetzt präsentierte Konzept ist ein Offenbarungseid!“, so Weiß. „Eine derartige Verdichtung der Nutzung der Nordwestabflüge war nie Bestandteil der damaligen Abwägungen. Ob die Standortauswahl für die Landebahn unter diesen Voraussetzungen gleich ausgefallen wäre 2 und ob der Flughafenausbau überhaupt genehmigungsfähig gewesen wäre, ist höchst fraglich.“
Die Kommission hatte in den letzten Jahren und Monaten, auch auf Veranlassung der betroffenen Kommunen Flörsheim und Hochheim, immer wieder darauf gedrängt, endlich Maßnahmen für eine Reduzierung der Nutzung der Nordwestabflüge zu ergreifen, um eine Doppelbelastung zu vermeiden. So wurde auf Beschluss der Fluglärmkommission im vergangenen Jahr die erforderliche Anpassung einer Rechtsverordnung im Lärmaktionsplan für den Flughafen Frankfurt als prioritäre Maßnahme verankert. Immer wieder versicherten alle Akteure, an Lösungen zu arbeiten, um die bestehenden Belastungen zu minimieren. Erst auf Drängen der Stadt Hochheim wurde jetzt offensichtlich, dass hinter verschlossenen Türen an anderen Lösungen als der Migration Richtung Südumfliegung gearbeitet wird.
Statt transparenter Kommunikation wurden einzelne Kommunen im Nachgang zur 280. Sitzung eilig zu einem Informationsgespräch eingeladen – ohne Hinweis auf Tragweite und Inhalt des Konzepts. „Wir fühlen uns überrumpelt und getäuscht“, sagt Manfred Ockel, stellvertretender Vorsitzender der FLK und Bürgermeister von Kelsterbach. „Die DFS hat uns jahrelang mit Arbeiten an Lösungen vertröstet – gleichzeitig wurde im Hintergrund an einer Erhöhung der Belastung unter den Nordwestabflügen gearbeitet. Ein solches Vorgehen ist völlig inakzeptabel. Statt transparenter Zusammenarbeit erleben wir hier ein inhaltliches und kommunikatives Desaster.“
Auch Janina Steinkrüger, Umweltdezernentin der Stadt Mainz und stellvertretende Vorsitzende der FLK, äußert sich deutlich: „Ein solch gravierender Eingriff in das Betriebskonzept hätte zwingend vor Veröffentlichung mit der Kommission beraten werden müssen. Stattdessen wurden die betroffenen Kommunen vor vollendete Tatsachen gestellt – während die Presse bereits umfassend informiert wurde. Das Vertrauen, das sich in den letzten Jahren in der Zusammenarbeit zwischen Kommission, Flughafenbetreiber und DFS entwickelt hatte, wurde durch dieses Vorgehen schwer beschädigt.“
Der Vorstand der Kommission fordert das Land Hessen in seiner Rolle als Aufsichtsbehörde auf, umgehend zu überprüfen, ob das vorgestellte Betriebskonzept noch mit dem Planfeststellungsbeschluss vereinbar ist. „Die Glaubwürdigkeit der Flughafenpolitik steht auf dem Spiel“, warnt Weiß. „Wenn Zusagen von damals heute nichts mehr gelten, untergräbt das nicht nur das Vertrauen in die Institutionen, sondern auch in das gesamte rechtliche Verfahren.“