Ihre Arbeit ist für die Kommune von ungemeiner Bedeutung und dennoch weiß kaum jemand davon. Die Rede ist von der Diakonie, die sich in Kelsterbach im Rahmen der kommunalen Sozialarbeit um die Bewohnerinnen und Bewohner der Notunterkunft in der Waldstraße, sowie um auf der Straße lebende Menschen kümmert. Lucian Lazar, Gesamtleiter der Regionalen Diakonie Rüsselsheim / Groß-Gerau, sowie Sozialarbeiterin Kerstin Reinecker stellten in der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Sport, Soziales, Kultur, Integration (BSKSI) die aktuellen Fortschritte, Herausforderungen und Ergebnisse ihrer Arbeit im Zeitraum März 2023 bis April 2024 vor. Dabei machte Lazar gleich zu Beginn deutlich, wie wichtig Kooperationen und Netzwerke sind: „Alleine können wir als Diakonie wenig bewirken, das schaffen wir nur in Kooperation mit den verschiedenen Institutionen und im kommunalen Verbund.“
Reinecker betonte, dass ihre Arbeit in erster Linie auf Vertrauensaufbau, gegenseitigen Respekt, viel Geduld und Motivation beruhe. Nur wenn die Grundvoraussetzungen stimmen, könne sie den Menschen helfen, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern und sie dabei unterstützen, eine langfristige Perspektive zu entwickeln. Fortschritte sehe sie schon bei der Unterkunft selbst. War das Treppenhaus zu Beginn noch mit Kaugummis vollgeklebt und mit Zigarettenstummeln verschmutzt, sei davon mittlerweile nichts mehr zu sehen. Der ehemals vermüllte Garten wurde derart herausgeputzt, dass sie sogar Lob von einer Gartenbaufirma bekommen hätten. Die Flure würden ebenfalls – wenn auch nicht regelmäßig – gewischt. „Ich bin sehr stolz auf die Menschen. Sie haben sich bewegt und sich motivieren lassen“, so Reinecker.
Auch sie sehe im Aufbau von Netzwerken einen wichtigen Baustein ihrer Arbeit. Das innerstädtische Netzwerk, bestehend aus Flüchtlingskoordinatorin Agneta Becker, dem Ordnungsamt und der Wohnungswirtschaft funktioniere bestens. Becker etwa könne durch ihre vielen Kontakte immer wieder dabei helfen, auch kurzfristig notwendige Möbel und Utensilien zu beschaffen. Die Kooperation mit Ordnungsamt und Wohnungswirtschaft habe dazu geführt, dass viele Menschen in Wohnungen verlegt werden konnten. Dabei machte die Sozialarbeiterin klar, dass es wichtig sei, immer individuell einzuschätzen, ob jemand wohnfähig sei. „Wenn jemand den Haushalt und seine Finanzen nicht im Griff hat, macht eine Vermittlung keinen Sinn. Diese Personen habe ich dann in drei Monaten wieder.“ Von den 56 Menschen, die während des im Bericht erfassten Zeitraums in der Notunterkunft gelebt haben, konnten immerhin 21 in einen eigenen Wohnraum verlegt werden. Zwei Menschen seien leider verstorben und zwei weitere unbekannt verzogen.
Es gebe Menschen, die schon seit über 20 Jahren in der Notunterkunft leben. Damit dies Einzelfälle bleiben, sei es wichtig, den Menschen so schnell als möglich Wohnraum zu vermitteln, damit sie den Absprung schaffen und wieder ein Teil der Gesellschaft werden könnten. Lazar fügte hinzu: „Es ist uns wichtig, dass die Würde der Menschen dabei immer geachtet wird und sie stets die nötige Zuwendung erhalten, die sie brauchen.“
Dafür sei auch die Kooperation mit dem Sozial-Psychologischen Dienst (SPDI) wichtig, erklärte Reinecker. Es kämen immer wieder Menschen mit psychischen Problemen in die Notunterkunft. Wenn es da schwierig wird oder es zu Konflikten mit anderen Bewohnern kommt, könne sie sich immer an den SPDI wenden. Aber auch andere Stellen wie das Amtsgericht, die Jobcenter oder die Kreis-Volkshochschule für Deutschkurse und andere Angebote seien für die kommunale Sozialarbeit essenzielle Netzwerkpartner. Lazar resümierte, dass man deutlich sehe, wie vielfältig und wichtig die Arbeit von Reinecker sei. Sie schaffe es, individuell auf die Menschen einzugehen und ihnen auch mal unkonventionell zu helfen. So erreiche sie auch solche Personen, die auf dem normalen Verwaltungswerg nicht mehr erreichbar sind und sich mitunter bereits aufgegeben haben.
Neben den BSKSI-Ausschussmitgliedern lobte auch Bürgermeister Manfred Ockel die im Bericht anschaulich beschriebene Arbeit der Diakonie. „Wir legen Wert darauf, Menschen, die in einer Notlage sind, zu helfen“, konstatierte Ockel. „Das klappt nicht immer, eine Lösung zu finden, aber wir versuchen, diese Menschen unterzubringen.“ Dies sei eine große Aufgabe, die nur im gemeinsamen, ergänzenden Miteinander verschiedener Akteure wie der Stadtverwaltung, der Caritas und eben auch der Diakonie zu meistern sei. (sb)